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BGH, Urteil vom 14. Oktober 1968 – II ZR 84/67

Abberufung 2-Mann-GmbHBitte wählen Sie ein Schlagwort:
2-Mann-GmbH
Abberufung
Abberufung 2-Mann-GmbH

§ 38 GmbHG

Bei einer zweigliedrigen GmbH bedarf die Frage einer Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers wegen Vertrauensentzugs einer umfassenden Abwägung aller Umstände, die bei objektiver Betrachtung für einen Vertrauensentzug und eine darauf gestützte Entlassung aus wichtigem Grund maßgebend sein können. Hierbei kann auch eine Rolle spielen, wie lange der Geschäftsführer schon für das Gesellschaftsunternehmen tätig gewesen ist und ob er sich in dieser Zeit sonst einwandfrei verhalten hat.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 2. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 14. Oktober 1966 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Beklagte, die eine Setzmaschinenfabrik betreibt, hat seit 1941 die Rechtsform einer GmbH. 1950 wurde sie von E nach S verlegt. An ihr sind Frau L mit 30000 DM und der Kläger mit 20000 DM Stammkapital beteiligt. Der Kläger war seit der Gründung der Beklagten ihr Geschäftsführer, zuletzt neben Frau L, die ebenfalls allein vertretungsberechtigt war. Unstreitig kann er nur aus wichtigem Grund entlassen werden.

Nachdem die Beklagte in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten und es zu Spannungen zwischen den beiden Gesellschaftern gekommen war, wurde am 28. April 1964 in einer Gesellschafterversammlung bei Stimmenthaltung des Klägers beschlossen, ihn „als Geschäftsführer abzuberufen und entlassen“. Ihren entsprechenden Antrag hatte Frau L u.a. damit begründet, der Kläger habe im September 1963 erklärt, wenn er ihre Anteile nicht günstig erwerben könne, so werde er die Beklagte aufplatzen lassen, und er habe auch nach diesem Vorsatz gehandelt; außerdem habe er dem Betrieb dringend benötigte Gelder entzogen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit seinem Antrag auf Feststellung, daß der Gesellschafterbeschluß vom 28. April 1964 unwirksam und er nach wie vor alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der Beklagten sei. Außerdem nimmt er die Beklagte auf Zahlung seines Gehalts für Mai 1964 in Höhe von 2625 DM mit Zinsen in Anspruch. Er hat bestritten, seine Pflichten als Geschäftsführer verletzt zu haben und behauptet, Frau L habe sich ihrerseits pflichtwidrig verhalten und versucht, ihn und seine Angehörigen aus dem Gesellschaftsunternehmen auszuschalten.

Die Beklagte hat mit ihrem Antrag auf Klagabweisung weitere Entlassungsgründe geltend gemacht und dem Kläger u.a. vorgeworfen, er habe sich von ihrem Schweizer Vertreter auf ihre Rechnung Geld aushändigen und dieses Geld nicht verbuchen lassen. Gegenüber einem Schweizer Kaufmann habe er sich ungünstig über ihre wirtschaftliche Lage und über seine Mitgesellschafterin geäußert und ihn dazu veranlaßt, sich zum Nachteil der Beklagten um die bislang von ihr wahrgenommene Vertretung eines amerikanischen Unternehmens zu bewerben.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision, um deren Zurückweisung die Beklagte bittet, verfolgt der Kläger seinen Feststellungs- und seinen Zahlungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

I. Das Berufungsgericht hält den Gesellschafterbeschluß vom 28. April 1964 über die Abberufung des Klägers aus wichtigem Grund gemäß § 38 Abs. 2 GmbHG für wirksam. Es geht davon aus, daß Frau L dem Kläger das Vertrauen entzogen habe und der Vertrauensentzug bei einer zweigliedrigen GmbH für sich allein nicht zur Abberufung eines Gesellschafter-Geschäftsführers ausreicht, sondern vielmehr berechtigte Zweifel gegen die Ordnungsmäßigkeit der Geschäftsführung vorliegen müssen (vgl. BGH LM GmbHG § 38 Nr. 2). Diese Voraussetzung hält das Berufungsgericht für gegeben. Hierfür stützt es sich auf drei Vorfälle, bei denen sich der Kläger pflichtwidrig verhalten habe und die, wenn nicht einzeln, so doch zusammengenommen so starke Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung begründet hätten, daß die Entlassung gerechtfertigt sei.

1.

Im August, Oktober und November 1959 ließ sich der Kläger von dem Vertreter der Beklagten in der Schweiz, Hans Br, für Rechnung der Beklagten gegen Quittungen mit dem Vermerk „Reisespesen“ oder „à conto Abrechnung“ Geldbeträge in Höhe von insgesamt 2000 sfr. geben. Diese Beträge ließ er bei der Beklagten nicht verbuchen. Sie waren später in einem Kontoauszug vom 19. Dezember 1962 aufgeführt, den der Kläger nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zwar Br, aber nicht der Buchhaltung der Beklagten zugeleitet hat. Hieraus schließt das Berufungsgericht, der Kläger habe sich für Rechnung der Beklagten Darlehen geben lassen und ihr diese Handlungsweise verheimlicht.

2.

In einem Brief vom 23. September 1963 erzählte der Kläger dem Schweizer Vertreter Br „streng vertraulich“ von seinen Auseinandersetzungen mit Frau L. Er äußerte die Absicht, deren Mehrheitsanteile zu übernehmen, wenn er das hierfür nötige Geld in Kürze auftreiben könne; für den Fall, daß ihm dies nicht gelingen und er nicht in der Lage sein werde, das Geschäft „wirklich einmal ohne die Hinderungen des Partners auszubauen“, stellte er die Zukunft der Beklagten als gefährdet dar. Das Berufungsgericht sieht den Zweck dieses Briefes darin, in Br, der damals gegen die Beklagte beträchtliche Ansprüche gehabt habe, Befürchtungen um deren Befriedigung zu erwecken und ihn hierdurch zu ermuntern, dem Kläger bei der Übernahme der Geschäftsanteile seiner Mitgesellschafterin behilflich zu sein. Auch wenn man berücksichtige, daß Br der Beklagten wiederholt bei finanziellen Schwierigkeiten zu Hilfe gekommen sei und ihre Verhältnisse recht gut gekannt habe, sei dem Kläger eine grobe Indiskretion vorzuwerfen. Denn er habe Br die ernste Lage der Beklagten sowie den Zwist ihrer Gesellschafter erst in aller Schärfe zur Kenntnis gebracht und den Eindruck hervorgerufen, Frau L sei an dieser Entwicklung schuld und deshalb verdiene er, der Kläger, allein Unterstützung bei seinen angeblichen Bemühungen um den Bestand des Unternehmens.

3.

Im Jahre 1963 bot der Kläger dem Kaufmann St von der L GmbH Meilen die Vertretung der Beklagten in der Schweiz an. Bei den hierüber geführten Gesprächen äußerte er sich nach den Feststellungen des Berufungsgerichts besorgt über die Entwicklung der Beklagten und seine Schwierigkeiten mit Frau L, der er die Fähigkeit zur Leitung der Beklagten absprach, und bemerkte dazu, er halte es unter diesen Voraussetzungen für besser, wenn man aus der Firma rette, was noch zu retten sei. Als die Sprache auf ein amerikanisches Unternehmen (S P) kam, dessen Vertretung in der Schweiz bis dahin die Beklagte inne hatte, meinte der Kläger, es wäre wohl besser, wenn St sich mit S P in Verbindung setze, damit die Vertretung nicht an eine Konkurrenzfirma vergeben werde. Diesem Hinweis ging St nach. Er bemühte sich auf einer Reise in die USA um die Vertretung und erhielt sie später, nachdem der Kläger bereits als Geschäftsführer der Beklagten abberufen war.

Hierzu führt das Berufungsgericht aus, es lasse sich in diesem wie auch im Fall Br nicht eindeutig feststellen, daß der Kläger bewußt zum Nachteil der Beklagten gehandelt habe. Er habe aber in einer Zeit der Krise die Interessen der Beklagten nicht so gewahrt, wie es seine Stellung als Geschäftsführer verlangt habe, Für ihn habe kein Anlaß bestanden, Außenstehenden die Lage der Beklagten so zu schildern, als ob deren baldiger Untergang zu erwarten sei.

4.

Das Berufungsgericht hat weiter geprüft, ob Frau L ihrerseits ihre Pflichten als Geschäftsführerin so grob verletzt habe, daß die Beklagte das Verhalten des Klägers nach Treu und Glauben hätte hinnehmen müssen. Es hält die dahingehenden Vorwürfe des Klägers für nicht erwiesen oder unerheblich.

II.

Die Revision hat im Ergebnis Erfolg.

1.

Allerdings kann der Revision nicht zugegeben werden, daß die vom Berufungsgericht beanstandeten Handlungen des Klägers dessen Abberufung schon deshalb nicht rechtfertigen könnten, weil es sich um nachgeschobene, erst nach der Abberufung bekannt gewordene Gründe handle, die für den Vertrauensentzug nicht ursächlich gewesen sein könnten. Die Revision übersieht hierbei, daß diese Gründe im wesentlichen auf derselben Linie liegen wie die Tatbestände, auf die der Abberufungsbeschluß vom 28. April 1964 gestützt war; schon damals wurden dem Kläger Äußerungen, wie sie sein Brief an Br enthielt, sowie der Entzug dringend benötigter Gelder vorgeworfen. Die hieraus hergeleiteten Bedenken gegen seine Geschäftsführung wären, wenn man dem Berufungsgericht folgen könnte, durch die später festgestellten Vorkommnisse nur bestätigt worden. Im übrigen räumt auch die Revision ein, daß eine Entlassung grundsätzlich noch nachträglich mit Gründen gerechtfertigt werden kann, die bei ihrem Ausspruch bereits vorgelegen haben, aber aus Unkenntnis oder anderen Gründen nicht geltend gemacht worden sind (vgl. BGHZ 27, 220).

2.

Das Berufungsurteil läßt aber nicht erkennen, ob alle für die Entscheidung erheblichen Umstände ausreichend berücksichtigt sind. Das Berufungsgericht hat, insoweit in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (LM GmbHG § 38 Nr. 2), geprüft, ob das Verhalten des Klägers auch objektiv geeignet gewesen sei, Zweifel an der Ordnungsmäßigkeit seiner Geschäftsführung zu begründen. Es hat diese Frage bejaht und sich dabei darauf beschränkt, die dem Kläger vorgeworfenen Handlungen im Hinblick auf die Pflichten eines Geschäftsführers zu messen und zu bewerten. Das genügt nach Lage des Falles nicht für die Feststellung, die Entlassung des Klägers sei aus einem wichtigen Grund im Sinne des § 38 Abs. 2 GmbHG gerechtfertigt gewesen. Dazu wäre vielmehr erforderlich, daß ein verständiger Betrachter bei Abwägung aller für und gegen eine Entlassung sprechenden Umstände zu dem Ergebnis kommen konnte, die Bedenken gegen die Geschäftsführung des Klägers seien so stark, daß der Gesellschaft nicht mehr zugemutet werden könne, den Kläger weiter in seinem Amt zu belassen. Bei der insofern gebotenen Gesamtabwägung kann nicht außer Betracht bleiben, wie lange der Kläger für das Unternehmen der Beklagten tätig gewesen ist und ob er sich in dieser Zeit sonst einwandfrei verhalten hat. Denn bei einem Mann, der die Geschäfte der Gesellschaft viele Jahre lang korrekt geführt hat, rechtfertigen einzelne Verfehlungen, mögen sie auch für sich betrachtet nicht leicht zu nehmen sein, nicht ohne weiteres den Schluß, er verdiene fortan kein Vertrauen mehr und sei deshalb als Geschäftsführer untragbar geworden.

In dieser Hinsicht könnte hier bedeutsam sein, daß der Kläger im Zeitpunkt seiner Abberufung als Geschäftsführer insgesamt 36 Jahre, davon 34 Jahre in verantwortlicher Stellung, in den Diensten der Beklagten gestanden hatte. Allerdings soll der Kläger nach dem Vortrag der Beklagten schon einmal im Jahre 1952 durch unredliche Geschäfte zum Nachteil der Beklagten Anlaß zu seiner Entlassung gegeben haben und nur gegen die Zusicherung künftigen Wohlverhaltens wieder als Geschäftsführer, nunmehr jedoch unter der Kontrolle von Frau L als weiterer Geschäftsführerin, eingesetzt worden sein. Hierzu hat das Berufungsgericht aber ausgeführt, es lasse sich nicht feststellen, daß dem Kläger schon damals eine Pflichtwidrigkeit habe vorgeworfen werden können. Für die Revisionsinstanz ist daher davon auszugehen, daß der Kläger viele Jahre lang der Beklagten redlich gedient und, von den im Berufungsurteil festgestellten Vorkommnissen abgesehen, ihre Geschäfte einwandfrei geführt hat. Ob auch angesichts dieser Tatsache die durch das Verhalten des Klägers ausgelösten Bedenken gegen seine Geschäftsführung schwer genug wiegen, um bei vernünftiger Beurteilung einen wichtigen Grund für die sofortige Entlassung abgeben zu können, hat das Berufungsgericht nicht erörtert.

III.

Deshalb war das Berufungsurteil aufzuheben. Das Berufungsgericht erhält damit Gelegenheit, den gesamten Sachverhalt noch einmal neu und unabhängig von der bisherigen Beurteilung zu würdigen. Darum erübrigt es sich, auf die weiteren Gesichtspunkte einzugehen, unter denen die Revision die Ausführungen des Berufungsgerichts im einzelnen angreift. Dem Kläger steht es frei, diese Gesichtspunkte im weiteren Verfahren vor dem Berufungsgericht vorzubringen.

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