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BGH, Urteil vom 11. Oktober 1976 – II ZR 119/75

§ 47 GmbHG

Das Berufungsgericht hat es zutreffend dahin gekennzeichnet, daß die Treuhandabtretung von Geschäftsanteilen den Treuhänder nach außen zum Gesellschafter macht, dieser aber im Innenverhältnis gebunden ist und die ihm formal zustehenden Gesellschafterrechte nur im Interesse und nach den Weisungen des Treugebers ausüben darf. Hiernach gehört es zwar nicht zum notwendigen oder regelmäßigen Erscheinungsbild eines Treuhandverhältnisses, daß der Treugeber einzelne Gesellschafterrechte persönlich wahrnimmt. Ein solcher Sachverhalt steht aber andererseits auch nicht der Annahme einer Treuhandschaft entgegen. Denn es gibt keinen typischen Treuhandvertrag, der sich nach bestimmten Regeln richtet; maßgebend sind vielmehr die im Einzelfall jeweils aus den Umständen oder ausdrücklicher Vereinbarung zu entnehmenden Rechtsbeziehungen. Diese können durchaus so ausgestaltet sein, daß sich der Treugeber nicht mit einem schuldrechtlichen Weisungsrecht und der Möglichkeit, durch Kündigung des Treuhandverhältnisses das Treugut wieder an sich zu ziehen, zufrieden gibt, sondern zusätzlich bestimmte Befugnisse sich persönlich vorbehält oder tatsächlich wahrnimmt (vgl. BGH, Urt. v. 5. 5. 69 – VII ZR 79/67, WM 1969, 935, insbesondere zu 1 a bb bis dd). Nur muß hierbei das entscheidende Merkmal einer Treuhandschaft, die formale Rechtsübertragung auf den Treuhänder, gewahrt bleiben. Das ist hier unstreitig der Fall gewesen. Denn durch die Abtretung des Geschäftsanteils hat die Beklagte nach außen hin die Rechtsstellung einer Gesellschafterin mit allen Rechten – soweit nicht deren Ausübung dem Erblasser ausdrücklich vorbehalten blieb – und mit allen Pflichten erlangt (BGHZ 31, 258, 264; Urt. d. Sen. v. 14. 12. 70 – II ZR 161/69, WM 1971, 306 m. w. N.). Das schließt die vom Berufungsgericht angedeutete Möglichkeit aus, den Erblasser selbst als Treuhänder anzusehen.

Nach der Rechtsprechung des Senats ist die Erteilung einer Stimmrechtsvollmacht der – grundsätzlich unwirksamen – Abtretung des Stimmrechts dann gleichzusetzen, wenn sie unwiderruflich sein soll und außerdem mit einem Stimmrechtsverzicht des Gesellschafters verbunden ist (so für die Personengesellschaft: BGHZ 3, 354, 358; BGH, Urt. v. 8. 10. 53 – IV ZR 248/52, LM HGB § 105 Nr. 6; für die GmbH vgl. Fischer, GmbHRdsch 1952, 116; Wiedemann, Die Übertragung und Vererbung von Mitgliedschaftsrechten bei Handelsgesellschaften, 1965, S. 276 ff, 361 ff. m. w. N.). Zulässig ist aber, soweit der Gesellschaftsvertrag nicht entgegensteht, eine widerrufliche Stimmrechtsvollmacht (Urt. d. Sen. v. 4. 12. 67 – II ZR 91/65, LM GmbHG § 46 Nr. 7). Dasselbe muß zumindest bei der GmbH auch dann gelten, wenn der Widerruf, wie hier, nur in Verbindung mit einer Kündigung des Grundverhältnisses möglich ist und dem Vollmachtgeber für die Dauer dieses Verhältnisses schuldrechtlich – eine mit dinglicher Wirkung „verdrängende“ Vollmacht gibt es überhaupt nicht (BGH, Urt. v. 13. 5. 71 – VII ZR 310/69, WM 1971, 956) – die eigene Stimmrechtsausübung gegen den Willen des Bevollmächtigten verwehrt sein soll, wie es hier dem zuvor dargestellten Zweck der Treuhandvereinbarung zu entnehmen ist.

Soweit Rechtsprechung und Schrifttum die Einheitlichkeit der Mitgliedschaft betonen und deshalb die Zulässigkeit einer „verdrängenden“ unwiderruflichen Stimmrechtsvollmacht ebenso wie die einer gesonderten Stimmrechtsübertragung grundsätzlich verneinen, sind hierfür mehrere Gedanken maßgebend. Was zunächst die rechtliche Eigenart einer Gesamthandsbeteiligung (BGHZ 3, 354, 357) und den Schutz des Gesellschafters selbst gegen eine seinem Einfluß entzogene unbegrenzte persönliche Verpflichtung betrifft, so scheiden diese Gesichtspunkte bei einer GmbH, um die es hier allein geht, von vornherein aus. Ebenso kann die Gefahr, daß die Wahrnehmung gesellschaftsfremder Interessen durch einen Außenstehenden die Mitgesellschafter schädigen könnte, im vorliegenden Fall außer Betracht bleiben, weil alle Gesellschafter der Stimmrechtsvereinbarung zugestimmt haben und der durch sie begünstigte Erblasser obendrein als der einzige wahre Träger des Gesellschaftsinteresses anzusehen ist. Es bleibt das Bedenken, daß die Mitgliedschaft in einer Gesellschaft nach der bestehenden Rechtsordnung allgemein auf eine in sich abgestimmte Einheit von Rechten, Pflichten und Verantwortung hin angelegt ist und es zu erheblichen Störungen des gesellschaftlichen Gefüges wie auch zur Rechtsunsicherheit führen könnte, wenn diese Einheit durch eine dauernde, von Seiten des Gesellschafters unabänderliche Abspaltung eines wesentlichen Mitgliedschaftsrechts – wie des Stimmrechts – oder dessen beständige Ausübung durch einen Nichtgesellschafter nachhaltig gesprengt würde (vgl. Wiedemann aaO S. 283 ff). Dieses Bedenken entfällt aber, wenn die Gefahr völliger Verselbständigung eines Teils der Mitgliedschaft deshalb nicht besteht, weil das Auseinanderklaffen von Mitgliedschaft und Stimmrecht beiderseits durch eine ordentliche Kündigung des ihm zugrundeliegenden Schuldverhältnisses jederzeit beseitigt werden kann, so daß sich alle Mitgliedschaftsrechte und -Pflichten wieder voll in einer Hand vereinigen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob diese Vereinigung endgültig in der Person dessen eintritt, der bisher die Gesellschafterstellung formal innehatte, oder, wie hier, in der Person eines Treugebers, dem der Geschäftsanteil nach Beendigung des Treuhandverhältnisses durch Rückabtretung wieder zufällt.

Ein so gestaltetes Rechtsverhältnis erscheint bei der GmbH um so unbedenklicher, als dort die stärkere Verselbständigung der gesellschaftlichen Beteiligung (wie sie z. B. in § 15 Abs. 1 und 2, § 18 Abs. 1 GmbHG zum Ausdruck kommt), anders als etwa bei der offenen Handelsgesellschaft (vgl. BGHZ 24, 106, 112 ff), die Ausübung von Mitgliedschaftsrechten durch einen Nichtgesellschafter sogar im eigenen Namen mindestens dort zuläßt, wo das Vermögen des Anteilsinhabers dem gesetzlichen Verwaltungsrecht eines Amtsträgers wie des Testamentsvollstreckers oder des Konkursverwalters unterliegt, also der Grundsatz der Unteilbarkeit der Mitgliedschaft schon von Gesetzes wegen nicht uneingeschränkt gilt (vgl. BGHZ 51, 209, 216 f; BGH, Urt. v. 10. 6. 59 – V ZR 25/58, LM BGB § 2205 Nr. 3/4/5; Wiedemann aaO S. 336 ff, 364).

Schlagworte: Geschäftsanteil, Inhalt des Treuhandvertrags, Treuhandverhältnis