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BGH, Urteil vom 08. Dezember 2005 – IX ZR 182/01

§ 131 InsO, § 133 InsO, § 139 InsO

Zur Insolvenzanfechtung innerhalb und außerhalb des gesetzlichen Dreimonatszeitraums abgeführter Sozialversicherungsbeiträge (zusammenfassende Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 3. Juli 2001 aufgehoben.

Die Anschlussberufung der Beklagten gegen das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 20. Dezember 2000 wird zurückgewiesen.

Auf die Berufung des Klägers wird das vorbezeichnete Urteil des Landgerichts Stuttgart im Kostenpunkt aufgehoben und in der Hauptsache dahin geändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger weitere 35.790,43 € (= 70.000 DM) nebst jährlichen Zinsen in Höhe von 5 v.H. über dem Basiszinssatz seit dem 8. August 2000 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Auf Arbeitnehmerantrag vom 16. Dezember 1999 sowie auf danach gestellte Anträge der Beklagten und der Schuldnerin wurde über deren Vermögen am 1. April 2000 das Insolvenzverfahren eröffnet und der Kläger zum Verwalter ernannt. Die Beklagte hatte bereits am 11. März 1999 wegen rückständiger Sozialversicherungsbeiträge und Säumniszuschläge in Höhe von 202.209,12 DM gegen die Schuldnerin erfolglos zu pfänden versucht und am 6. April 1999 einen ersten Insolvenzantrag gestellt. Diesen Antrag hatte sie am 21. April 1999 nach Begleichung von 70.000 DM und Zusage künftiger Ratenzahlungen wieder zurückgenommen. Am 27. Mai 1999 zahlte die Schuldnerin durch Scheck weitere 7.397 DM. Im Juni 1999 blieben Zahlungen auf die Beitragsschuld aus, woraufhin die Beklagte am 9. Juli 1999 ein Bankkonto der Schuldnerin pfändete. Diese Pfändung wurde nach einer Scheckzahlung von 38.000 DM am 12. Juli 1999 wieder aufgehoben, jedoch hatte die Volksbank R. am Tage der Pfändung Darlehen und Kreditlinie der Schuldnerin von zusammen rd. 129.000 DM zum 16. August 1999 fällig gestellt. Am 20. August 1999 überwies die Schuldnerin nach abermaliger Pfändung der Beklagten einen Betrag von 1.500 DM. Eine weitere Kontenpfändung am 28. September 1999 blieb aufrechterhalten. Am 14. Oktober 1999 und am 30. November 1999 überwies eine Auftraggeberin auf Anweisung der Schuldnerin an die Beklagte letztmalig Beträge von 30.802,76 DM und 5.915,69 DM.

Im vorliegenden Rechtsstreit verlangt der Kläger von der Beklagten die seit dem 21. April 1999 erbrachten Zahlungen mit der Behauptung zurück, die Schuldnerin sei bereits im ersten Quartal 1999 zahlungsunfähig gewesen (BU 7); die Beklagte habe hiervon auch Kenntnis gehabt.

Das Landgericht hat der Klage mit Bezug auf die angewiesenen Zahlungen vom 14. Oktober und 30. November 1999 stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat sie nach beiderseitigem Rechtsmittel vollen Umfanges abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen bisherigen Klagantrag, auch in Höhe der erfolgreichen Anschlussberufung, weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Die Anschlussberufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil ist unbegründet. Soweit das Berufungsgericht die landgerichtliche Teilabweisung der Klage bestätigt hat, ist sein Urteil aufzuheben, der Rechtsstreit jedoch nur hinsichtlich der am 21. April 1999 gezahlten 70.000 DM zur Endentscheidung reif.

I.

Das Berufungsgericht hat die Voraussetzungen des § 133 InsO verneint, weil die Schuldnerin nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt und die Beklagte von einem solchen Vorsatz jedenfalls keine Kenntnis gehabt habe. Bei den Überweisungen vom 14. Oktober und 30. November 1999 habe es sich um kongruente Deckungen gehandelt, die hier nach § 130 InsO nicht anfechtbar seien, weil die Beklagte die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin nicht gekannt habe. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

II.

Im Einklang mit § 139 Abs. 2 Satz 1 InsO hat das Berufungsgericht zunächst die gesetzliche Dreimonatsfrist des § 130 Abs. 1 Nr. 1 InsO von dem am 16. Dezember 1999 bei Gericht eingegangenen Insolvenzantrag her zurückgerechnet, der am 1. April 2000 zur Eröffnung des Verfahrens geführt hat. Auf diesen Antragszeitpunkt kommt es hier auch für die Fristen des § 131 Abs. 1 InsO an. Ein rechtswirksam für erledigt erklärter oder zurückgenommener Insolvenzantrag, wie der Antrag der Beklagten vom 6. April 1999, ermöglicht keine Insolvenzanfechtung (vgl. BGHZ 149, 178, 180; 157, 350, 354; BGH, Urt. v. 14. Oktober 1999 – IX ZR 142/98, ZIP 1999, 1977, 1978). Das gilt auch dann, wenn der Schuldner nach der Rücknahme des ersten Antrags seine Zahlungsfähigkeit nicht wiedergewonnen hat. Ob der Geschäftsführer der Schuldnerin seine Pflicht aus § 64 Abs. 1 Satz 1 GmbHG, bei Zahlungsunfähigkeit unverzüglich Antrag auf Insolvenzeröffnung einzureichen, vorsätzlich verletzt hat, kann in diesem Zusammenhang offen bleiben (vgl. BGH, Urt. v. 10. Februar 2005 – IX ZR 211/02, WM 2005, 564, 565 unter II. 1. b, z.V.b. in BGHZ 162, 143). Demnach beurteilen sich die Kundenzahlungen auf Anweisung der Schuldnerin an die Beklagte vom 14. Oktober und 30. November 1999, die innerhalb der Dreimonatsfrist erfolgten, nach den §§ 130, 131 InsO, während für die Zahlungen vom 21. April 1999 bis zum 20. August 1999 als Anfechtungsgrund nur § 133 Abs. 1 InsO in Betracht kommt.

Soweit die Schuldnerin Überweisungen einer Zwischenperson vom 14. Oktober und 30. November 1999 an die Beklagte erkennbar veranlasst hat, um Deckungen ihrer Beitragsrückstände zu bewirken (mittelbare Zahlungen), kann zur anfechtungsrechtlichen Rückgewähr allein die Beklagte als Leistungsempfängerin verpflichtet sein (vgl. BGHZ 142, 284, 287 m.w.N.). Davon ist zutreffend auch das Berufungsgericht ausgegangen.

1.

Das Berufungsgericht hat die mittelbaren Zahlungen an die Beklagte vom 14. Oktober 1999 und 30. November 1999 zu Unrecht als kongruente Deckungen beurteilt. Diese Zahlungen waren inkongruent. Ihre Anfechtbarkeit ergibt sich aus § 131 Abs. 1 InsO. Insoweit war deshalb das landgerichtliche Urteil gegen die Anschlussberufung wieder herzustellen.

a) Vereinbart ein Schuldner mit einer Zwischenperson, diese solle für ihn fällige Beiträge an einen Sozialversicherungsträger entrichten, bewirkt allein die Mittelbarkeit dieser Zahlung in der Regel eine inkongruente Deckung (vgl. BGH, Urt. v. 9. Januar 2003 – IX ZR 85/02, ZIP 2003, 356, 358). Inkongruent ist auch die vom Schuldner durch Anweisung einer Zwischenperson erwirkte mittelbare Zahlung an einen seiner Gläubiger, wenn jener Gläubiger keinen Anspruch auf diese Art der Erfüllung hatte (BGHZ 123, 320, 324 f; BGH, Urt. v. 8. Oktober 1998 – IX ZR 337/97, ZIP 1998, 2008, 2011).

Inkongruent waren die Beitragsüberweisungen für die Schuldnerin im Dreimonatszeitraum aber auch dann, wenn die Anweisungen hierzu unter dem Druck der Kontenpfändung erfolgt sind, welche die Beklagte am 28. September 1999 ausgebracht hatte (st. Rspr., vgl. BGHZ 136, 309, 313; 155, 75, 80; 157, 350, 353; BGH, Urt. v. 10. Februar 2005 aaO, S. 565 unter II. 2. b, aa). Leistungen im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO, die innerhalb des Dreimonatszeitraums auf hoheitlichem Zwang beruhen, hat der Bundesgerichtshof sogar dann stets als inkongruent angesehen, wenn die Zwangsvollstreckung im verfahrensrechtlichen Sinne noch nicht begonnen hatte, sondern lediglich unmittelbar bevorstand (vgl. BGH, Urt. v. 11. April 2002 – IX ZR 211/01, ZIP 2002, 1159, 1161; v. 15. Mai 2003 – IX ZR 194/02, WM 2003, 1278 f). Dies gilt innerhalb des besonders geschützten Dreimonatszeitraums erst recht, wenn ein Schuldner sich durch bereits wirksam gewordene Kontenpfändungen eines Gläubigers veranlasst sieht, eigene Kunden zur Direktzahlung an diesen Gläubiger zwecks Tilgung der in Vollstreckung befindlichen Forderungen anzuweisen.

Die der Beklagten auf Anweisung der Schuldnerin gewährte Befriedigung stellt auch nicht deshalb eine kongruente Deckung dar, weil die Beklagte nach § 76 Abs. 1 SGB IV verpflichtet ist, Sozialversicherungsbeiträge rechtzeitig und vollständig zu erheben, und diese Beiträge nach § 30 Abs. 1 SGB IV zweckgebunden verwendet werden müssen. Der Gesetzgeber hat bewusst davon abgesehen, bestimmte Gläubigergruppen in der Insolvenz zu privilegieren, wie dies unter der Geltung der Konkursordnung für die Sozialversicherungsträger nach § 59 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. e KO noch der Fall war. Aber auch diese Vorschrift schützte die Sozialversicherungsträger nicht vor der Anfechtung nach § 30 Nr. 1 KO (vgl. BGHZ 79, 124, 130 f). Im Übrigen bezieht sich die Pflicht zur beitragskonformen Mittelverwendung nur auf Beiträge, die in gesetzlich nicht missbilligter Weise in das Vermögen der Sozialkasse gelangt sind. Dies trifft auf Mittel, die nach den Regeln des Insolvenzrechts der Gläubigergesamtheit gebühren, nicht zu (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juni 2005 – IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243).

Nach diesen Rechtssätzen war die mittelbare Zahlung der Schuldnerin an die Beklagte vom 30. November 1999 gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, weil sie im letzten Monat vor der maßgebenden Antragstellung vorgenommen worden ist. Die mittelbare Zahlung der Schuldnerin vom 14. Oktober 1999 war nach § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO anfechtbar, weil die Krise der Schuldnerin jedenfalls nach Kündigung der Darlehen durch die Volksbank R. zum 16. August 1999 so verschärft war, dass die Schuldnerin aus Mangel an Zahlungsmitteln einen wesentlichen Teil ihrer Verbindlichkeiten auf Dauer nicht mehr erfüllen konnte. Das Berufungsgericht hat dies zwar nicht ausdrücklich festgestellt, ist jedoch ebenfalls davon ausgegangen, dass die Vereinbarung vom 30. August 1999 mit der Auftraggeberin C. die damalige Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zutreffend wiedergegeben hat.

b) Danach ist insoweit das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen und die hiergegen gerichtete Anschlussberufung der Beklagten zurückzuweisen. Das Berufungsurteil ist in diesem Punkt auch nicht aus anderen Gründen teilweise richtig.

aa) Die Sozialversicherungsbeiträge sind hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile kein zugunsten der Sozialversicherungsträger aussonderungsfähiges Treugut. Sie werden in vollem Umfang aus dem Vermögen des Arbeitgebers geleistet. Die Strafvorschrift des § 266a StGB schafft keine unmittelbare Berechtigung an den für den Arbeitnehmer zu entrichtenden Beiträgen (vgl. BGHZ 149, 100, 106 f; BGH, Urt. v. 20. November 2001 – IX ZR 159/00, ZIP 2002, 228, 229 unter III.; v. 10. Juli 2003 – IX ZR 89/02, ZIP 2003, 1666, 1668; v. 18. April 2005 – II ZR 61/03, WM 2005, 1180, 1182; siehe außerdem BGH, Urt. v. 14. November 2000 – VI ZR 149/99, ZIP 2001, 80, 82), deren Abfluss mithin die Gläubiger benachteiligt (BGHZ 157, 350, 358; BGH, Urt. v. 11. April 2002 – IX ZR 211/01, ZIP 2002, 1159, 1160; BGH, Urt. v. 9. Dezember 2004 – IX ZR 108/04, WM 2005, 240, z.V.b. in BGHZ 161, 315). Es kommt in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob umgekehrt die Erfüllung anderer Verbindlichkeiten die Nichtabführung von Arbeitnehmerbeiträgen in der Krise rechtfertigt (verneinend BGHSt 47, 318, 321; 48, 307, 311; BGH, Beschl. v. 9. August 2005 – 5 StR 67/05, ZIP 2005, 1678, 1679). Denn dem anfechtungsrechtlichen Prinzip der Gläubigergleichbehandlung liefe auch die bevorzugte Befriedigung anderer Gläubiger in der Krise zum Nachteil der Beitragseinzugstellen zuwider.

Für einen besonderen Schutz der Sozialversicherungsträger gegen Insolvenzanfechtungen gibt auch die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (vgl. BAG, Beschl. v. 7. März 2001 – GS 1/00, NJW 2001, 3570, 3571 f) nichts her, dass Zahlungen des Arbeitgebers, die auf den Arbeitnehmerbeitrag zur Sozialversicherung entfallen, wirtschaftlich als Leistungen aus dem Vermögen des Arbeitnehmers anzusehen seien. Zwar mag es sein, dass Beiträge nach § 28e Abs. 4 SGB IV direkt vom Arbeitgeber abzuführen sind, weil dies die Versicherungsträger schützt. Auch kann die Vorschrift des § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV, wonach der Arbeitgeber alleiniger Schuldner der Krankenkasse ist, lediglich dem Schutz des Arbeitnehmers vor Inanspruchnahme dienen, wenn der Arbeitgeber pflichtwidrig die Beiträge nicht abgeführt hat. Dies ändert aber nichts daran, dass insolvenzrechtlich der Arbeitgeber die gesamten Sozialversicherungsbeiträge ebenso wie den Lohn selbst grundsätzlich aus seinem eigenen Vermögen bezahlt. Dafür sorgt gerade der doppelte Sicherungsmechanismus des § 28e Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGB IV.

bb) Bei den angefochtenen Rechtshandlungen hat es sich nicht um Bargeschäfte nach § 142 InsO gehandelt, die eine objektive Gläubigerbenachteiligung ausschließen könnten. Dass der Einsatz der Arbeitnehmer unter Abführung der Versicherungsbeiträge dem Schuldner die Möglichkeit gibt, seine unter Umständen auch für die Gläubigergesamtheit vorteilhaften Geschäfte fortzuführen, reicht dafür ebenso wenig aus wie die Tatsache, dass die Beklagte den Arbeitnehmern der Schuldnerin Versicherungsschutz gewährt, der nicht mehr entzogen werden kann. Ein Bargeschäft liegt nur vor, wenn der Schuldner in engem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Leistung aufgrund einer Vereinbarung mit dem Anfechtungsgegner eine gleichwertige GegenleistungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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erhält (vgl. BGHZ 157, 350, 360). Der Bundesfinanzhof hat sich dieser Ansicht im Zusammenhang mit der Abführung von Lohnsteuern innerhalb des Dreimonatszeitraums zwar bisher nicht angeschlossen, sie aber zum Anlass genommen, die Vollziehung eines Haftungsbescheides gemäß §§ 69, 34 AO auszusetzen (vgl. BFH, ZIP 2005, 1797, 1799).

Im vorliegenden Fall hat die Schuldnerin weder eine Vereinbarung mit der Beklagten getroffen noch eine Gegenleistung von ihr erhalten. Die sozialversicherungsrechtliche Pflicht der Schuldnerin, die Beiträge an die Einzugsstelle zu entrichten (§ 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV), ersetzt die notwendige Vereinbarung nicht. Außerdem ist keine dem Zugriff der übrigen Gläubiger offen stehende Gegenleistung der Beklagten in das Vermögen der Schuldnerin gelangt. Stellt man auf den gewährten Versicherungsschutz für die Arbeitnehmer ab, fehlt es an einer Bereicherung der Masse. Sieht man die Gegenleistung in der Arbeitsleistung der bei der Beklagten versicherten Arbeitnehmer, so rührt diese nicht von der Beklagten her (vgl. BGH, Urt. v. 9. Juni 2005 – IX ZR 152/03, ZIP 2005, 1243, 1245).

cc) Die Beklagte kann auch nicht aufgrund der Richtlinie 80/987/EWG des Rates der Europäischen Gemeinschaften vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers (ABl. L 283 v. 28. Oktober 1980, S. 23) eine Sonderstellung im Rahmen der Insolvenzanfechtung beanspruchen (vgl. BGH, Beschl. v. 3. November 2005 – IX ZR 35/05, z.V.b.).

2.

Mit der gegebenen Begründung durfte das Berufungsgericht auch das Rechtsmittel des Klägers nicht zurückweisen. Die Anfechtung der teils durch Banküberweisung, teils durch eigene Schecks erbrachten Zahlungen außerhalb des Dreimonatszeitraums kann nach § 133 Abs. 1 InsO begründet sein. Für die Überweisung von 70.000 DM am 21. April 1999 lässt sich dies nach dem festgestellten Sachverhältnis (§ 563 Abs. 3 ZPO) abschließend beurteilen. Ansonsten ist die Sache insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um für den Tatbestand der Vorsatzanfechtung eine abschließende tatrichterliche Würdigung zu ermöglichen.

a) Voraussetzung der Anfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ist, dass der Schuldner die Rechtshandlung mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen hat. Hierfür reicht sowohl bei inkongruenten als auch bei kongruenten Deckungsgeschäften aus, dass der Schuldner sich die Benachteiligung nur als möglich vorgestellt, sie aber in Kauf genommen hat, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen (BGHZ 155, 75, 84 m.w.N.).

aa) Zur Feststellung des Benachteiligungsvorsatzes hat die Rechtsprechung im Laufe der Zeit bestimmte Grundsätze entwickelt, die aus der Lebenserfahrung abgeleitet sind. Hat der Schuldner einem Gläubiger eine inkongruente Deckung gewährt, auf die der Begünstigte keinen Anspruch hat, so liegt darin regelmäßig ein starkes Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz (BGHZ 123, 320, 326; 138, 291, 308; 157, 242, 251). Inkongruent ist stets die aufgrund eines Insolvenzantrages von dem Gläubiger erzielte Deckung. Der Insolvenzantrag dient im Gegensatz zur Einzelzwangsvollstreckung nach seinem gesetzlichen Zweck nicht dazu, dem einzelnen Gläubiger zur vollen Durchsetzung seiner Ansprüche zu verhelfen. Der antragstellende Gläubiger hat daher regelmäßig kein rechtlich geschütztes Interesse daran, mit dem Ziel der Antragsrücknahme erbrachte Zahlungen des Schuldners als Erfüllung anzunehmen (BGHZ 157, 242, 246 f). Dem Schuldner, der einem Gläubiger nach gestelltem Insolvenzantrag Teilzahlungen leistet und weitere Raten verspricht, kommt es nicht in erster Linie auf die Erfüllung seiner gesetzlichen oder vertraglichen Pflichten an, sondern er will diesen Gläubiger zur Rücknahme des Insolvenzantrages bewegen. Zu diesem Zweck bevorzugt er den antragstellenden Gläubiger und nimmt die Benachteiligung derzeit weniger gefährlicher Gläubiger im Allgemeinen in Kauf (vgl. BGH, Urt. v. 17. Juli 2003 – IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799, 1800). So lag es auch im Streitfall. Das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung für den bedingten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz der Schuldnerin ist hier nach dem Parteivortrag nicht durch besondere Umstände entkräftet. Die Schuldnerin wusste, dass sie der Beklagten zur Abwendung ihres Insolvenzantrages vom 6. April 1999 eine bevorzugte Befriedigung der von ihr verwalteten Beitragsansprüche verschaffte. Die Schuldnerin konnte aufgrund des einen Auftrages in Leonberg auch nicht mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit annehmen, über Teilzahlungen an einzelne Gläubiger hinaus in absehbarer Zeit alle Gläubiger befriedigen zu können, so dass ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz von daher nicht mehr in Betracht gekommen wäre (vgl. BGHZ 138, 291, 308; BGH, Urt. v. 22. April 2004 – IX ZR 370/00, ZIP 2004, 1160, 1161 unter II. 3. b, aa). Für einen derartigen Vorsatzausschluss reicht die vom Berufungsgericht festgestellte vorübergehende und teilweise „Konsolidierung“ in den Finanzen der Schuldnerin nicht aus.

In diesem Umfang ist der von den Vorinstanzen abgewiesene Rückgewähranspruch nach §§ 133, 143 InsO zugunsten des Klägers spruchreif. Das Berufungsgericht hat das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung bei Überweisung der 70.000 DM vom 21. April 1999 nicht zugunsten des Klägers berücksichtigt. Es war dieser Notwendigkeit auch nicht deshalb enthoben, weil auf den Geschäftsführer der Schuldnerin die Strafandrohung des § 266a StGB wirkte. Diese Strafvorschrift rechtfertigt keine Gläubigerbenachteiligung und schließt einen entsprechenden Vorsatz des Schuldners nicht aus (vgl. oben unter II. 1. b, aa).

Die Kenntnis der Schuldnerin und der Beklagten von der Inkongruenz der am 21. April 1999 gewährten Deckung bestand bereits deshalb, weil ihnen die Tatsachen bekannt waren, die hier den Rechtsbegriff der Inkongruenz ausfüllen. Die Kenntnis von der Inkongruenz der Überweisung vom 21. April 1999 ist ferner ein wesentliches Beweisanzeichen dafür, dass die Beklagte die Gläubigerbenachteiligungsabsicht der Schuldnerin gekannt hat (vgl. BGH, Urt. v. 21. Januar 1999 – IX ZR 329/97, ZIP 1999, 406, 407; v. 2. Dezember 1999 – IX ZR 412/98, ZIP 2000, 82, 83; v. 17. Juli 2003 – IX ZR 272/02, ZIP 2003, 1799, 1801; v. 22. April 2004 – IX ZR 370/00, aaO unter II. 3. c). Auch dieses Indiz hat die Beklagte im Streitfall nicht entkräftet (siehe ferner unten b).

bb) Auch ohne das Beweisanzeichen der inkongruenten Deckung, zu welcher Fallgruppe die Scheckzahlungen der Schuldnerin vom 27. Mai 1999 und 12. Juli 1999 nebst der Überweisung vom 20. August 1999 nach bisherigem Sachverhalt nicht gehören, ist vorliegend die weitere Feststellung eines Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin nicht ausgeschlossen. Allerdings erfordert dies eine neue tatrichterliche Würdigung. Das Berufungsgericht hat in dieser Hinsicht den vorgetragenen Sachverhalt nicht ausgeschöpft. Es hat festgestellt, dass die Schuldnerin seit Januar 1999 keine Löhne an ihre Arbeitnehmer gezahlt und die Arbeitsverhältnisse wegen der Zahlungsprobleme zum 30. Juni 1999 gekündigt hatte. Das Finanzamt Leonberg hatte am 6. Mai 1999 wegen rückständiger Steuern nebst Säumniszuschlägen in Höhe von 133.110,60 DM vollstreckt; von der Schuldnerin im April begebene Schecks hatte es nicht einlösen können. Bei der Beklagten waren seit November 1998 Beitragsrückstände und Säumniszuschläge von 202.209,12 DM aufgelaufen, die ihrem Insolvenzantrag vom 6. April 1999 zugrunde lagen. Es gelang der Schuldnerin zwar, diese Rückstände zum größeren Teil zu tilgen. Unstreitig sind jedoch, beginnend mit dem Restbeitrag des Monats März 1999, in jedem Folgemonat bei der Beklagten neue erhebliche Beitragsrückstände der Schuldnerin entstanden. Im Insolvenzantrag der Beklagten vom 3. Januar 2000 werden diese Rückstände bis einschließlich November 1999 mit 175.133,11 DM beziffert.

Der Bundesgerichtshof geht in der Regel davon aus, dass der Schuldner die angefochtenen Rechtshandlungen mit Benachteiligungsvorsatz vorgenommen hat, wenn er zur Zeit ihrer Wirksamkeit (§ 140 InsO) zahlungsunfähig war (BGHZ 155, 75, 84; BGH, Urt. v. 13. Mai 2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512, 1513). Der Schuldner ist nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nimmt an, dass regelmäßig Zahlungsunfähigkeit vorliegt, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10 v.H. oder mehr beträgt, soweit nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass diese Lücke innerhalb von drei Wochen (fast) vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein solches Zuwarten zuzumuten ist (BGH, Urt. v. 24. Mai 2005 – IX ZR 123/04, WM 2005, 1468, 1470, 1471, z.V.b. in BGHZ 163, 134). Unter der Geltung der Konkursordnung und der Gesamtvollstreckungsordnung war der Zeitraum, innerhalb dessen eine Zahlungsstockung behoben sein musste, wenn sie nicht in die Zahlungsunfähigkeit umschlagen sollte, auf etwa einen Monat begrenzt worden (vgl. BGHZ 149, 100, 108; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1998 – IX ZR 313/97, WM 1999, 12, 14; v. 4. Oktober 2001 – IX ZR 81/99, WM 2001, 2181, 2182). Eine einmal eingetretene Zahlungsunfähigkeit wird regelmäßig erst beseitigt, wenn die geschuldeten Zahlungen an die Gesamtheit der Gläubiger im allgemeinen wieder aufgenommen werden können. Dies hat grundsätzlich derjenige zu beweisen, der sich auf den nachträglichen Wegfall der Zahlungsunfähigkeit beruft (BGHZ 149, 108, 109; 178, 188).

Aufgrund aller erkennbaren Anhaltspunkte ist sich die Schuldnerin – hiernach beurteilt – im April 1999 bewusst gewesen, dass sie zahlungsunfähig war. Angesichts der festgestellten Ausgangslage im April 1999 und der Weiterentwicklung ihrer Beitragsschuld bei der Beklagten war die angebliche „Überzeugung“ des Geschäftsführers der Schuldnerin, er könne mit Hilfe des Auftrags in Leonberg „die finanzielle Situation in den Griff bekommen“ und die Zahlungsrückstände bei der Beklagten vollständig abtragen, nicht realistisch. Selbst wenn diese Erklärung mehr als Zweckoptimismus enthielt, konnte eine bloße Hoffnung der Schuldnerin, die Rückstände bei der Beklagten abtragen zu können, den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz nicht ausschließen (vgl. BGHZ 155, 75, 84). Gerade wenn sich diese Erwartung erfüllte, hierbei die Beklagte aber als Sozialversicherungsträger auf Kosten der übrigen Gläubiger begünstigt wurde, erfüllte sich der Tatbestand der Vorsatzanfechtung.

Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob der Schuldnerin am 12. Juli und 20. August 1999 durch die Pfändungen, welche die Beklagte ausgebracht hatte, jede Möglichkeit zu einem selbst bestimmten Handeln genommen war und sie hier von gepfändeten Konten nur noch an die Beklagte zu leisten vermochte. Hatte die Schuldnerin allein die Wahl, die Beklagte über gepfändetes Guthaben nach § 836 Abs. 1 ZPO selbst verfügen zu lassen oder an sie die geleisteten Beträge zu überweisen, fehlt es an einer Rechtshandlung im Sinne des § 133 Abs. 1 InsO (vgl. BGH, Urt. v. 10. Februar 2005 – IX ZR 211/02, WM 2005, 564, 566 f, z.V.b. in BGHZ 162, 143). Anders lag es, wenn die Schuldnerin über die weiteren Zahlungsbeträge von 38.000 DM und 1.500 DM auch noch anders hätte verfügen können, durch den Druck der andauernden Pfändung aber zur Überweisung an die Beklagte bewegt worden ist. Die letztgenannte Fallgestaltung bietet keine Besonderheiten; denn Zahlungen zur Abwendung der Zwangsvollstreckung sind außerhalb des Dreimonatszeitraums kongruente Deckungen (BGHZ 155, 75, 82 f; BGH, Urt. v. 13. Mai 2004 – IX ZR 190/03, ZIP 2004, 1512, 1513; v. 10. Februar 2005 – IX ZR 211/02, WM 2005, 564, 565 f, z.V.b. in BGHZ 162, 143).

b) Das Berufungsgericht gibt keine Begründung dafür, weshalb die Beklagte, obwohl sie am 6. April 1999 selbst einen Insolvenzantrag gestellt hat, nicht gewusst haben soll, dass die Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zumindest drohte (§ 133 Abs. 1 Satz 2 InsO). Die Revision rügt mit Recht, dass das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, aufgrund welcher Mitteilungen über die Gewinnplanung des Bauvorhabens in Leonberg und die Höhe der ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten die Beklagte die bisherige Gefahr für die Zahlungsfähigkeit der Schuldnerin als abgewendet betrachten durfte. Die ab April 1999 weiter aufgelaufenen Beitragsrückstände der Schuldnerin deuteten für die Beklagte sichtbar auf die Fortdauer der finanziellen Krise (vgl. BGHZ 149, 100, 111; 155, 75, 85; BGH, Urt. v. 17. Februar 2004 – IX ZR 318/01, ZIP 2004, 669, 671).

3.

Die geforderte Verzinsung des weitergehenden Verurteilungsbetrages ist vorläufig nur ab Rechtshängigkeit zuzusprechen. Der Kläger hat bisher nicht dargelegt, inwieweit die Überweisung der 70.000 DM am 21. April 1999 in dem Betrag von 82.060,96 DM enthalten war, mit dem die Beklagte bereits zum 6. Juli 2000 in Verzug gesetzt worden ist.

Schlagworte: Beiträge zur Sozialversicherung, Geschäftsführerhaftung Sozialversicherungsbeiträge, Haftung wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gem. § 266a StGB, Insolvenzanfechtung, Nichtabführung von Sozialversicherungsbeiträgen, sozialversicherungspflicht gmbh gesellschafter 50