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BGH, Urteil vom 13. Oktober 2008 – II ZR 76/07 

§ 16 Abs 1 GmbHG, § 184 Abs 1 BGBGesellschafterliste I unwiderlegliche Vermutung

Gegenüber der Gesellschaft gilt derjenige als Gesellschafter, dessen Anteilserwerb unter einem überzeugenden Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. Die Gesellschaft kann auf einen Nachweis verzichten.

Entscheidungsgründe

Die Revision des Klägers hat Erfolg.

I. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, S. sei seit dem 3. Mai 2004 an der Beklagten beteiligt, bis dahin habe Rechtsanwalt N. den Anteil treuhänderisch für ihn gehalten. 1996 sei er nicht Gesellschafter geworden. Rechtsanwalt N. habe – wie das Landgericht zutreffend ausgeführt habe – am 8. August 1996 die Genehmigung der Erklärung vom 5. August 1996 verweigert und seine kurz darauf erfolgte Zustimmung entbehre der notwendigen Form für die Abtretung von Geschäftsanteilen einer Gesellschaft mit beschränkter HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Gesellschaft
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
Haftung
. Der Übertragung der Anteile von Rechtsanwalt N. auf S. am 3. Mai 2004 stehe nicht entgegen, dass nach § 16 Abs. 1 GmbHG der Beklagten gegenüber zunächst Rechtsanwalt Dr. No. als Gesellschafter zu gelten hatte, weil er bei ihr angemeldet war. Eine rechtlich unzutreffende Anmeldung könne die materielle Rechtslage nicht ändern, zumindest sei jene Anmeldung gegenüber der Beklagten durch die Anmeldung der Übertragung von Rechtsanwalt N. auf S. vom 3. Mai 2004 widerrufen worden.

II. Dies hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Rechtsfehlerhaft ist schon der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, eine rechtlich unzutreffende Anmeldung von Rechtsanwalt Dr. No. als Gesellschafter könne die wirkliche materielle Rechtslage nicht ändern. Die mit der Widerklage begehrte Feststellung der Gesellschaft, dass S. ihr Gesellschafter sei, hängt nicht von einer Änderung der „wirklichen“ materiellen Rechtslage ab. Nach § 16 Abs. 1 GmbHG gilt bei einer Anteilsveräußerung der Gesellschaft gegenüber derjenige als Erwerber und damit als Gesellschafter, dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei der Gesellschaft angemeldet ist. Es handelt sich um eine gesetzliche Fiktion, die für die Stellung als Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft die Anmeldung durch einen dazu Befugten und einen überzeugenden Nachweis des Anteilsübergangs voraussetzt. Auf die Wirksamkeit der Übertragung oder die materielle Rechtslage kommt es nicht an (st.Rspr. Senat, BGHZ 84, 47, 49; BGHZ 112, 103, 113; Sen.Urt. v. 15. April 1991 – II ZR 209/90, ZIP 1991, 724; v. 9. Juli 1990 – II ZR 194/89, ZIP 1990, 1057; v. 24. Juni 1996 – II ZR 56/95, NJW-RR 1996, 1377).

2. Das Berufungsurteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Rechtsanwalt Dr. No. im Verhältnis zur Beklagten seit 30. Dezember 1996 als Gesellschafter gilt. Rechtsanwalt Dr. No. ist von einem Anmeldebefugten angemeldet worden. Dazu, ob sein Anteilserwerb bei der Anmeldung überzeugend nachgewiesen wurde, fehlen bisher ausreichende Feststellungen.

a) Der Erwerb der Gesellschaftsanteile durch Rechtsanwalt Dr. No. wurde am 30. Dezember 1996 von dem dazu befugten S., vertreten durch Rechtsanwalt P., bei der Beklagten angemeldet. Anmeldeberechtigt sind Veräußerer und Erwerber (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 18. Aufl. § 16 Rdn. 5). S. war als Veräußerer zur Anmeldung befugt, weil er zu diesem Zeitpunkt als Gesellschafter der Beklagten galt (§ 16 Abs. 1 GmbHG). Die Anteilsübertragung von Rechtsanwalt N. auf ihn war am 18. Dezember 1996 unter gleichzeitigem Nachweis des Rechtsübergangs der Beklagten angemeldet worden. Der Übergang der Gesellschafterstellung ist auch nachgewiesen. Dazu genügt, dass die Gesellschaft vom Rechtsübergang überzeugend unterrichtet wird (Sen.Urt. v. 25. Januar 1960 – II ZR 207/57, WM 1960, 289; Urt. v. 15. April 1991 – II ZR 209/90, ZIP 1991, 724). Der Anmeldung vom 18. Dezember 1996 waren überzeugende Nachweise beigefügt, nämlich eine beglaubigte Abschrift der Urkunde über die Anteilsübertragung vom 5. August 1996, bei der Rechtsanwalt N. von S. vollmachtlos vertreten wurde, und die nach § 177 Abs. 1 BGB notwendige Genehmigungserklärung von Rechtsanwalt N. vom 13. August 1996. Die Zustimmung bedurfte entgegen der vom Berufungsgericht übernommenen Auffassung des Landgerichts anders als die Anteilsübertragung (§ 15 Abs. 3 GmbHG) nicht der notariellen Form (§ 182 Abs. 2 BGB).

Gegen die Überzeugungskraft der vorgelegten Nachweise spricht nicht, dass Rechtsanwalt N. in seinem Schreiben vom 8. August 1996 an den Kläger und S. – das der Beklagten mit der Anmeldung nicht vorgelegt wurde – vor Erteilung der GenehmigungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Erteilung der Genehmigung
Genehmigung
den Kaufvertrag nicht genehmigt hat. Das Schreiben stand einer späteren Genehmigung der Anteilsübertragung nicht entgegen, weil sie darin nicht verweigert wurde. Wenn der Berechtigte die Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB in der Schwebe hält, verweigert er sie nicht endgültig (BGH, Urt. v. 15. Juni 1964 – VIII ZR 7/63, WM 1964, 878). Rechtsanwalt N. hat in seinem Schreiben vom 8. August 1996 zwischen dem schuldrechtlichen Geschäft und der Anteilsübertragung unterschieden. Zur Genehmigung der Anteilsübertragung hat er sich nicht geäußert, die Genehmigung des schuldrechtlichen Geschäfts ausdrücklich offen gelassen. Er hat erklärt, dass er den vorgelegten Kaufvertrag derzeit nicht genehmigen könne und wolle, weil er als Treuhänder den Anteil an den Treugeber nicht verkaufen könne. Bei der Bestätigung der dinglichen Übertragung der Geschäftsanteile vom 3. Mai 2004 hat Rechtsanwalt N. nochmals ausdrücklich klargestellt, dass er mit seinem Schreiben vom 8. August 1996 nur mitgeteilt habe, dass er den schuldrechtlichen Vertrag als Kaufvertrag nicht genehmigen könne, aber danach die dingliche Rechtsübertragung genehmigt habe und sie seiner Ansicht nach rückwirkend wirksam geworden sei.

b) Die Anmeldung von Rechtsanwalt Dr. No. ist nach den bisherigen Feststellungen auch nicht mangels eines überzeugenden Nachweises im Sinn von § 16 Abs. 1 GmbHG unwirksam.

3. Rechtsfehlerhaft ist auch die Annahme des Berufungsgerichts, zumindest sei die Anmeldung von Rechtsanwalt Dr. No. durch die Anmeldung der Übertragung von Rechtsanwalt N. auf S. vom 3. Mai 2004 widerrufen worden. Die Anzeige der Übertragung von Rechtsanwalt N. auf S. vom 3. Mai 2004 ist kein Widerruf der Anmeldung vom 30. Dezember 1996. Der Widerruf einer Anmeldung ist in § 16 Abs. 1 GmbHG nicht vorgesehen und nach Zugang der Anmeldung bei der Gesellschaft nicht möglich, § 130 Abs. 1 BGB. Wie die Wirkungen von § 16 Abs. 1 GmbHG im Fall einer unwirksamen Übertragung beseitigt werden können, hat der Senat bislang offen gelassen (Senat BGHZ 84, 47, 51) und muss dies auch im vorliegenden Fall nicht entscheiden. Selbst wenn dazu statt einer Rückübertragung ein „Widerruf“ genügte, kommt er nur als Wiederanmeldung des früheren Veräußerers in Betracht. Ein solcher „Widerruf“ setzt neben der Anmeldung voraus, dass die Unwirksamkeit der früher angemeldeten Übertragung überzeugend nachgewiesen wird (Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbHG 18. Aufl. § 16 Rdn. 4; Loebbe in Großkomm.z.GmbHG § 16 Rdn. 53; Schulz/H. Winter/Seibt, GmbHG 10. Aufl. § 16 Rdn. 23 a). Ein solcher Nachweis wurde bei der Anmeldung im Mai 2004 nicht erbracht. Die als Nachweis beigefügte vorsorgliche Bestätigung der Veräußerung von Rechtsanwalt N. an S. im Jahr 1996 in der Urkunde vom 3. Mai 2004 belegt die Unwirksamkeit der Anteilsübertragung von S. an Rechtsanwalt Dr. No. nicht, sondern hätte im Gegenteil, wenn sie mangels Verfügungsbefugnis von S. 1996 unwirksam gewesen wäre, nach § 185 Abs. 2 BGB nachträglich zu ihrer Wirksamkeit geführt.

4. Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da der Rechtsstreit nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 ZPO). Die Sache ist zurückzuverweisen, damit die Parteien Gelegenheit erhalten, ihren Vortrag zum bisher nicht weiter beachteten Gesichtspunkt eines Nachweises bei der Anmeldung des Anteilserwerbs von Rechtsanwalt Dr. No. zu ergänzen. In der Anmeldung vom 30. Dezember 1996 wird die Übersendung einer Urkunde über die Übertragung der Geschäftsanteile nur angekündigt. Nicht ausgeschlossen ist auch, dass Rechtsanwalt Dr. No. ohne einen Nachweis ordnungsgemäß angemeldet war. Die Gesellschaft kann nach pflichtgemäßem Ermessen des Geschäftsführers auf Nachweise verzichten. Eine ordnungsgemäße Anmeldung liegt dann auch vor, wenn die Gesellschaft den Erwerber als neuen Gesellschafter anerkennt und behandelt (Sen.Urt. v. 15. April 1991 – II ZR 209/90, ZIP 1991, 724).

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Schlagworte: Aktivlegitimation, Aktivlegitimation des Gesellschafters, Nichtigkeitsklage nach § 249 Abs. 1 Satz 1 AktG analog, Unwiderlegliche Vermutung