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BGH, Urteil vom 11. Juni 2003 – VIII ZR 160/02

§ 2 StromEsG vom 24.04.1998, § 4 StromEsG vom 24.04.1998, § 3 Abs 1 EEG, § 11 EEG, § 12 EEG, Art 3 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 S 2 GG, Art 20a GG, Art 105 GG, Art 105ff GG, Art 30 EGVtr, Art 92 Abs 1 EGVtr, Art 130r Abs 2 UAbs 1 S 3 EGVtr, Art 28 EG, Art 87 Abs 1 EG, Art 174 Abs 2 UAbs 1 EG, EGRL 92/96 Art 8 Abs 3, EGRL 92/96 Art 11 Abs 3

a) Die Vorschriften des § 2 des Stromeinspeisungsgesetzes in der Fassung vom 24. April 1998 (StrEG 1998) und – ab dem 1. April 2000 – des § 3 Abs. 1 des Gesetzes über den Vorrang Erneuerbarer Energien (EEG), wonach Elektrizitätsversorgungsunternehmen zur Abnahme und Vergütung des aus erneuerbaren Energien gewonnenen Stroms verpflichtet sind, sind nicht verfassungswidrig.

b) Der Betreiber einer Anlage zur Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energien kann das nach § 2 StrEG 1998 beziehungsweise nach § 3 Abs. 1 EEG verpflichtete Elektrizitätsversorgungsunternehmen unmittelbar auf Abnahme und Vergütung des Stroms sowie unter der Geltung des § 3 Abs. 1 EEG auch auf Anschluß der Anlage an das Netz in Anspruch nehmen.

c) Die nach dem Wortlaut des § 2 StrEG 1998 und des § 3 Abs. 1 EEG auf Abnahme und Vergütung sowie im Fall des § 3 Abs. 1 EEG auch auf Anschluß gerichtete Verpflichtung der Beklagten konnte die Klägerin mit einer unmittelbar auf Vornahme dieser Handlungen gerichteten Klage geltend machen.

Allerdings ist umstritten, ob dem Anlagenbetreiber aus den vorgenannten Vorschriften gegen den Netzbetreiber ein unmittelbarer Leistungsanspruch auf Anschluß, Abnahme und Vergütung zusteht. Teilweise wird die Ansicht vertreten, der Anlagenbetreiber könne von dem Netzbetreiber lediglich den Abschluß eines Stromeinspeisungsvertrages verlangen und erst auf dessen Grundlage Abnahme und Vergütung des Stroms beanspruchen (neben dem Berufungsgericht OLG KoblenzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Koblenz
NJW 2000, 2031 = RdE 2000, 74; Busche, Privatautonomie und Kontrahierungszwang, S. 511 ff.; Pingel in Pingel/Pohlmann/Wehlmann, StrEG 1998, S. 51 f.; Pohlmann, Rechtsprobleme der Stromeinspeisung, 1996, S. 39). Nach der Gegenmeinung begründen § 2 StrEG 1998 und § 3 EEG ein gesetzliches Schuldverhältnis, aufgrund dessen dem Anlagenbetreiber ein direkter Anspruch auf Abnahme und Vergütung zusteht (Brandt/Reshöft/Steiner, EEG, § 3 Rdnr. 33 f.; Gent ZNER 2001, 237; Salje, StrEG, § 2 Rdnr. 20 ff.; ders., EEG, 2. Aufl., § 3 Rdnr. 29 ff.). Der Senat hat in seinem Urteil vom 29. September 1993 (VIII ZR 107/93, WM 1994, 76 = NJW-RR 1994, 175 = RdE 1994, 70 unter II. 1. a) bb)) zu dem insoweit inhaltsgleichen § 2 StrEG 1990 die Auffassung vertreten, daraus ergebe sich eine Verpflichtung der Elektrizitätsversorgungsunternehmen, mit den begünstigten Stromerzeugern einen Stromabnahmevertrag abzuschließen. Zu der Frage, ob nach § 2 StrEG 1990 auch ein unmittelbarer Anspruch auf Abnahme und Vergütung besteht, hat er dagegen keine Stellung genommen. Das war auch nicht erforderlich, da in dem betreffenden Rechtsstreit ein solcher Anspruch nicht geltend gemacht war. Rechtsnatur und Inhalt der sich aus § 2 StrEG 1998 oder § 3 Abs. 1 EEG ergebenden Ansprüche bedürfen hier indessen keiner abschließenden Klärung. Selbst wenn sich aus diesen Vorschriften nur ein Anspruch auf Abschluß eines Stromeinspeisungsvertrages ergeben sollte, kann der begünstigte Stromerzeuger den belasteten Netzbetreiber im Streitfall jedenfalls unmittelbar auf Anschluß, Abnahme und Vergütung verklagen (im Ergebnis ähnlich F. Bydlinski AcP 180 (1980) 2, 23 allgemein zum Kontrahierungszwang; Hermes ZHR 166 (2002), 431, 451 ff. zu § 6 EnWG). Dafür spricht ein praktisches Bedürfnis, dem durchgreifende dogmatische Bedenken nicht entgegen stehen. Stünde dem durch einen Kontrahierungszwang Begünstigten ausschließlich das Recht zu, den Verpflichteten zum Abschluß eines entsprechenden Vertrages anzuhalten, so müßte er im Streitfall zunächst auf Zustimmung zum Vertragsschluß klagen und könnte erst dann, wenn die dahingehende Verurteilung in Rechtskraft erwachsen ist (§ 894 ZPO), den Verpflichteten aufgrund des Vertrages auf die Leistung selbst in Anspruch nehmen. Hierin liegt eine Erschwerung bei der Rechtsdurchsetzung, die auch dann nicht vollständig beseitigt wird, wenn der Berechtigte die Klage auf den Vertragsabschluß mit der Klage auf Leistung aus dem künftigen Vertrag nach §§ 259, 260 ZPO verbinden kann (so Busche, aaO, S. 264 ff.; Staudinger/Bork, BGB, 13. Bearb. 1996, Vorbem. zu §§ 145 ff. Rdnr. 33 m.w.Nachw.; Pohlmann, aaO, S. 40; vgl. auch zum Anspruch aus einem Vorvertrag: BGH, Urteil vom 21. Dezember 2000 – V ZR 254/99, NJW 2001, 1285 unter III. 1. und BGHZ 98, 130, 134 f.). Denn in diesem Fall kann die Verurteilung zur Leistung nicht für vorläufig vollstreckbar erklärt werden, da der Vertrag wegen der Vorschrift des § 894 ZPO erst mit der Rechtskraft des Urteils durch Ersetzung der Willenserklärung des Beklagten zur Entstehung gelangen würde (Pingel in Pingel/Pohlmann/Wehlmann, aaO S. 49). Demgegenüber begegnet eine unmittelbare Klage auf Leistung oder Feststellung dessen, was aufgrund eines erst abzuschließenden Vertrages geschuldet wird, jedenfalls dann keinen Bedenken, wenn die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Hauptleistungspflichten – wie hier durch §§ 2 und 3 StrEG 1998 und §§ 3 und 4 ff. EEG – feststehen oder in der Verurteilung konkretisiert werden. Dann ergibt sich nämlich daraus, daß die Verpflichtung zum Vertragsschluß vom Gericht nur als Vorfrage ohne Rechtskraftwirkung zugrunde gelegt wird, keine Unsicherheit für die Parteien. Dasselbe gilt, wenn man in der Leistungsverurteilung eine verdeckte richterliche Gestaltung des Vertragsschlusses sehen würde (vgl. Larenz, Schuldrecht I, 13. Aufl., S. 49). Dementsprechend hat der Senat in einer Entscheidung zum Kontrahierungszwang nach § 6 Abs. 1 EnWG a.F. (jetzt § 10 Abs. 1 EnWG) die Klage eines Grundstückseigentümers gegen das Versorgungsunternehmen, „sein Haus… mit elektrischer Energie… zu versorgen“, ohne weiteres als möglich erachtet (Urteil vom 5. Dezember 1990 – VIII ZR 64/90, WM 1991, 408 = NJW-RR 1991, 408; ebenso Hempel in Ludwig/Odenthal/Hempel/Franke, Recht der Elektrizitäts-, Gas- und Wasserversorgung, § 10 EnWG Rdnr. 214). Der Senat hat darin einen Leistungsantrag auf Versorgung mit elektrischer Energie „auf der Grundlage entsprechender… abzuschließender Versorgungsverträge“ gesehen, deren Konditionen sich nach den allgemeinen Tarifen oder gegebenenfalls nach den allgemein üblichen Sonderabkommen bestimmen (Senatsurteil aaO unter II. 1.). Klagen auf Erfüllung der aus einem noch abzuschließenden Vertrag geschuldeten Leistungen sind vom Bundesgerichtshof auch für den kartellrechtlichen Kontrahierungszwang aus § 20 Abs. 1, § 33 GWB (= § 26 Abs. 2, § 35 GWB a.F.) als möglich angesehen worden, wenn Art und Umfang der Leistung feststehen und die Gegenleistung anhand der anderen Wettbewerbern gewährten üblichen Konditionen bestimmt werden kann. So kann etwa der von einer unrechtmäßigen Lieferverweigerung Betroffene ein marktbeherrschendes Unternehmen unmittelbar auf Lieferung der bestellten Ware verklagen (vgl. BGH KZR 7/66; BGHZ 49, 90, 92 und 98 f.).

Schlagworte: Kartellrechtliche Leistungsverfügungen