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BGH, Urteil vom 10. Mai 2012 – IX ZR 125/10

BGB §§ 705 ff.; HGB §§ 128, 129, 160; PartGG § 8; BRAO §§ 51a, 59a

a) Eine Anwaltssozietät ist eine Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Gesellschaft bürgerlichen Rechts
, sofern nicht ausdrücklich eine andere Rechtsform gewählt worden ist (BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 – IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169 Rn. 11). Die seit der Grundsatzentscheidung des Bundesgerichtshofs vom 29. Januar 2001 (II ZR 331/00, BGHZ 146, 341) anerkannte eigenständige Rechtspersönlichkeit der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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hat zur Folge, dass eine Sozietät selbst Partnerin eines Beratungsvertrages sein kann (BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 – IX ZR 225/04, WM 2006, 830 Rn. 9; vom 5. Februar 2009 – IX ZR 18/07, WM 2009, 669; vgl. auch § 51a Abs. 2 Satz 1 BRAO). Dabei kann sich auch eine sogenannte gemischte Sozietät, der neben Rechtsanwälten auch Mitglieder anderer Berufsgruppen angehören, zur Erbringung anwaltlicher Beratungsleistungen verpflichten (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 – IX ZR 44/10, WM 2011, 1770 Rn. 7 ff).

b) Im Falle eines mit einer Sozietät geschlossenen Beratungsvertrags haften die Sozien für den gegen die Gesellschaft gerichteten Anspruch wegen Schlechterfüllung in entsprechender Anwendung des § 128 Satz 1, § 129 HGB persönlich (BGH, Urteil vom 29. Januar 2001 – II ZR 331/00, BGHZ 146, 341, 358; vom 7. April 2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370, 372 ff, 376 f; vom 22. Januar 2004 – IX ZR 65/01, BGHZ 157, 361, 364). Die persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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erstreckt sich dabei auch auf die berufshaftungsrechtlichen Verbindlichkeiten (BGH, Urteil vom 3. Mai 2007 – IX ZR 218/05, BGHZ 172, 169 Rn. 29).

c) Ob diese Haftung im Falle einer Sozietät, der Mitglieder unterschiedlicher Berufsgruppen angehören (gemischte Sozietät, vgl. § 59a Abs. 1 Satz 1 BRAO) auch diejenigen Sozien trifft, die in eigener Person die vertraglich geschuldete Beratung nicht vornehmen dürfen, hat der Senat bislang offen gelassen (BGH, Urteil vom 9. Dezember 2010 – IX ZR 44/10, WM 2011, 1770 Rn. 10). Die Frage ist nunmehr zu bejahen.

d) Entgegen einer im Schrifttum vertretenen Auffassung (Rinkler in Zugehör/G. Fischer/Vill/D. Fischer/Rinkler/Chab, Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 397) kann der nach früherer Rechtsprechung bestandene Ausschluss der Haftung berufsfremder Sozien nicht dadurch aufrecht erhalten werden, dass dem Anwaltsvertrag die konkludente Vereinbarung entnommen wird, die Haftung berufsfremder Sozien werde ausgeschlossen. Auch wenn die Beschränkung der Haftung auf diejenigen Mitglieder einer Sozietät, die das Mandat selbst bearbeiten, unter gesetzlich näher bezeichneten Voraussetzungen selbst durch vorformulierte Vertragsbedingungen zulässig ist (§ 51a Abs. 2 Satz 2 und 3 BRAO, § 67a Abs. 2 StBerG, § 54b Abs. 2 WPO), kann ohne konkrete Anhaltspunkte den Erklärungen der Parteien ein solcher Wille zur Haftungsbeschränkung nicht entnommen werden.

e) Ist nach dem Parteiwillen gerade ein Sozietätsmandat einer aus Rechtsanwälten und Steuerberatern bestehenden Sozietät gewollt, so gibt es regelmäßig keinen Grund für die Annahme, die persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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solle sich auf einzelne Sozietätsmitglieder beschränken.

f) Die Regelung des § 8 Abs. 2 PartGG kann auf Sozietäten in der Rechtsform von Gesellschaften bürgerlichen Rechts nicht übertragen werden (a. A. Zugehör/Rinkler, aaO Rn. 398; Hirtz in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 8 PartGG Rn. 1; offen gelassen bei BGH, Urteil vom 7. April 2003 – II ZR 56/02, BGHZ 154, 370, 377). Ein solcher Analogieschluss ist wegen des Fehlens einer Regelungslücke unzulässig, weil die Haftungskonzentration im Falle der Partnerschaftsgesellschaft gesetzlich gerade nur für diese Rechtsform geschaffen worden ist (vgl. Lux, NJW 2003, 2806, 2807; Römermann, BB 2003, 1084, 1086; ders., NJW 2009, 1560, 1561; K. Schmidt, NJW 2005, 2801, 2805) und zudem im Gegenzug für dieses Haftungsprivileg die Publizität der Gesellschaftsverhältnisse gemäß § 4 Abs. 1, § 7 Abs. 1 PartGG verlangt wird (Hasenkamp, DB 2003, 1166, 1167).

g) Die Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Hemmung
Hemmung der Verjährung
Verjährung
gegenüber der Gesellschaft erfasst nach § 129 HGB grundsätzlich auch die akzessorische Haftung der Gesellschafter (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1978 – II ZR 235/77, BGHZ 73, 217, 223 f; vom 22. September 1980 – II ZR 204/79, BGHZ 78, 114, 119 f; vom 22. März 1988 – X ZR 64/87, BGHZ 104, 76, 81 f; vom 9. Juli 1998 – IX ZR 272/96, BGHZ 139, 214, 217 f [jeweils zur Verjährungsunterbrechung]; vgl. auch BGH, Urteil vom 3. April 2006 – II ZR 40/05, ZIP 2006, 994 Rn. 15; vom 12. Januar 2010 – XI ZR 37/09, WM 2010, 308 Rn. 41 f; vom 29. November 2011 – X ZR 23/11, ZIP 2012, 698 Rn. 12).

h) Die im Verhältnis zur Gesellschaft eingetretene Hemmung der VerjährungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Hemmung der Verjährung
Verjährung
erstreckt sich jedoch nur auf diejenigen Gesellschafter, die der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Hemmung angehören (BGH, Urteil vom 11. Dezember 1978, aaO S. 224 f; MünchKomm-HGB/K. Schmidt, 3. Aufl., § 129 Rn. 8; Hillmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl., § 129 Rn. 4; Emmerich, HGB, 2. Aufl., § 129 Rn. 10; Oetker/Bosch, HGB, 2. Aufl., § 129 Rn. 4) und erfasst damit nicht die – gemäß § 736 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 160 HGB begrenzte – Nachhaftung ausgeschiedener Sozien (vgl. dazu Zugehör/Rinkler, aaO Rn. 408 ff).

Schlagworte: Ausscheiden, BGB-Gesellschaft, GbR, Gesellschafter, PartGG, Partnerschaftsgesellschaft, Rechtsfähigkeit, Verjährung