Einträge nach Montat filtern

BGH, Urteil vom 11. Dezember 2001 -VI ZR 350/00

§ 823 Abs 2 BGB, § 266a StGB

Die Revision beanstandet jedoch mit Erfolg, daß das Berufungsgericht das Vorbringen des Beklagten zur Zahlungsunfähigkeit der M-GmbH für nicht ausreichend gehalten hat.

Im Ausgangspunkt geht das Berufungsgericht freilich zu Recht davon aus, daß der Beklagte den Tatbestand des § 266 a Abs. 1 StGB nur dann verwirklicht haben kann, wenn der GmbH die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge im Fälligkeitszeitpunkt möglich war. Die Unmöglichkeit normgemäßen Verhaltens läßt nämlich die Tatbestandsmäßigkeit bei Unterlassungsdelikten wie dem vorliegenden entfallen. Unmöglichkeit in diesem Sinne kann auch dann gegeben sein, wenn dem Arbeitgeber im maßgeblichen Zeitpunkt die Zahlungsfähigkeit fehlt (vgl. Senatsurteile BGHZ 133, 370, 379 f.; Senatsurteil vom 18. November 1997 – VI ZR 11/97 – VersR 1998, 468, 469).

Ferner trifft die Auffassung des Berufungsgerichts zu, daß die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast für die hiernach erforderliche Zahlungsfähigkeit der M-GmbH bei Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge trägt. Dies folgt aus dem allgemeinen Grundsatz, daß der Anspruchsteller alle Tatsachen behaupten und beweisen muß, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Stützt er sich – wie die Klägerin im Streitfall – auf eine deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, so hat er grundsätzlich alle Umstände darzulegen und zu beweisen, aus denen sich die Verwirklichung der einzelnen Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt (vgl. Senatsurteil vom 24. November 1998 – VI ZR 388/97 – VersR 1999, 774, 775 m.w.N.). Eine Beweislastumkehr, auf die die Revisionserwiderung der Sache nach abzielt, kommt hier nicht in Betracht. Zwar steht der Beklagte als ehemaliger Geschäftsführer der M-GmbH dem Beweis einer Zahlungsunfähigkeit näher. Denn die insoweit maßgeblichen Vorgänge haben sich in seinem Wahrnehmungsbereich abgespielt; die Klägerin hat von ihnen keine Kenntnis. Dieser Umstand rechtfertigt es jedoch nicht, dem Beklagten das Risiko der Sachverhaltsaufklärung aufzuerlegen (vgl. OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, ZIP 2000, 198, 199; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, ZIP 1995, 213, 216; Diller/Powietzka, EWiR § 266a StGB 1/2000, 455, 456; Wussow, WJ 1999, 121; Holzkämper, BB 1996, 2142, 2143 a.A.; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, NJW-RR 1996, 289, 290; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, NJW-RR 1997, 1124; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, VersR 1999, 372 f.; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, OLGR 1998, 71, 73; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, NJW-RR 2000, 410, 411; OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Düsseldorf
, GmbHR 2000, 1261; OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Naumburg
, Urteil vom 17. Dezember 1998 – 7 U 76/98; OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Naumburg
, Urteil vom 8. Juni 1999 – 1 U 39/99; Pape/Voigt, WiB 1996, 829, 833). Es ist dem Sozialversicherungsträger weder unzumutbar noch von vornherein unmöglich, den Beweis der Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers zu erbringen. Hierfür genügt bereits der Nachweis irgendeiner Zahlung in nicht nur unwesentlicher Höhe an einen Dritten. Denn eine den Tatbestand des § 266 a Abs. 1 StGB ausschließende Unmöglichkeit der Pflichterfüllung ist nicht schon dann gegeben, wenn der Arbeitgeber überschuldet und nicht mehr in der Lage ist, seinen Verbindlichkeiten Gläubigern gegenüber generell nachzukommen, sondern erst dann, wenn ihm die Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen, um ganz konkret die fälligen Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung (und nur diese) abzuführen (vgl. Senatsurteil vom 15. Oktober 1996 – VI ZR 327/95 – VersR 1996, 1541, 1542). Abgesehen davon wird in den Fällen, in denen die Zahlungsfähigkeit des Arbeitgebers zwischen den Parteien ernsthaft in Streit steht, in aller Regel von einem der Betroffenen ein Insolvenzantrag gestellt; der Sozialversicherungsträger kann sich dann auf den (vorläufigen) Insolvenzverwalter als Zeugen berufen (vgl. OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, ZIP 2000, 198, 199; OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Frankfurt
, ZIP 1995, 213, 216; Diller/Powietzka, EWiR § 266a StGB 1/2000, 455, 456). Im übrigen liefe eine Beweislastumkehr der Einheit der Rechtsordnung zuwider. Während nämlich dem Arbeitgeber nach strafprozessualen Grundsätzen nachgewiesen werden müßte, daß ihm die Abführung der Sozialversicherungsbeiträge möglich war, hätte er im Zivilprozeß das Nichtvorliegen dieser tatbestandlichen Voraussetzung zu beweisen.

Entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung folgt eine Umkehr der Beweislast auch nicht aus dem Grundsatz (vgl. § 279 BGB), daß der Schuldner für seine finanzielle Leistungsfähigkeit einzustehen hat. Zum einen ist der Beklagte im Verhältnis zur Klägerin nicht Schuldner in diesem Sinne. Denn nicht er persönlich, sondern allein die M-GmbH ist gegenüber der Klägerin gemäß § 28 e Abs. 1 SGB IV zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge verpflichtet. Zum anderen enthält jener Grundsatz keine Beweisregel; er bedeutet lediglich, daß der Schuldner nicht aus diesem Grund gemäß § 275 Abs. 1 BGB von der Verpflichtung zur Leistung frei wird (vgl. BGHZ 107, 92, 102).

Im Ausgangspunkt zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, daß der Beklagte gehalten war, das Vorbringen der Klägerin zur Zahlungsfähigkeit der M-GmbH substantiiert zu bestreiten. Ihm obliegt insoweit eine sekundäre Darlegungslast. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, daß es Sache der Gegenpartei sein kann, sich im Rahmen der ihr nach § 138 Abs. 2 ZPO obliegenden Erklärungspflicht zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei konkret zu äußern (vgl. Senatsurteil vom 24. November 1998 – VI ZR 388/97 – aaO m.w.N.; BGHZ 140, 156, 158 f. – jeweils m.w.N.). Dies gilt insbesondere dann, wenn die beweispflichtige Partei außerhalb des von ihr vorzutragenden Geschehensablaufs steht und keine nähere Kenntnis der maßgebenden Tatsachen besitzt, der Prozeßgegner aber die wesentlichen Umstände kennt und es ihm zumutbar ist, dazu nähere Angaben zu machen (vgl. Senatsurteil vom 24. November 1998 – VI ZR 388/97 – aaO; BGHZ 140, 156, 158 f. – jeweils m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Die für die Zahlungsfähigkeit der M-GmbH im Zeitpunkt der Fälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge maßgeblichen Vorgänge haben sich, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, ausschließlich im Wahrnehmungsbereich des Beklagten abgespielt. Die Klägerin hatte von ihnen keine Kenntnis.

Schlagworte: Darlegungs- und Beweislast, Haftung wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gem. § 266a StGB, Verletzung von Schutzgesetzen nach § 823 Abs. 2 BGB