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BGH, Urteil vom 09. Dezember 1996 – II ZR 341/95

§ 610 BGB, § 32a GmbHG, § 32b GmbHG

1. Eine Darlehenszusage beim Erwerb eines Geschäftsanteils einer GmbH kann unter Bedingungen gegeben werden, die ihren späteren Widerruf auch bei nachträglicher wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft ausschließen.

2. Wer beim Erwerb eines Geschäftsanteils einer GmbH über den Kaufpreis hinaus zusagt, ein nicht verzinstes und besichertes Darlehen zu gewähren, das zur Erreichung des Gesellschaftszwecks und zur Sicherung einer realistischen Überlebenschance des Unternehmens in einer Umstrukturierungsphase unumgänglich war, und ohne dessen Gewährung der Veräußerungsvertrag nicht zustande gekommen wäre, kann diese Zusage bei Eröffnung der Gesamtvollstreckung über das Unternehmen nicht widerrufen und hat den Darlehensbetrag an den Gesamtvollstreckungsverwalter als eigenkapitalersetzende Leistung zu bezahlen.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 14. Juli 1995 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Der Kläger nimmt als Verwalter über das Vermögen der in Gesamtvollstreckung befindlichen P. GmbH A. – Maschinen und Anlagen für die Textilbranche – (im folgenden: Gemeinschuldnerin) den Beklagten als Gesellschafter auf Zahlung eines „Gesellschafterdarlehens“ in Anspruch. Die Gemeinschuldnerin war am 28. Juni 1990 als Rechtsnachfolgerin eines volkseigenen Betriebs gegründet worden. Der einzige, von der Aktiengesellschaft T. gehaltene Geschäftsanteil wurde am 22. November 1991 an die Treuhandanstalt B. verkauft und abgetreten, die ihn ihrerseits mit notariellem Vertrag vom 28. November 1991 an den Beklagten sowie weitere Beteiligte verkaufte und abtrat. Der Beklagte verpflichtete sich, neben dem Kaufpreis bis zum 31. Dezember 1991 der Gesellschaft ein Darlehen von 1 Mio. DM auszureichen und es bis zum 31. Dezember 1995 ohne Besicherung in der Gesellschaft zu belassen. Die Gemeinschuldnerin geriet im Jahre 1992 in die Krise. Am 1. Februar 1993 wurde durch das Kreisgericht E. die Gesamtvollstreckung angeordnet und der Kläger zum Vermögensverwalter ernannt. Randnummer2

Am 22. September 1993 beauftragte der Gläubigerausschuß den Kläger, das bisher nicht ausgezahlte Darlehen klageweise geltend zu machen. Der Kläger verlangt von dem Beklagten einen Teilbetrag von 500.000,– DM. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht vertritt die Auffassung, der Beklagte habe seine Darlehenszusage im Hinblick auf die eingeleitete Gesamtvollstreckung wirksam widerrufen, weil keine eigenkapitalersetzende Leistung geschuldet sei. Dies greift die Revision mit Erfolg an.

1. Ein der Gesellschaft zugesagtes, aber noch nicht gewährtes Darlehen kann der Konkursverwalter nach Konkurseröffnung grundsätzlich nicht mehr einfordern, weil die §§ 32a, 32b GmbHG allein das zugeführte Gesellschafterdarlehen behandeln, aber nicht zum Nachschuß verpflichten (vgl. OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, GmbHR 1994, 185; Hachenburg/Ulmer, GmbHG, 8. Aufl., §§ 32a, 32b Rdn. 34; Scholz/K. Schmidt, GmbHG, 8. Aufl., §§ 32a, 32b Rdn. 29). Dies hindert jedoch nicht, daß eine Finanzierungszusage unter Bedingungen gegeben werden kann, die ihren späteren Widerruf auch bei nachträglicher wesentlicher Verschlechterung der Vermögensverhältnisse der Gesellschaft (§ 610 BGB) ausschließen.

Im vorliegenden Fall folgt der Ausschluß zwar nicht aus einer ausdrücklichen Vereinbarung mit dem Empfänger des Darlehensversprechens. Er ergibt sich aber aus dem für die Revisionsinstanz zu unterstellenden, von dem Berufungsgericht nicht hinreichend gewürdigten Vortrag des Klägers über den Zweck des Darlehens sowie aus den Umständen, unter denen die Finanzierungszusage des Beklagten abgegeben worden ist.

2. Die Zusage, der Gesellschaft über den an die Treuhandanstalt gezahlten Kaufpreis hinaus ein Darlehen in beträchtlicher Höhe zur Verfügung zu stellen, ist notwendiger Bestandteil des Vertrages, durch den der Beklagte seine Stellung als Gesellschafter der jetzigen Gemeinschuldnerin erworben hat.

a) Ohne diese Zusage hätte die Treuhandanstalt nach dem unter Beweis gestellten Vorbringen des Klägers den Veräußerungsvertrag nicht geschlossen. Nach Sinn und Zweck dieser Zusage kann sich auf sie, wie auch das Berufungsgericht insoweit zutreffend ausführt, nicht nur die Treuhandanstalt als unmittelbarer Vertragspartner des Beklagten, sondern auch die durch sie begünstigte Gesellschaft, der die versprochenen Mittel als Betriebs- und Haftungsmasse zur Verfügung gestellt werden sollten, berufen.

b) Die Gewährung des dem Beklagten zugesagten Darlehens war zur Erreichung des Gesellschaftszweckes unumgänglich. Durch sie sollte die Gesellschaft mit den zusätzlich zu ihrem formellen Eigenkapital erforderlichen Eigenmitteln ausgestattet werden, die benötigt wurden, um die notwendigen Umstrukturierungsmaßnahmen durchzuführen, ohne die das Unternehmen von vornherein keine realistische Überlebensaussichten gehabt hätte, und um während der Umstrukturierungsphase vorauszusehende Verluste abzudecken.

c) Die Funktion als Sanierungsdarlehen, das der Gesellschaft zunächst für die ins Auge gefaßte Dauer der Umstrukturierung wie Eigenkapital zur Verfügung stehen sollte, zeigt sich auch darin, daß weder eine Verzinsung noch eine Besicherung vorgesehen wurde, die Darlehensmittel der Gesellschaft aber gleichwohl uneingeschränkt ohne das Recht zur Kündigung bis 31. Dezember 1995 zu belassen waren. Schon in den dem Anteilserwerb vorausgegangenen Gesprächsprotokollen heißt es dazu, der Beklagte solle eine Beteiligung von 65 % durch die Einbringung von Eigenkapital bis zu 2 Mio. DM erwerben. Der Kläger hat weiterhin darauf hingewiesen, daß bereits im Bestätigungsvermerk vom 31. Oktober 1990 zur DM-Eröffnungsbilanz der späteren Gemeinschuldnerin festgehalten worden war, für den Fortbestand der Gesellschaft sei es Voraussetzung, daß liquide Mittel zur Finanzierung der erforderlichen Investitionen und zur Deckung der während der Umstrukturierungsphase eventuell eintretenden Verluste bereitgestellt würden, und daß ein Erlaß oder eine Stundung fälliger Verpflichtungen aus den vor dem 1. Juli 1990 aufgenommenen Krediten erfolge. Dementsprechend sei noch im Prüfungsbericht der Treuhand vom 5. August 1992 zum Jahresabschluß 1991 das Gesellschafterdarlehen des Beklagten als feste Größe einkalkuliert worden, um die Liquidität der Gesellschaft zu gewährleisten.

d) Bereits am 6. Mai 1991 hatte ein umfassendes Umstrukturierungskonzept der späteren Gemeinschuldnerin vorgelegen, in welches das Gesellschafterdarlehen des Beklagten einfließen sollte. Darin war unter anderem davon die Rede, daß für das Jahr 1991 mit einem Jahresfehlbetrag in Höhe von 500.000,– DM gerechnet werden müsse und daß des weiteren aufgrund nicht aufschiebbarer Investitionen eine Finanzierungslücke von etwa 1 Mio. DM entstehen werde. Nach dem handschriftlichen Vermerk über die unter Anwesenheit des Beklagten geführte Besprechung vom 16. Oktober 1991 waren bereits für das Jahr 1992 Investitionen in Höhe von 500.000,– DM vorgesehen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war in dieser Besprechung von einer Bankbürgschaft oder „Finanzierungszusage EK“ des Beklagten bis zu 2 Mio. DM gesprochen worden. In der nachträglichen Niederschrift des Ergebnisses der Beratung wurde dann festgehalten, es sei „für die Sicherheit der Firma“ bis zu den Vertragsverhandlungen nachzuweisen „eine Bankbürgschaft bis zu 2 Mio. DM durch Herrn D., die – falls erforderlich – sofort zur Aufstockung der Eigenmittel zur Verfügung stehen“.

3. Bei dieser Sachlage ist nach dem in der Revisionsinstanz als richtig zu unterstellenden Vortrag des Klägers davon auszugehen, daß der Beklagte bei dem Erwerb seiner Gesellschafterstellung die Verpflichtung zur Gewährung eines Sanierungsdarlehens übernommen hat, die von vornherein auch das Risiko des Scheiterns der konkret geplanten Umstrukturierung und Sanierung mit einschloß. Dies schließt es umgekehrt aus, daß der Beklagte nunmehr die von ihm fest zugesagten, aber in der Vergangenheit nicht geleisteten Zahlungen unter Berufung auf das Fehlschlagen des Sanierungskonzepts verweigern kann. Die von der Gesellschaft zu beanspruchenden Mittel sind vielmehr dem Konkursverwalter zur Aufstockung der Haftungsmasse zur Verfügung zu stellen.

II. Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit es – nach Erörterung der Sach- und Rechtslage mit den Parteien – die noch erforderlichen Feststellungen treffen kann.

Schlagworte: Sanierungsdarlehen