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BGH, Urteil vom 11. Dezember 2001- VI ZR 123/00

§ 823 Abs 2 BGB, § 266a StGB

Der Geschäftsführer einer GmbH wird erst mit seiner Bestellung für die Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen verantwortlich. Das pflichtwidrige Verhalten früherer GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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kann ihm grundsätzlich nicht zugerechnet werden.

Zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings die Erfüllung des Tatbestandes des § 266 a Abs. 1 StGB durch den Beklagten nicht schon deshalb verneint, weil im August und September 1995 keine Löhne mehr ausbezahlt worden sind. Der dem Berufungsurteil zugrundeliegenden – zunächst umstrittenen – Auffassung hat sich der erkennende Senat in der Entscheidung vom 16. Mai 2000 (BGHZ 144, 311 ff., 316 f.) angeschlossen. Danach werden Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung auch für solche Zeiträume vorenthalten, in denen kein Lohn ausbezahlt wurde, solange noch finanzielle Mittel zur Verfügung standen, die für die Beitragszahlung ausgereicht hätten. Ist letzteres nicht mehr der Fall (und dies dem Arbeitgeber nicht anzulasten), sind allerdings die Voraussetzungen für die Strafbarkeit nicht gegeben (vgl. BGHZ aaO, 321).

Das Berufungsgericht hat den Vortrag des Beklagten, die H. GmbH sei im September 1995 bereits zahlungsunfähig und überschuldet gewesen, für nicht durchgreifend erachtet, weil es rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen der vorverlegten strafrechtlichen Verantwortlichkeit bei dem Beklagten für gegeben erachtet hat. Im Ansatz richtig ist es zwar davon ausgegangen, daß der Arbeitgeber auch dann haftet, wenn ihm die Entrichtung der Beiträge wegen Zahlungsunfähigkeit im Fälligkeitszeitpunkt unmöglich ist, ihm aber die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit als (bedingt vorsätzliches) pflichtwidriges Verhalten zur Last gelegt werden muß (vgl. Senatsurteil, BGHZ 134, 304, 308 m.w.N. und Senatsurteil vom 14. November 2000 – VI ZR 149/99 – VersR 2001, 343, 344).

Zu Unrecht hat das Berufungsgericht aber dem Beklagten ein pflichtwidriges Verhalten früherer GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zugerechnet. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil ist schon ein bedingt vorsätzlicher Pflichtverstoß der Vorgänger des Beklagten in der Geschäftsführung der H. GmbH nicht gegeben. Denn auch wenn im Juni 1995 die Arbeitnehmerbeiträge bei Fälligkeit nicht abgeführt wurden, folgt daraus nicht zwingend ein pflichtwidriges Verhalten der früheren Geschäftsführer der H. GmbH.

Vor allem jedoch übernimmt der Geschäftsführer die rechtliche Verpflichtung zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen erst mit seiner Bestellung. Zum einen können nämlich für den Beginn der Verantwortlichkeit des Geschäftsführers keine anderen Grundsätze gelten, als sie der Senat im Urteil vom 15. Oktober 1996 (BGHZ 133, 370, 376) für deren Beendigung aufgestellt hat. Hierauf wird im einzelnen Bezug genommen. Zum anderen würde die Zurechnung eines Verhaltens der Vorgänger und die hieraus resultierende Vorverlegung der Verantwortlichkeit des Beklagten auf die Zeit vor seiner Geschäftsführerbestellung die Strafbarkeit in einer Weise ausdehnen, die mit dem Wortlaut des § 266 a StGB nicht in Einklang zu bringen ist. Dies stünde in Widerspruch zu dem im Strafrecht geltenden verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG), das gewährleisten soll, daß jedermann vorhersehen kann, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist (BVerfGE 25, 269, 285; 26, 41, 42; 28, 175, 183; 37, 201).

Im übrigen kommt es für die haftungsrechtliche Verantwortlichkeit des Beklagten entscheidend darauf an, ob die H. GmbH im Augenblick der Fälligkeit der Sozialbeiträge noch zahlungsfähig war, weil die Unmöglichkeit normgemäßen Verhaltens die Tatbestandsmäßigkeit bei dem hier vorliegenden Unterlassungsdelikt entfallen läßt (vgl. Senatsurteile BGHZ 133, 370, 379 f.; vom 18. November 1997 – VI ZR 11/97 – VersR 1998, 468, 469 und vom 11. Dezember 2001 – VI ZR 350/00 – noch nicht veröffentlicht). Deshalb konnte die Zahlungsfähigkeit der H. GmbH zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge am 15. September und 15. Oktober 1995 nicht unaufgeklärt bleiben.

Für den Vorsatz, wie ihn § 266 a Abs. 1 StGB voraussetzt, sind das Bewußtsein und der Wille erforderlich und ausreichend, die Beiträge bei Fälligkeit (trotz Zahlungsfähigkeit) nicht abzuführen (vgl. Senatsurteil vom 1. Oktober 1991 – VI ZR 374/90 – VersR 1991, 1378, 1379). Die Revision macht mit Recht geltend, daß die Zahlung von 40.000 DM am 18. September 1995 nicht die Annahme rechtfertigt, der Beklagte habe am 15. Oktober 1995 die Abführung der fälligen Arbeitnehmerbeiträge bewußt und gewollt unterlassen.

Schlagworte: früherer Geschäftsführer, Geschäftsführer, Haftung wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gem. § 266a StGB