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BGH, Urteil vom 15. März 2016 – II ZR 114/15

GmbHG §§ 6, 35; HGB §§ 114, 116
Bewilligen sich zwei Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH, die alleinige Gesellschafter der GmbH und alleinige Kommanditisten der Kommanditgesellschaft sind, gegenseitig von der Kommanditgesellschaft zu zahlende Tätigkeitsvergütungen, die ihnen nach dem Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft dem Grunde nach zustehen, während die Bestimmung der genauen Höhe dem Beschluss der Gesellschafterversammlung überlassen ist, so ist diese Absprache grundsätzlich wirksam, auch wenn die Geschäftsführer nicht vom Verbot des § 181 BGB befreit sind.

Der Beklagte und J.     W.      waren berechtigt, sich jeweils eine Geschäftsführervergütung zu Lasten der Schuldnerin zu bewilligen. Zwar wird der Geschäftsführer in der GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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von der Gesellschafterversammlung der GmbH bestellt. Einen Anstellungsvertrag kann er aber auch mit der Kommanditgesellschaft schließen (BGH, Urteil vom 1. Dezember 1969 – II ZR 224/67, WM 1970, 249, 251). Dabei kann er sich auch darauf beschränken, nur eine Tätigkeitsvergütung zu vereinbaren und andere Fragen – etwa nach einer Altersversorgung oder nach dem Urlaubsanspruch – offen zu lassen. Ferner ist es möglich, ohne Abschluss eines Anstellungs(dienst)vertrages für den Kommanditisten, der in der GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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aufgrund einer Bestellung zum GeschäftsführerBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Bestellung zum Geschäftsführer
Geschäftsführer
der Komplementär-GmbH die dieser (allein) obliegende Geschäftsführung und Vertretung der Kommanditgesellschaft ausübt, eine Vergütung für diese Geschäftsführungstätigkeit im Gesellschaftsvertrag der Kommanditgesellschaft zu vereinbaren (vgl. zur Regelung der Geschäftsführungsbefugnis und darauf bezogener Tätigkeitsvergütungen im Gesellschaftsvertrag BGH, Urteil vom 4. Oktober 2004 – II ZR 356/02, ZIP 2004, 2282, 2284 sowie allgemein MünchKommHGB/Grunewald, 3. Aufl., § 164 Rn. 25 ff.; Staub/C. Schäfer, HGB, 5. Aufl., § 114 Rn. 47 f.). Das entspricht auch dem Gesellschaftsvertrag der Schuldnerin. Darin heißt es:

„§ 8 Geschäftsführung und Vertretung

  1. Zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft ist die Komplementärin allein berechtigt und verpflichtet. …

§ 9 Aufwendungsersatz, Geschäftsführervergütungen

  1. Die persönlich haftende Gesellschafterin hat Anspruch auf Ersatz aller ihr durch die Geschäftsführertätigkeit erwachsenden Aufwendungen.
  2. Soweit Kommanditisten geschäftsführend tätig sind, steht ihnen eine angemessene Tätigkeitsvergütung zu, die von Fall zu Fall von der Gesellschafterversammlung festgelegt wird.
  3. Wenn ein Geschäftsführer oder Kommanditist ohne eigenes Verschulden an der Ausübung seiner Geschäftsführungstätigkeit gehindert ist, behält er den Anspruch auf Tätigkeitsvergütung noch bis zum Ablauf des zwölften auf die Verhinderung folgenden Monats.“

Danach soll gemäß § 8 des Vertrages allein die Komplementär-GmbH zur Geschäftsführung (und Vertretung) berechtigt und verpflichtet sein, während § 9 von der Möglichkeit einer Geschäftsführertätigkeit auch der Kommanditisten ausgeht. Da ihnen die Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft nicht als organschaftliche Befugnis durch eine § 164 Satz 1 HGB abbedingende Abrede eingeräumt sein soll (vgl. dazu Staub/Casper, HGB, 5. Aufl., § 164 Rn. 35 f.), weil es nach § 8 Nr. 1 des Gesellschaftsvertrages gerade bei der gesetzlichen Regelung der Geschäftsführungsbefugnis der Komplementärin bleiben soll, gehen § 9 Nr. 2 und 3 des Gesellschaftsvertrages ersichtlich von dem Fall aus, dass die Kommanditisten aufgrund ihrer Bestellung zu Geschäftsführern der Komplementär-GmbH geschäftsführend tätig sind. Als solchen soll ihnen nach § 9 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages der Schuldnerin für ihre Geschäftsführertätigkeit eine von der Schuldnerin zu zahlende angemessene Vergütung zustehen.

Das hat das Berufungsgericht verkannt und daher rechtsfehlerhaft angenommen, der Beklagte könne sich auf § 9 Nr. 2 des Vertrages nicht berufen, weil diese Bestimmung einen Sachverhalt regele, bei dem die grundsätzliche Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der persönlich haftenden Gesellschafterin nicht angetastet werde. Zwar obliegt die Auslegung von Gesellschaftsverträgen grundsätzlich dem Tatrichter. Im vorliegenden Fall kann der Senat den Vertrag aber selbst auslegen, da insoweit nicht mit weiterem Sachvortrag der Parteien zu rechnen ist. Der Beklagte, der unstreitig zum Geschäftsführer der KomplementärGmbH bestellt war, hat sich darauf berufen, dass die Geschäftsführervergütung nicht von der GmbH, sondern gemäß der Regelung in § 9 des Gesellschaftsvertrages unmittelbar von der Kommanditgesellschaft gezahlt werden sollte. Das war entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts weder dahin zu verstehen, dass in Abweichung von der grundsätzlichen Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis der Komplementärin gemäß § 8 Nr. 1 dem Beklagten unmittelbar die Geschäftsführungsbefugnis für die Kommanditgesellschaft eingeräumt worden sei, noch bedurfte es des Vortrags, dass ein schriftlicher Geschäftsführeranstellungsvertrag mit dieser abgeschlossen worden sei. Soweit der Beklagte die von ihm behauptete Abrede mit seinem Mitgeschäftsführer und Mitgesellschafter, dass ihnen eine von der Kommanditgesellschaft zu zahlende Tätigkeitsvergütung gemäß § 9 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages in Höhe von 2.000 € zustehe, selbst als „Anstellungsvertrag“ mit der Kommanditgesellschaft bezeichnet hat, liegt darin ersichtlich nur eine rechtliche Würdigung der Partei, die für die dem Gericht obliegende rechtliche Würdigung unbeachtlich ist, wenn der dazu von der Partei vorgetragene Tatsachenstoff dagegen spricht (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl., § 138 Rn. 11a mwN).

Das Berufungsgericht hat daher rechtsfehlerhaft außer Acht gelassen, dass die Tätigkeitsvergütung eines geschäftsführenden Gesellschafters auch unabhängig vom Abschluss eines Anstellungsvertrages im Gesellschaftsvertrag vereinbart werden kann. § 9 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages regelt insoweit, dass den Kommanditisten, soweit sie (als Geschäftsführer der KomplementärGmbH) geschäftsführend tätig sind, grundsätzlich eine „angemessene“ Tätigkeitsvergütung zusteht, während die genaue Höhe der Tätigkeitsvergütung nicht im Gesellschaftsvertrag festgelegt ist, sondern „von Fall zu Fall“ der Bestimmung durch Beschluss der Gesellschafterversammlung überlassen ist. Mit dieser Regelung soll ersichtlich auch vermieden werden, dass bei jeder Änderung der Höhe der Tätigkeitsvergütung eine Änderung des Gesellschaftsvertrages erfolgen muss. Für die Annahme des Berufungsgerichts, die Regelung, dass die Gesellschafterversammlung die Vergütung „von Fall zu Fall“ festlege, greife hier nicht ein, weil der Beklagte eine regelmäßige Vergütung für sich beanspruche, gibt es dagegen im Gesellschaftsvertrag keinen Anhaltspunkt. Vielmehr spricht auch § 9 Nr. 3 des Gesellschaftsvertrages, wonach eine einjährige Fortzahlung der Tätigkeitsvergütung bei einer schuldlosen Verhinderung des Kommanditisten an der Ausübung seiner Geschäftsführungstätigkeit vorgesehen ist, gegen die Auslegung des Berufungsgerichts. Im Übrigen kommt es für die Auslegung der Vertragsbestimmungen unabhängig von ihrem Wortlaut auf das übereinstimmende Verständnis der beiden Gesellschafter-Geschäftsführer an. Wenn sie übereinstimmend angenommen haben – wofür viel spricht -, dass die Vereinbarung einer dauerhaften monatlichen Vergütung mit dem Gesellschaftsvertrag übereinstimmt, ist kein Raum mehr für eine Auslegung mit anderem Ergebnis.

Ebenso waren der Beklagte und J.     W.      berechtigt, die Höhe dieser Vergütung auf 2.000 € pro Monat festzusetzen.

Den nach § 9 Nr. 2 des Gesellschaftsvertrages erforderlichen Beschluss konnten der Beklagte und J.      W.       als Geschäftsführer der Komplementär-GmbH und alleinige Kommanditisten fassen und haben ihn nach der Behauptung des Beklagten auch gefasst.

Ob die Gesellschafterversammlung der Komplementär-GmbH aufgrund ihrer Annexkompetenz aus § 46 Nr. 5 GmbHG (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Januar 2007 – II ZR 267/05, ZIP 2007, 910 Rn. 7) der Vergütung ihrer Geschäftsführer zustimmen musste (so Henze/Notz in Ebenroth/Boujong/Joost/ Strohn, HGB, 3. Aufl., § 177a Anh. A Rn. 97 f.), kann offenbleiben. Denn auch insoweit waren der Beklagte und J.     W.      die einzigen Gesellschafter.

Auf eine Befreiung vom Verbot des § 181 BGB kommt es danach nicht an.

Die Vergütungsabrede ist auch nicht nach § 125 Satz 2 BGB nichtig. Zwar heißt es in § 4 der „Schlussbestimmungen“ des Gesellschaftsvertrages der Schuldnerin:

„Änderungen und Zusätze zu diesem Vertrag bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, …“

Die Festsetzung der im Gesellschaftsvertrag schon angeführten angemessenen Tätigkeitsvergütung ist aber weder eine Änderung des Gesellschaftsvertrages noch ein „Zusatz“. Vielmehr haben der Beklagte und J.      W.       damit von ihrem im Gesellschaftsvertrag begründeten Recht Gebrauch gemacht, die Höhe der Vergütung anhand der wirtschaftlichen Verhältnisse der Gesellschaft individuell festzusetzen.

Das Berufungsurteil stellt sich auch nicht wegen der vom Revisionsbeklagten in der mündlichen Verhandlung angesprochenen Regelung in § 15 des Gesellschaftsvertrages der Schuldnerin aus anderen Gründen als richtig dar.

Dort heißt es:

㤠15 Gewinnermittlung und -verteilung

  1. Der Gewinn ergibt sich nach Berücksichtigung folgender Posten:
  2. a) Tätigkeitsvergütungen in Form eines anteiligen Vorabgewinns

…“

Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, ob nach dieser Regelung Tätigkeitsvergütungen ausschließlich in Form von Vorabgewinnen möglich sein sollten oder ob diese Regelung nur dann zur Anwendung kommen sollte, wenn Tätigkeitsvergütungen im konkreten Einzelfall in Form eines Vorabgewinns vereinbart worden sind. Für den Fall einer Vereinbarung in Form eines Vorabgewinns fehlen zudem Feststellungen zur wirtschaftlichen Lage der Schuldnerin im maßgeblichen Zeitraum, insbesondere zur Höhe der erwirtschafteten Gewinne.

 

Schlagworte: Befreiung vom Verbot des § 181 BGB, Geschäftsführervergütung