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BGH, Urteil vom 12. Juni 1997 – I ZR 36/95

§ 1 UWG, § 3 UWG, § 30 BGB, § 31 BGB, § 823 Abs 1 BGB, § 824 BGB, § 826 BGB, § 831 Abs 1 S 1 BGB, § 834 Abs 2 BGB, § 186 StGB

a) Im Streitfall kann nicht davon ausgegangen werden, daß – was das Berufungsgericht offengelassen hat – die Beklagte als Verlegerin des Restaurantführers in Wettbewerbsabsicht gehandelt hat. Negative Testberichte in Restaurantführern sind zwar objektiv geeignet, den Wettbewerb der Konkurrenten zum Nachteil der Betroffenen zu fördern. Hieraus kann aber noch nicht ohne weiteres auch auf das Vorliegen einer entsprechenden Absicht geschlossen werden. Bei Äußerungen der Presse, die sich im Rahmen ihres Aufgabenbereichs halten, die Öffentlichkeit über Vorgänge von allgemeiner Bedeutung zu unterrichten und zur öffentlichen Meinungsbildung beizutragen, ist eine Wettbewerbsabsicht allein aufgrund der objektiven wettbewerbsbezogenen Eignung noch nicht zu vermuten. Hiervon ist der Senat auch bei Veröffentlichungen der hier vorliegenden Art ausgegangen (vgl. BGH, Urt. v. 20.3.1986 – I ZR 13/84, GRUR 1986, 812, 813 = WRP 1986, 547 – Gastrokritiker). Im Streitfall sind keine besonderen Umstände ersichtlich, aus denen auf eine Absicht der Beklagten geschlossen werden könnte, den Wettbewerb anderer Restaurantbetriebe zum Nachteil des Klägers zu fördern. Soweit eine Absicht der Beklagten zur Förderung ihres eigenen Wettbewerbs im Verlagsgeschäft in Betracht kommen könnte, kann der Kläger keine Ansprüche geltend machen, da er insoweit nicht betroffen ist.

b) Verrichtungsgehilfe i.S. von § 831 BGB ist allerdings nur, wer von den Weisungen seines Geschäftsherrn abhängig ist. Ihm muß von einem anderen, in dessen Einflußbereich er allgemein oder im konkreten Fall und zu dem er in einer gewissen Abhängigkeit steht, eine Tätigkeit übertragen worden sein (vgl. BGH, Urt. v. 14.2.1989 – VI ZR 121/88, NJW-RR 1989, 723). Das dabei vorausgesetzte Weisungsrecht braucht nicht ins Einzelne zu gehen. Es genügt, daß der Geschäftsherr die Tätigkeit des Handelnden jederzeit beschränken oder entziehen oder nach Zeit und Umfang bestimmen kann (BGHZ 45, 311, 313). Die Testesser der Beklagten befinden sich in einer Abhängigkeit in diesem Sinne, mag ihre Tätigkeit für die Beklagte sich auch auf eine freie Mitarbeit beschränken und mögen sie auch, wie der Journalist B., für andere Presseunternehmen tätig sein. Denn sie sind im Rahmen ihrer Mitarbeit für die Beklagte an die Vorgaben des von dieser verlegten Restaurantführers gebunden, dem hinsichtlich der Auswahl der getesteten Lokale sowie der Art und dem Umfang der Testberichte ersichtlich eine feste Konzeption zugrundeliegt. Es liegt in der Natur einer freien Mitarbeit der vorliegenden Art, daß die Testesser insoweit dem Einfluß der Beklagten unterliegen und deren Weisungen unterworfen sind. Anhaltspunkte dafür, daß dies im Streitfall hinsichtlich der von der Beklagten eingesetzten 25 Testesser oder auch nur eines Teils von ihnen ausnahmsweise anders sein könnte, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Im Streitfall ist daher davon auszugehen, daß die beiden Testesser, von denen der beanstandete Bericht stammt, die rechtliche Stellung von Verrichtungsgehilfen haben, für die der Unternehmer grundsätzlich nach § 831 BGB einzustehen hat.

Auch die weitere Annahme des Berufungsgerichts, der Testesser B. habe, sofern er zum Zwecke der Förderung des Wettbewerbs eines mit ihm befreundeten Konkurrenten des Klägers unwahre Tatsachenbehauptungen aufgestellt haben sollte, jedenfalls nicht in Ausführung der ihm übertragenen Verrichtung gehandelt, hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Im Streitfall ist der erforderliche unmittelbare innere Zusammenhang zwischen der den Testessern aufgetragenen Verrichtung und der schädigenden Handlung gegeben. Die Verrichtung, zu der der Testesser bestellt worden ist, bestand gerade in der Abfassung eines Berichts aufgrund der anläßlich eines Besuchs des Restaurants des Klägers gesammelten Eindrücke. Eine unzutreffende Schilderung dieser Eindrücke ändert nichts daran, daß sie noch im Rahmen der übertragenen Verrichtung erfolgt ist. Auch eine vorsätzliche unerlaubte Handlung kann durchaus noch in engem objektivem Zusammenhang mit den zugewiesenen Verrichtungen stehen; dies gilt namentlich dann, wenn sie gerade die übertragenen Pflichten verletzt (vgl. BGHZ 49, 19, 23). So liegt der Fall hier. Erweisen sich die dem Testbericht zugrundeliegenden Tatsachenbehauptungen, die Gegenstand der Klage sind, als unzutreffend, so hat der Testesser sich im Rahmen der ihm übertragenen Verpflichtung, seine anläßlich des Testessens gewonnenen Eindrücke im Lokal des Klägers zu schildern, nicht mehr an die selbstverständliche journalistische Pflicht gehalten, deren Erfüllung auch die Beklagte erwartete, eine sachlich zutreffende Darstellung zu liefern. Die als unzutreffend beanstandeten Tatsachenbehauptungen stehen in einem inneren und unmittelbaren Zusammenhang mit den dem Testesser von der Beklagten übertragenen Aufgaben.

c) Gegebenenfalls wird das Berufungsgericht auch dem Vorbringen der Revision zur Anwendung der – bislang ungeprüft gebliebenen – Grundsätze der sogen. Fiktionshaftung für mangelhafte Organisation nachzugehen haben. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes müssen Verleger und Herausgeber einen besonders gefährlichen Beitrag, mit dem ehr- oder persönlichkeitsrechtliche Beeinträchtigungen verbunden sind, grundsätzlich entweder selbst überprüfen oder dem damit beauftragten Dritten Organstellung im Sinne von §§ 30, 31 BGB verschaffen, so daß sie für sein Verschulden ohne Entlastungsmöglichkeit einzustehen haben (vgl. BGH, Urt. v. 8.7.1980 – VI ZR 158/78, GRUR 1980, 1099, 1104 – Das Medizinsyndikat II, m.w.N.). Ob ein derart schwerer Eingriff anzunehmen ist, läßt sich nur aufgrund der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilen. Hierbei sind insbesondere Art und Schwere der Beeinträchtigung, ihr Anlaß und Beweggrund und der Grad des Verschuldens zu berücksichtigen (st. Rspr.; BGH GRUR 1980, 1099, 1104 – Das Medizinsyndikat II). Es wird insoweit gegebenenfalls zu prüfen sein, ob es auf das Vorbringen des Klägers ankommt, er werde durch die Vielzahl unrichtiger Tatsachenbehauptungen in Verbindung mit den darauf beruhenden Wertungen und persönlichen Angriffen in schwerwiegender Weise in seinem Persönlichkeitsrecht und seiner wirtschaftlichen Existenz beeinträchtigt.

Schlagworte: allgemeine deliktische Haftung, Haftung für eigene Handlung, Haftung für Wettbewerbsverstöße, Verrichtungsgehilfe