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BGH, Urteil vom 1. Juni 1981 – II ZR 1/81

§ 4 Abs 2 GmbHG, § 35 Abs 3 GmbHG, § 22 HGB, § 179 BGB, § 35 Abs 2 GmbHG

Die Rechtsscheinhaftung gründet sich darauf, daß gesetzwidrig der Anschein erweckt wird, dem Vertragspartner hafte zumindest eine Person unbeschränkt mit ihrem Privatvermögen (vgl. BGHZ 71, 354, 356). Der Revision ist aber nicht darin zu folgen, daß der Anschein einer solchen Haftung ausschließlich den Gebrauch einer Personenfirma voraussetzt, dagegen die Benutzung einer Sachfirma dafür allein nicht ausreicht. Wenn auch eine Personenfirma stärker noch als eine Sachfirma den Anschein erwecken mag, sie gehöre einem Einzelkaufmann oder einer Gesellschaft mit mindestens einem unbeschränkt haftenden Gesellschafter (vgl. BGHZ 62, 216, 223), so war deren Gebrauch für den Senat nie der entscheidende Gesichtspunkt, die Vertrauenshaftung zu bejahen. Entscheidend ist allein, daß der Handelnde bei einer Zeichnung gemäß § 35 Abs. 3 GmbHG eine Firma benutzt hat, der die zusätzliche Bezeichnung „mit beschränkter Haftung“ fehlte. Etwas anderes könnte vielleicht gelten, wenn Einzelkaufleute und Personengesellschaften keine Sachfirma führen dürften. Das ist aber nur für den Fall der Neubildung der Firma ausgeschlossen (§§ 18, 19 HGB). Übernehmen sie das Handelsgeschäft einer Kapitalgesellschaft, sind sie gemäß § 22 HGB berechtigt, auch deren Sachfirma fortzuführen. Nur müssen sie, um im Rechtsverkehr unzutreffende Vorstellungen über Art, Umfang und Rechtsverhältnisse des Unternehmens auszuschließen, den für Kapitalgesellschaften zwingend vorgeschriebenen Rechtsformzusatz (vgl. § 4 Abs. 2 GmbHG, § 4 Abs. 2 AktG) streichen (vgl. Beschl. d. Sen. v. 28. 3. 77 – II ZB 8/76, WM 1977, 686). Gerade die Streichung soll den Eindruck vermeiden, es handele sich um eine Kapitalgesellschaft. Wird nun dieser Zweck erreicht, kann also der Rechtsverkehr wegen Fehlens eines Rechtsformzusatzes darauf vertrauen, es mit keiner Kapitalgesellschaft zu tun zu haben, kann ihm nicht umgekehrt entgegengehalten werden, er habe nicht vertrauen dürfen. Daß sich die wirklichen Verhältnisse aus dem Handelsregister ergeben, steht der Haftung nicht entgegen. Der Zweck des § 4 Abs. 2 GmbHG, die beschränkte HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
beschränkte Haftung
Haftung
einer Gesellschaft schon aus der Firma, d. h. ohne Einsichtnahme des Handelsregisters erkennbar werden zu lassen, würde vereitelt, hätte § 4 GmbHG nicht gegenüber § 15 Abs. 2 HGB den Vorrang (vgl. BGHZ 62, 216, 223; 71, 354, 357). Zwischen Personen- und Sachfirmen wird dabei nicht unterschieden. Der Umstand allein, daß die Sachfirma zwangsläufig von einer Kapitalgesellschaft abgeleitet worden sein muß, ist für den Vertragspartner kein Anlaß, den Haftungsverhältnissen nachzugehen. Enthält die Sachfirma keine Haftungsbeschränkung, so darf wegen des erhöhten Publizitätserfordernisses des § 4 Abs. 2 GmbHG auch er vertrauen, daß ihm nicht ausschließlich eine beschränkte Vermögensmasse haftet und er wegen dieser Frage das Handelsregister nicht einzusehen braucht.

Unerheblich ist dabei, ob die Klägerin einen Dritten oder die den Rechtsschein veranlassende Beklagte für den unbeschränkt Haftenden gehalten hat. Erweckt der unter einer Firma ohne Zusatz Handelnde den Eindruck, er sei selbst der Inhaber der Firma, muß er sich selbstverständlich so behandeln lassen, als entspräche der Schein der Wirklichkeit. Er haftet aber auch dann, wenn er – erkennbar als Vertreter handelnd – beim Vertragspartner den Eindruck erweckt, der Inhaber der Firma, wer auch immer das sei, hafte jenem unbeschränkt. Wird der Vertragspartner in dieser Erwartung enttäuscht, so ist es im Interesse des lauteren Verkehrs geboten, den Vertreter – ähnlich dem im § 179 BGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken – dafür einstehen zu lassen, daß er die unbeschränkte Haftung des Firmeninhabers vorgetäuscht hat.

Dafür reicht aber nicht schon aus, daß der Vertreter bei mündlichen Geschäftsabschlüssen – insbesondere bei telefonischen Bestellungen – den GmbH- Zusatz fortgelassen hat. Vielfach werden im mündlichen Geschäftsverkehr zur Bezeichnung des Unternehmens nur die besonders einprägsamen Teile einer Firma schlagwortartig benutzt. Aus demselben Grunde besteht umgekehrt die Möglichkeit, daß sich dem Vertragspartner nur der kennzeichnungskräftige Teil der Firma, nicht aber der ordnungsgemäß genannte GmbH-Zusatz eingeprägt hat. Da der Empfänger mündlich abgegebener Willenserklärungen sowohl das eine wie das andere nicht ausschließen kann, ist sein Vertrauen auf unbeschränkte Haftung nicht gerechtfertigt, solange er nichts Schriftliches in Händen hat oder die Haftung auf seine Frage hin ausdrücklich verneint worden ist. § 35 Abs. 2 GmbHG verlangt dementsprechend auch nur die „Zeichnung“ des Geschäftsführers unter der (korrekten) Firma der Gesellschaft.

Schlagworte: mündliche Geschäftsabschlüsse, Rechtsscheinhaftung