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BGH, Urteil vom 13. April 1994 – II ZR 16/93

GmbHG §§ 13, 41; BGB § 823Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 823
; OWiG § 130; KWG § 1

a) Eine persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
persönliche Haftung
von GmbH-Gesellschaftern kommt in Betracht, wenn die Abgrenzung zwischen Gesellschafts- und Privatvermögen durch eine undurchsichtige Buchführung oder auf andere Weise verschleiert worden ist; denn dann können die Kapitalerhaltungsvorschriften, deren Einhaltung ein unverzichtbarer Ausgleich für die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen (§ 13 Abs. 2 GmbHG) ist, nicht funktionieren (BGHZ 95, 330, 333 f.; BGH, Urteil vom 12. November 1984 – II ZR 250/83, ZIP 1985, 29, 30). Dies kann es rechtfertigen, ausnahmsweise den Gläubigern außer dem nicht mehr wirksam geschützten Haftungsfonds der Gesellschaft das Privatvermögen der Gesellschafter zur Verfügung zu stellen.

b) Die persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
persönliche Haftung
kann nur diejenigen Gesellschafter treffen, die aufgrund des ihnen in dieser Stellung gegebenen Einflusses in der Gesellschaft für den Vermögensvermischungstatbestand verantwortlich sind; wer wegen geringer Beteiligung und fehlender interner Mitspracherechte einen solchen Einfluss nicht ausüben kann, kann für den Tatbestand, der die Voraussetzungen für die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen entfallen lässt, nicht verantwortlich gemacht werden (Immenga, Die personalistische Kapitalgesellschaft, 1970, S. 411; Stimpel, in: Bilanz- und Konzernrecht FS Goerdeler, 1987, S. 601, 612; vgl. auch Hachenburg/Ulmer, GmbHG 8. Aufl. Anh § 30 Rdn. 60).

c) Über derartige Einflussmöglichkeiten verfügen in der Regel nur solche Gesellschafter, die auf die Gesellschaft einen beherrschenden Einfluss ausüben können. Dazu gehören Minderheitsgesellschafter nur dann, wenn sie aufgrund besonderer tatsächlicher oder rechtlicher Umstände die Geschicke des Unternehmens bestimmen können. Dies ist etwa der Fall, wenn einem Gesellschafter zwar nicht rechtlich, wohl aber wirtschaftlich die Mehrheit der Anteile gehört, weil andere Gesellschafter ihre Anteile als Treuhänder für ihn halten, oder wenn er, wie die ständige Übung gezeigt hat, in der Gesellschafterversammlung immer mit der Unterstützung bestimmter anderer Gesellschafter rechnen kann, mit denen zusammen er über die Mehrheit verfügt (vgl. BGHZ 77, 94, 105 f.; BGHZ 80, 69, 73; BGH, Urteil vom 16. Dezember 1991 – II ZR 294/90, ZIP 1992, 242, 244; Urteil vom 29. März 1993 – II ZR 265/91, ZIP 1993, 589, 591).

d) Der Geschäftsführer ist nicht nur berechtigt, sondern auch verpflichtet, den Prokurist der Gesellschaft zu einer gesetzmäßigen Ausführung der Geschäfte anzuhalten und ihm notfalls die Prokura zu entziehen. Eine ihm von dem Mehrheitsgesellschafter erteilte gegenteilige Weisung wäre rechtswidrig gewesen; der Geschäftsführer wäre an sie nicht gebunden gewesen (vgl. Scholz/U. H. Schneider, GmbHG 8. Aufl. § 37 Rdn. 51, 51 a und § 43 Rdn. 98). Ob er einen in einer solchen Weisung liegenden Gesellschafterbeschluß zunächst hätte anfechten müssen, ist hier nicht zu erörtern. Als letztes Mittel blieb dem Geschäftsführer die Möglichkeit, die Geschäftsführung niederzulegen. Jedenfalls läßt sich die vom Geschäftsführer wahrzunehmende öffentlich-rechtliche Pflicht des Unternehmensträgers, im Unternehmen für gesetzmäßige Zustände zu sorgen, nicht durch die Mehrheitsverhältnisse in der Gesellschaft außer Kraft setzen. Anderenfalls könnte ein Fremdgeschäftsführer seine durch § 130 OWiG sanktionierten Pflichten in vielen Fällen von vornherein nicht wahrnehmen.

e) Die Stellung als Geschäftsführer und die damit verbundene rechtliche Möglichkeit und Verpflichtung, für einen gesetzmäßigen Zustand in der Gesellschaft zu sorgen, kann seine Verantwortlichkeit als Gesellschafter und damit seine persönliche HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
persönliche Haftung
nicht begründen. Die Befugnis, die Geschäfte der GmbH zu führen, gibt einem Minderheitsgesellschafter keine beherrschende Stellung in der Gesellschaft; denn er ist von den Weisungen der Gesellschaftermehrheit abhängig (vgl. auch Rowedder/Koppensteiner, GmbHG 2. Aufl. Anh § 52 Rdn. 10). Die Verletzung der Geschäftsführerpflichten kann unter bestimmten Voraussetzungen zu einer persönlichen Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern führen; so ist es beispielsweise bei schuldhaft verspäteter Konkursanmeldung (§ 64 Abs. 1 GmbHG i.V.m. § 823 Abs. 2 BGB). Die Haftung als Gesellschafter trotz Fehlens einer die Gesellschaft beherrschenden Stellung wird durch eine solche Pflichtverletzung aber nicht begründet. Sonst würde ein Gesellschafter-Geschäftsführer, der weder in seiner Eigenschaft als Gesellschafter noch wegen Verletzung seiner Geschäftsführerpflichten von einem Außenstehenden in Anspruch genommen werden kann, allein wegen seiner Doppelrolle haften. Dafür gibt es keine rechtliche Grundlage.

f) § 130 OWiG ist kein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB.

g) Nach § 130 OWiG stellt es eine Ordnungswidrigkeit dar, wenn der Inhaber eines Betriebs oder eines Unternehmens die Aufsichtsmaßnahmen unterläßt, die erforderlich sind, um in dem Betrieb oder Unternehmen Zuwiderhandlungen gegen Pflichten zu verhindern, die den Inhaber als solchen treffen und deren Verletzung mit Strafe oder Geldbuße bedroht ist; Voraussetzung für die Verfolgung als Ordnungswidrigkeit ist, daß eine solche Zuwiderhandlung, die durch gehörige Aufsicht hätte verhindert werden können, tatsächlich begangen wird. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 OWiG stehen die Mitglieder des Vertretungsorgans einer juristischen Person dem Inhaber gleich.

h) Bei der Übernahme einer Vermögensbetreuung gehört die Pflicht, das zu verwaltende Vermögen nicht zu veruntreuen und die Kunden nicht um dieses Vermögen zu betrügen, zu den „den Inhaber als solchen“ treffenden Pflichten (Cramer, in: Karlsruher Kommentar zum Gesetz über Ordnungswidrigkeiten, 1989, § 130 Rdn. 89, 93).

i) § 41 GmbHG ist kein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB.

j) § 43 Abs. 1 GmbHG ist kein Schutzgesetz nach § 823 Abs. 2 BGB.

k) Zur Auslegung der Begriffe „Einlagengeschäft“ und „Effektengeschäft“ im Sinne des § 1 KWG.

Schlagworte: allgemeine deliktische Haftung, Amtsniederlegung, Durchgriffshaftung, existenzvernichtende Eingriffe, Existenzvernichtungshaftung, Geschäftsführer, Gesellschafter, Gesellschafterhaftung, Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung, Haftung für Organisationsverschulden/ Garantenstellung, Haftung wegen Aufsichtspflichtverletzung nach § 130 OWiG, Haftung wegen Verletzung der Buchführungspflicht nach § 41 GmbHG, Haftung wegen Verletzung der Sorgfaltspflicht gemäß § 43 Abs. 1 GmbHG, Haftungsdurchgriff auf die Gesellschafter, Kapitalerhaltung, Legalitätspflicht, Mehrere Geschäftsführer, Minderheitsgesellschafter, Schadensersatzanspruch, Treuhand, Treuhandverhältnis, Verhaltenshaftung, Verletzung von Schutzgesetzen nach § 823 Abs. 2 BGB, Vermögensvermengung, Vermögensvermischung