Einträge nach Montat filtern

BGH, Urteil vom 12. November 2001 – II ZR 225/99

AktG §§ 76, 121, 124, 243

a) Die Verpflichtung, der Hauptversammlung zu den einzelnen Tagesordnungspunkten Vorschläge zur Beschlussfassung zu unterbreiten, trifft den Gesamtvorstand als Leitungsaufgabe.

b) Bei dem Ausscheiden eines Vorstandsmitgliedes aus dem zweiköpfigen Vorstand einer mit einem Grundkapital von mehr als 3 Mio. DM (künftig: 3 Mio. €) ausgestatteten Aktiengesellschaft darf das verbleibende Mitglied grundsätzlich Aufgaben, die nur den Gesamtvorstand wahrnehmen kann, nicht ausführen. Den Aufsichtsrat trifft in einem derartigen Falle die Pflicht, nach § 84 Abs. 1 AktG baldmöglich ein neues Vorstandsmitglied zu bestellen. Ist er nicht in der Lage, dieser Verpflichtung mit der erforderlichen Schnelligkeit nachzukommen, eröffnet das Gesetz (§ 85 AktG) jedem, der daran ein schutzwürdiges Interesse hat, die Möglichkeit, bei dem zuständigen Amtsgericht den Antrag auf Bestellung eines Vorstandsmitgliedes durch das Gericht zu stellen.

c) Ein nicht vom Gesamtvorstand unterbreiteter Beschlussvorschlag führt zur Anfechtbarkeit des korrespondierenden Hauptversammlungsbeschlusses.

d) Werden einem Aktionär Informationen vorenthalten, die für seine Mitwirkung an der Beschlussfassung der Hauptversammlung wesentlich sind, werden seine gesellschaftsrechtlichen Teilnahme- und Mitwirkungsrechte verletzt. Es ist davon auszugehen, dass sich dieser Informationsmangel – bei wertender Betrachtungsweise – in der Regel auf das Beschlussergebnis nachteilig auswirkt.

Es lässt sich kaum beurteilen, ob ein vernünftig urteilender Aktionär seine Entscheidung, die er auf der Grundlage des von dem nicht ordnungsgemäß besetzten Vorstand unterbreiteten Beschlußvorschlages getroffen hat, auch dann getroffen hätte, wenn der Beschlußvorschlag von einem nach Gesetz und Satzung ordnungsgemäß besetzten Vorstand gemacht worden wäre. Entscheidend kann in einem solchen Falle nur sein, ob es – bei wertender Betrachtungsweise – möglich oder ausgeschlossen ist, daß sich der Verfahrensfehler auf das Beschlußergebnis ausgewirkt hat (vgl. Hüffer in MünchKommAktG aaO § 243 Rdn. 30, 32 ff.; Karsten Schmidt in Großkommentar zum Aktiengesetz aaO § 243 Rdn. 24 f., 31 ff.). Diese Frage der Relevanz des Verfahrensfehlers für das Beschlußergebnis läßt sich im vorliegenden Falle aus dem Gesetz beantworten. Nach § 124 Abs. 4 Satz 1 AktG dürfen über Gegenstände der Tagesordnung, die nicht ordnungsgemäß bekannt gemacht worden sind, keine Beschlüsse gefaßt werden. Dieser Regelung liegt die gesetzliche Wertung zugrunde, daß Bekanntmachungsmängel für das Teilhaberecht des Aktionärs grundsätzlich von Bedeutung sind. Davon wird auch ein Verstoß gegen die Regelung des § 124 Abs. 3 Satz 1 AktG erfasst.

Schlagworte: Aktienrecht, Aktionär, Anfechtungsgründe, Aufsichtsrat, Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Ausscheiden, Behinderung bei Recht der Teilhabe an der Willensbildung, Behinderung der Teilnahme an der Gesellschafterversammlung, Beschlussfassung, Beschlussmängel, Einberufungsinhalt, Hauptversammlung, Hauptversammlungsbeschluss, Kausalität, Notwendiger Inhalt der Ladung nach § 51 Abs. 2 GmbHG, Pflichtverletzung und Kausalität, Relevanz des Rechtsverstoßes, Relevanz des Verfahrensmangels, Relevanzlehre, Tagesordnung, Teilnahmerechte, Verfahrensmängel, Vorstand