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BGH, Urteil vom 10. März 1997 – II ZR 338/95

§ 22 Abs 4 GenG, § 138 ZPO

1. Zur substantiierten Darlegung eines Einlagenrückgewähranspruchs aus GenG § 22 Abs 4.

2. Zum Bestreiten eines Zinsschadens nach Verbindung zweier Verfahren.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 15. März 1995 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht in Ziff. 1 seines Urteils der Klägerin mehr als 49.532,52 DM sowie einen 5 % übersteigenden Zinsanspruch zuerkannt hat.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Klägerin – eine eingetragene Genossenschaft – war Mitglied der beklagten Molkereigenossenschaft. Auf ihren Geschäftsanteil hatte sie 150.000,– DM eingezahlt. Randnummer2

In den Jahren 1990 bis 1992 befand sich die Beklagte in erheblichen Liquiditätsschwierigkeiten, die schließlich dazu führten, daß die Milchlieferungen der Klägerin in den Monaten Juni bis August 1992 von zusammen 290.425,01 DM nicht bezahlt wurden. Darauf kündigte die Klägerin unter dem 31. August 1992 die Milchlieferungsvereinbarung. Randnummer3

In zunächst getrennten Verfahren hat sie ihre Milchgeldforderungen geltend gemacht und über einen Betrag von 199.532,52 DM (Milchlieferungen Juni und Juli 1992 einschließlich kapitalisierter Verzugszinsen) nebst 11 % Zinsen aus 194.697,22 DM einen Vollstreckungsbescheid sowie in Höhe weiterer 90.892,49 DM (Lieferungen August 1992) nebst 11 % Zinsen ein Versäumnisurteil erwirkt. Die Beklagte hat gegen beide Entscheidungen Einspruch eingelegt und unter anderem mit einem Rückforderungsanspruch im Umfang der von der Klägerin auf ihren Geschäftsanteil geleisteten Einzahlungen von 150.000,– DM wegen überhöhter Milchgeldzahlungen an die Klägerin während der Jahre 1990 bis 1992 aufgerechnet. Angesichts ihrer Bilanzverluste von fast 15 Mio. DM in den Jahren 1990 und 1991 sei durch nicht erwirtschaftete Leistungen der Beklagten an die Milchlieferanten, die um vier bis sechs Pfennig je Kilogramm über dem Durchschnitt in den neuen Bundesländern gelegen hätten, praktisch ihr gesamtes Eigenkapital ausgezahlt worden. Randnummer4

Das Landgericht hat den Vollstreckungsbescheid ebenso wie das Versäumnisurteil aufrechterhalten, bei dem Versäumnisurteil jedoch den Zinssatz auf 5 % herabgesetzt. Auf die Berufungen der Beklagten hat das Oberlandesgericht beide Verfahren verbunden. Den Vollstreckungsbescheid hat es lediglich in Höhe von 91.161,52 DM nebst 11 % Zinsen seit dem 2. Februar 1995 sowie weiterer 11 % Zinsen aus 194.697,22 DM vom 19. August 1992 bis zum 1. Februar 1995 aufrechterhalten (Ziff. 1 des Urteils); im Umfang des Versäumnisurteils (Ziff. 2 des Berufungsurteils) hat es die Berufung zurückgewiesen. Die von der Beklagten hiergegen eingelegte Revision hat der Senat nur insoweit angenommen, als das Berufungsgericht in Ziff. 1 seines Urteils der Klägerin mehr als 49.532,52 DM sowie einen 5 % übersteigenden Zinsanspruch zuerkannt hat.

Entscheidungsgründe

Im Umfang der Annahme führt die Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Randnummer6

I. Nach der Teilannahme der Revision geht es in erster Linie noch um den Rest des von der Beklagten zur Aufrechnung gestellten Einlagenrückgewähranspruchs aus § 22 Abs. 4 GenG. Das Berufungsgericht hat einen solchen Anspruch nur für das Jahr 1991 in Höhe von 108.371,– DM bejaht. Insoweit könne sich die Beklagte auf den vorgelegten Prüfungsbericht des Genossenschaftsverbandes H./ R./T. e.V. vom 15. Januar 1993 stützen, der für 1991 eine Überzahlung von mindestens vier Pfennig je Kilogramm gelieferter Milch festgestellt habe. Hinsichtlich der Jahre 1990 und 1992 habe die Beklagte jedoch nicht substantiiert vorgetragen, daß das Milchgeld in dieser Höhe über dem wirtschaftlichen Wert der gelieferten Milch gelegen habe. Randnummer7

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision schon deshalb nicht stand, weil der Prüfungsbericht des Genossenschaftsverbandes, auf den sich die Beklagte zur Begründung ihrer Gegenforderung bezogen hat und den auch das Berufungsgericht dazu für ausreichend hält, nicht nur das Jahr 1991 betrifft, sondern auch das zweite Halbjahr 1990, und der Bericht für diesen Zeitraum ebenfalls deutlich über dem erwirtschafteten Ergebnis liegende Auszahlungen feststellt. Auf die Zeit zwischen August und Dezember 1990 entfallen nach der – revisionsrechtlich als richtig zu unterstellenden – Behauptung der Beklagten weitere 45.000,– DM. Allein diese Summe würde den vom Berufungsgericht aberkannten Differenzbetrag der Gegenforderung von 41.629,– DM rechtfertigen. Mit Recht rügt zudem die Revision, daß das Berufungsgericht auch für 1992 die Anforderungen an eine Substantiierung des Beklagtenvorbringens überspannt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs genügt dafür die Behauptung von Tatsachen, die in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht als entstanden erscheinen zu lassen. Die Angabe näherer Einzelheiten ist nur dann erforderlich, wenn diese, insbesondere im Hinblick auf das Vorbringen des Gegners, für die Rechtsfolgen von Bedeutung sind (BGHZ 127, 354, 358; BGH, Urt. v. 14. Juni 1996 – V ZR 150/95, NJW-RR 1996, 1402). Im vorliegenden Fall kam es für den Tatbestand des § 22 Abs. 4 GenG auf derartige nähere Einzelheiten nicht an. Ebensowenig hatte die Klägerin das Vorbringen der Beklagten substantiiert bestritten. Randnummer8

III. Das Berufungsurteil erweist sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Nach dem gegenwärtigen Verfahrensstand kann ein (weiterer) Einlagenrückgewähranspruch der Beklagten aus § 22 Abs. 4 GenG nicht verneint werden. Die Vorschrift verbietet die Auszahlung des Geschäftsguthabens; soweit die Genossenschaft Leistungen unter Verstoß gegen dieses Verbot erbracht hat, steht ihr ein Rückforderungsanspruch zu (Müller, GenG, 2. Aufl., § 22 Rdn. 40). Als Auszahlung kommt jede vermögenswerte Leistung an das Genossenschaftsmitglied in Betracht, durch die eine Verminderung seines in der Bilanz ausgewiesenen Geschäftsguthabens eintritt. Das können nicht nur offen ausgewiesene Rückzahlungen sein, sondern auch verdeckte Erstattungen, etwa durch wesentlich überhöhte Vergütungen für im Rahmen der Mitgliedschaft erbrachte Leistungen, sofern infolge der Überzahlung das zur Erhaltung des Geschäftsguthabens erforderliche Vermögen der Genossenschaft angegriffen wird (Müller aaO, Rdn. 33, 35; Lang/Weidmüller/Schaffland, GenG, 32. Aufl., § 22 Rdn. 9; Meyer/Meulenbergh/Beuthien, GenG, 12. Aufl., § 22 Rdn. 9). Das hat die Beklagte behauptet; für die Revisionsinstanz ist hiervon mangels abweichender Feststellungen des Berufungsgerichts auszugehen. Randnummer9

IV. Mit Recht rügt ferner die Revision, daß das Berufungsgericht der Klägerin aus Teilen der Klageforderung einen den gesetzlichen Zinssatz von 5 % übersteigenden Zinsanspruch zuerkannt hat. Die Beklagte hatte in dem Verfahren 6 HKO 3012/93 LG Mühlhausen (= 4 U 743/94) den behaupteten weitergehenden Zinsschaden der Klägerin – Aufnahme von Bankkredit – ausdrücklich bestritten; aus diesem Grunde hatte das Landgericht den Zinssatz hier auch entsprechend reduziert. Nach Verbindung beider Prozesse in der Berufungsinstanz ergab sich daraus ohne weiteres die Absicht der Beklagten, den von der Klägerin geltend gemachten Verzugsschaden jetzt insgesamt Bestreiten zu wollen (§ 138 Abs. 3 ZPO). Infolgedessen durfte das Berufungsgericht dieses Vorbringen der Klägerin nicht als unstreitig seiner Entscheidung zugrunde legen. Randnummer10

V. Danach ist wegen der noch streitigen Ansprüche das Berufungsurteil aufzuheben und der Rechtsstreit insoweit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, da das Berufungsgericht zu den streitigen Punkten keine Feststellungen getroffen hat.

Schlagworte: Einlagenrückgewähranspruch