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BGH, Urteil vom 13. Januar 2003 – II ZR 227/00

GmbHG §§ 34, 46, 60

a) Der Senat hält daran fest, dass ein – in der Satzung einer GmbH nicht vorgesehener – Gesellschafterbeschluss über die Erhebung einer Ausschließungsklage gegen einen Mitgesellschafter aus wichtigem Grund in Anlehnung an § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG einer qualifizierten Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen (unter Ausschluss derjenigen des Betroffenen) bedarf (Bestätigung von BGH, 1. April 1953, II ZR 235/52, BGH 9, 157, 177).

Der Senat hat in BGHZ 9, 157 ff. die bis heute maßgebenden Grundsätze für die im Gesetz nicht unmittelbar geregelte Ausschließung eines Gesellschafters aus einer GmbH entwickelt und dafür ein zweistufiges Verfahren vorgesehen, das zunächst einen von einer breiten Mehrheit der abgegebenen Stimmen (unter Ausschluß derjenigen des Betroffenen) getragenen Gesellschafterbeschluß voraussetzt. Erforderlich ist danach eine Mehrheit von 75 %, wie sie § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG für die Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Auflösung der Gesellschaft
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vorschreibt, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts Gegenteiliges bestimmt. An dieser Rechtsprechung, die im Schrifttum überwiegend Zustimmung (vgl. u.a. Hachenburg/Ulmer aaO, Anh. § 34 Rdn. 24; Lutter/Hommelhoff aaO, § 34 Rdn. 28; Roth/Altmeppen, GmbHG 3. Aufl. § 60 Rdn. 48; Rowedder/Bergmann in: Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG 4. Aufl. § 34 Rdn. 82; Tschernig, GmbHR 1999, 696), zum Teil aber auch Ablehnung erfahren hat (für einfache Mehrheit u.a. Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 17. Aufl. Anh. § 34 Rdn. 9; Scholz/Winter, GmbHG 9. Aufl. § 15 Rdn. 140), ist festzuhalten.

Das qualifizierte Mehrheitserfordernis in Anlehnung an § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG rechtfertigt sich zum einen daraus, daß die Ausschließung ein besonders einschneidender Eingriff in das Mitgliedschaftsverhältnis des betroffenen Gesellschafters ist und an die Stelle der – anderenfalls allein verbleibenden – Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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tritt, die alle Gesellschafter gleichermaßen treffen würde. Zum anderen berührt die Ausschließung aber auch die Interessen der verbleibenden Gesellschafter und der Gesellschaft insofern, als dem Auszuschließenden eine Abfindung zu zahlen ist und dadurch Liquidität aus der Gesellschaft abfließt. Daß der Gesellschafterbeschluß die Rechtswirkung der Ausschließung bei Fehlen einer gegenteiligen Satzungsregelung nicht unmittelbar herbeiführt, sondern darüber erst in dem gerichtlichen Verfahren nach Erhebung der Ausschließungsklage unter umfassender Würdigung aller Umstände definitiv entschieden wird, ist – entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts – kein entscheidendes Argument dafür, eine einfache Mehrheit ausreichen zu lassen. Der Senat hat in BGHZ 9, 157, 177 die Hürden für die gesellschaftsinterne Vorentscheidung über die Ausschließung eines Gesellschafters bewußt hoch angesetzt, um zu verhindern, daß schon ein mit geringfügiger relativer Mehrheit ausgestatteter Gesellschafter oder eine entsprechende Gruppe von Gesellschaftern die Ausschließung eines ihnen mißliebigen Gesellschafters, der den anderen nicht untragbar erscheint, überhaupt betreiben können. Daß dadurch die Erhebung einer Ausschließungsklage aus der Sicht der für sie votierenden Gesellschafter leichter „blockiert“ werden kann als bei einer Entscheidung durch die einfache Mehrheit, ist zum Schutz des betroffenen Gesellschafters und einer ihn stützenden Minderheit von immerhin mehr als 25 % hinzunehmen. Sachliche oder unsachliche Gründe können sowohl hinter einem Ausschließungsbegehren wie auch hinter einer vermeintlichen „Blockadehaltung“ stecken; nicht selten verbirgt sich dahinter ein Machtkampf zwischen zwei Gesellschaftergruppen, von denen die eine durchaus ein berechtigtes Interesse daran haben kann, ein gerichtliches Ausschließungsverfahren zu verhindern. Im übrigen ließe sich eine „Blockierung“ auch bei einem einfachen Mehrheitserfordernis nicht ausschließen, wenn es dem betroffenen Gesellschafter gelingt, genügend andere auf seine Seite zu ziehen. Hier wie dort sind die trennungswilligen Gesellschafter nicht rechtlos gestellt, wenn tatsächlich ein gravierender Ausschließungsgrund vorliegt, weil sie gegen die treuwidrige Ablehnung eines Ausschließungsantrags durch Gesellschafterbeschluß mit einer Anfechtungs- und positiven Beschlußfeststellungsklage vorgehen können (vgl. BGHZ 97, 28, 31).

Soweit der Rechtsprechung des Senates zu dem qualifizierten Mehrheitserfordernis (in Anlehnung an § 60 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG) entgegengehalten wird, daß § 61 Abs. 2 GmbHG schon einer Gesellschafterminderheit von 10 % sogar das Recht zur Erhebung einer Auflösungsklage aus wichtigem Grund zubillige (vgl. insbesondere Scholz/Winter aaO, § 15 Rdn. 140 m.w.N.), überzeugt das deshalb nicht, weil § 61 Abs. 1 GmbHG dafür einen wichtigen Grund voraussetzt, welcher der Unmöglichkeit der Erreichung des Gesellschaftszwecks gleichkommt und damit die Intensität eines wichtigen Grundes für den Ausschluß eines Gesellschafters regelmäßig erheblich übersteigt (vgl. Lutter/Hommelhoff aaO, § 34 Rdn. 28).

Kein Argument gegen das qualifizierte Mehrheitserfordernis läßt sich weiter daraus gewinnen, daß für den Gesellschafterbeschluß über die Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils gemäß § 34 Abs. 2 GmbHG i.V.m. §§ 46 Nr. 4, 47 Abs. 1 GmbHG regelmäßig (bei Fehlen einer gegenteiligen Satzungsbestimmung) die einfache Mehrheit der abgegebenen Stimmen genügt (vgl. schon BGHZ 9, 157, 177). Denn die Zulässigkeit der Zwangseinziehung hängt davon ab, daß sich die Gesellschafter einer entsprechenden statutarischen Regelung unterworfen haben (vgl. § 34 Abs. 2 GmbHG; BGHZ 116, 359, 363), woran es bei der statutarisch nicht vorgesehenen Ausschließung eines Gesellschafters gerade fehlt. Soweit gemäß § 6 der Satzung der Beklagten für die Zwangseinziehung eines Geschäftsanteils bei dessen Pfändung oder bei Vermögensverfall des betreffenden Gesellschafters ein mit einfacher Mehrheit zu fassender Gesellschafterbeschluß ausreicht, läßt sich daraus ein entsprechendes Quorum für den Beschluß über die Erhebung der Ausschließungsklage nicht ableiten (vgl. Sen.Urt. v. 20. September 1999 – II ZR 345/97, ZIP 1999, 1843).

b) Formelle Mängel des Gesellschafterbeschlusses, die dessen Anfechtbarkeit begründen, wie z.B. das Fehlen der erforderlichen Mehrheit, können nur mit fristgerechter Anfechtungsklage geltend gemacht werden. Das Rechtsschutzbedürfnis für sie wird auch durch die Erhebung der Ausschließungsklage der GmbH nicht berührt.

c) Das den auszuschließenden Gesellschafter treffende Stimmverbot greift auf die mit ihm in einem Konsortium verbundenen und für seinen Verbleib in der Gesellschaft votierenden Gesellschafter jedenfalls dann nicht über, wenn ihm die Rechtsmacht zur Bestimmung ihres Abstimmungsverhaltens fehlt.

 

Schlagworte: Anfechtung eines Ausschließungsbeschlusses, Anfechtungsgründe, Anfechtungsklage im Sinne der §§ 243 ff AktG, Ausschluss, Ausschluss des Gesellschafters, Befangener Mitgesellschafter, Beschlussmängel, Besondere Verhältnisse, Besonderheiten bei Konflikt zwischen zwei geschlossenen Fronten, Beurteilung durch Tatrichter, Ehegatten, Einziehung, Einziehung des Geschäftsanteils, Einziehung von Geschäftsanteilen, Einziehungsbeschluss, Erbengemeinschaftsmitglieder, Erstreckung auf Mitgesellschafter, Gesellschafter bedient sich eines bevollmächtigten Dritten, Gesellschafterbeschluss, Gesellschaftsvertrag, Konsortialvertrag, Mehrheitserfordernis, Nahestehende Person, Qualifizierte Mehrheit 75 Prozent, Rechtsschutzinteresse, Stimmverbot Ausschluss, Stimmverbot für betroffenen Gesellschafter, Subjektive Reichweite des Stimmrechtsausschlusses, Voraussetzungen der Zwangseinziehung, Wichtiger Grund, Zweistufiges Ausschlussverfahren