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BGH, Urteil vom 07. November 1966 – II ZR 136/64

§ 57 Abs 2 GmbHG

Stammeinlagezahlungen, die vor einer beabsichtigten Kapitalerhöhung und vor Übernahme einer Stammeinlageverpflichtung bewirkt werden, befreien den Leistenden von seiner späteren Einlageschuld nur, wenn sie in Geld in das Vermögen der GmbH gelangt sind und der Gesellschaft im Zeitpunkt der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung unverbraucht zur Verfügung stehen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts in Frankfurt (Main) vom 8. Mai 1964 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

Durch Gesellschafterbeschluß vom 17. Januar 1955 wurde das Stammkapital der R-P GmbH, W, von 100.000 DM auf 150.000 DM erhöht. Die Beklagte übernahm die neue Stammeinlage von 50.000 DM. Mitte 1962 wurde über das Vermögen der GmbH das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger ist der Konkursverwalter. Er behauptet, die Beklagte habe die Einlage auf das erhöhte Stammkapital nicht geleistet, und macht einen Teilbetrag von 10.000 DM geltend. Mit Rücksicht auf eine von der R-Reklame ausgebrachten Pfändung verlangt er in erster Linie Zahlung an diese Gläubigerin, hilfsweise an sich selbst.

Das Landgericht hat dem Hauptantrag stattgegeben.

Das Berufungsgericht hat nach dem Hilfsantrag erkannt.

Mit der Revision, um deren Zurückweisung der Kläger bittet, verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Die Beklagte will ihre Einlageverpflichtung durch vier Schecks der Firma Gummi-M über zusammen 56.000 DM geleistet haben. Diese Schecks sind unstreitig eingelöst worden.

a) Das geschah im Dezember 1954. Zu dieser Zeit war die Einlageverpflichtung der Beklagten noch nicht entstanden. Denn die Kapitalerhöhung ist erst am 17. Januar 1955 beschlossen worden, und erst an diesem Tage hat die Beklagte die Einlageverpflichtung übernommen. Bei Einlösung der Schecks gab es daher noch keine Einlageverpflichtung zu erfüllen.

b) Die Firma Gummi-M hat hohe Zahlungen als Darlehen an die GmbH geleistet. Insgesamt sollen es 721.537,02 DM gewesen sein. Die GmbH hat drei der vier Schecks über zusammen 51.000 DM zunächst gleichfalls als Darlehen verbucht. Die Beklagte hat nicht behauptet, daß die Firma Gummi-M bei Hingabe oder vor Einlösung der vier Schecks zum Ausdruck gebracht habe, daß ein Teilbetrag davon, nämlich 50.000 DM, als Einlage der Beklagten verwendet werden solle. Unstreitig hat die GmbH die Beträge der vier Schecks zunächst auch auf dem Konto Gummi-M Nr. 071 verbucht. Hiervon soll nach Behauptung der Beklagten auf Veranlassung eines Geschäftsführers der GmbH, K, am 31. Dezember 1954 ein Betrag von 50.000 DM auf ein Einlagekonto der Beklagten umgebucht worden sein, wie sich aus der Bilanz der GmbH per 31. Dezember 1954 ergebe.

Das Berufungsgericht läßt das offen, weil jeder Anhalt dafür fehle, daß die Firma Gummi-M die vier Scheckzahlungen mit dem Willen geleistet habe, damit eine künftige Einlageverpflichtung der Beklagten zu erfüllen. Es kann dahingestellt bleiben, ob diese Ansicht und die gegen sie gerichteten Revisionsangriffe berechtigt sind. Denn das Berufungsurteil ist jedenfalls aus einem anderen Grunde richtig.

II. Wäre davon auszugehen, daß die Firma Gummi-M für die Beklagte einen Betrag von 50.000 DM an die GmbH gezahlt hat, so geschah dies vor Entstehung der Einlagepflicht.

Der Senat hat in seinem Urteil vom 29. März 1962 – II ZR 50/61 – (BGHZ 37, 75) in Übereinstimmung mit dem Reichsgericht (RGZ 83, 370, 374/75; 149, 293, 302/3) angenommen, daß noch nicht geschuldete Stammeinlagezahlungen, die während des Gründungsstadiums geleistet werden, unwirksam sind, und daß der Einlageschuldner durch derartige Zahlungen zur frei wird, wenn eine solche Zahlung der Gesellschaft im Zeitpunkt der Eintragung ins Handelsregister unverbraucht zur Verfügung steht und in Geld in das Vermögen der juristischen Person gelangt. Der Grund hierfür liegt darin, daß der Schutz des Rechtsverkehrs den Vorzug vor der Berücksichtigung der Interessen der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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verdient. Ist das Stammkapital der Gesellschaft bei deren Eintragung bereits aufgebraucht oder verloren, so gelangt eine juristische Person zur Entstehung, der die Haftungs- und Kreditgrundlage fehlt. Eine solche Gesellschaft bietet die Möglichkeit, das unternehmerische Risiko diejenigen tragen zu lassen, die mit ihr im Vertrauen auf das haftende Kapital Geschäfte abschließen. Gewiß können auch die gesetzlich (§ 7 Abs. 2 GmbHG) vorgeschriebenen Mindesteinzahlungen oder darüber hinaus satzungsmäßig vorgesehene Stammeinlagezahlungen bei Eintragung der Gesellschaft schon aufgebraucht oder verloren sein. Aber ein Geschäftspartner der Gesellschaft, der bei dieser Sachlage Geld verliert, hätte selbst aufpassen können. Das ist bei freiwilligen Stammeinlagezahlungen anders. Hier kann sich der Geschäftspartner einer GmbH selbst nur noch dadurch schützen, daß er sich die Geschäftsverhältnisse der Gesellschaft offen legen läßt. Das würde, von den damit verbundenen Gefahren abgesehen, nicht bloß krank ins Leben tretende Gesellschaften, sondern auch gesunde Unternehmen treffen und die Verwendungsfähigkeit der GmbH als Institution herabsetzen. Aus diesen Gründen hat die Rechtsordnung die Aufgabe, die Gläubiger der Gesellschaft vor während des Gründungsstadiums freiwillig geleisteten Stammeinlagezahlungen zu schützen, und das hat die Rechtsprechung dadurch getan, daß sie derartige Zahlungen für rechtsunwirksam hält.

Diese Gesichtspunkte treffen bei der Kapitalerhöhung sinngemäß Jedenfalls, da zu, wo die Einzahlung vor der Beschlußfassung über die Kapitalerhöhung vorgenommen wird. Wollte man derartige Zahlungen für wirksam halten, so würden die Vorschriften über die Sachgründung leicht umgangen werden können. Denn alsdann wird nicht Geld, sondern ein Guthaben zur Einlage verwendet. § 56 Abs. 1 GmbH schreibt hierfür vor, daß bestimmte Angaben im Erhöhungsbeschluß und in der förmlichen Übernahmeerklärung zu machen sind. Daran fehlt es im vorliegenden Falle.

Auf den von der Revision in den Vordergrund gerückten Unterschied, daß Zahlungen vor einer Kapitalerhöhung und vor Übernahme einer Stammeinlage anders als Einlagezahlungen während des Gründungsstadiums an eine bereits entstandene GmbH geleistet werden, kommt es hierbei nicht an.

Unbegründet ist auch die Ansicht der Revision, die Beklagte sei verpflichtet gewesen, die Einlage bereits vor deren Übernahme zu leisten. Denn dem der Übernahmeerklärung beigefügten Satz, die neue Stammeinlage sei „bereits in bar geleistet“, kann nicht entnommen werden, daß eine Pflicht zur Vorauszahlung bestand. Es braucht darum nicht entschieden zu werden, ob eine solche Vorauszahlungspflicht nachträglich überhaupt begründet werden kann.

Die Revision wirft dem Berufungsgericht noch vor, es habe die bei der Anmeldung der Kapitalerhöhung abgegebene Versicherung ungewürdigt gelassen, daß sich die Stammeinlage auf das erhöhte Stammkapital in der freien Verfügung der Geschäftsführer befinde. Jedoch auch diese Rüge ist unbegründet. Denn diese Versicherung ergibt nicht, daß die im Dezember 1954 eingezahlten 50.000 DM der Gesellschaft noch bei Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses unverbraucht zur Verfügung gestanden hätten. Das hätte, wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt, bei dem hohen Geldbedarf und -verbrauch der GmbH unter Beweis gestellt werden müssen.

Die Revision war daher mit der Kostenfolge des § 97 ZPO zurückzuweisen.

Schlagworte: Barkapitalerhöhung, Kapitalerhöhung, Stammeinlage, Volleinzahlung der Stammeinlage