§ 129 Abs 1 InsO, § 129 Abs 2 InsO, § 133 Abs 1 S 1 InsO
Unterlässt es der Schuldner, dessen Konten durch seinen Gläubiger gepfändet sind, ein weiteres Konto zu eröffnen und Zahlungen seiner Schuldner auf dieses freie Konto zu leiten, steht diese Unterlassung einer Rechtshandlung nicht gleich.
Weder in der unterbliebenen Eröffnung eines neuen Kontos noch in der fehlenden Anweisung an die Drittschuldner, zu Barzahlungen überzugehen, kann ein der Rechtshandlung nach § 133 Abs. 1 InsO gleichgestelltes Unterlassen (§ 129 Abs. 2 InsO) gesehen werden.
Im Insolvenzanfechtungsrecht ist eine Gleichstellung mit einer Rechtshandlung nur gerechtfertigt, wenn die Unterlassung auf einer Willensbetätigung beruht, also bewusst und gewollt erfolgt (BGH, Urteil vom 24. Oktober 1996 – IX ZR 284/95, BB 1997, 436, 437; vom 22. Dezember 2005 – IX ZR 190/02, BGHZ 165, 343, 348). Eine bloße Unachtsamkeit oder Vergesslichkeit genügt nicht (MünchKomm-InsO/Kayser, 3. Aufl., § 129 Rn. 24; Gehrlein in Ahrens/Gehrlein/Ringstmeier, InsO, § 129 Rn. 35). Der Schuldner muss das Gebotene in dem Bewusstsein Unterlassen haben, dass sein Nichthandeln irgendwelche Rechtsfolgen auslöst (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005, aaO; Jaeger/Henckel, InsO, § 129 Rn. 12; HK-InsO/Kreft, 6. Aufl., § 129 Rn. 24). Dabei müssen sich die Vorstellungen des Schuldners nicht auf eine konkrete Rechtsfolge beziehen oder rechtlich zutreffend sein; es genügt, wenn aus einer Situation, die naheliegender Weise materiellrechtliche Ansprüche zur Folge hat, bewusst keine Konsequenzen gezogen werden (BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005, aaO; vom 3. Februar 2011, aaO Rn. 8).
Bei der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO ergibt sich aus deren subjektiven Voraussetzungen die weitergehende Anforderung, dass die gebotene Handlung bewusst und wenigstens unter Inkaufnahme der Gläubigerbenachteiligung Unterlassen worden sein muss (vgl. Jaeger/Henckel, aaO Rn. 18). Die untätige Hinnahme von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen muss also gerade in der Vorstellung und mit dem Willen erfolgen, dass durch das Unterlassen einer möglichen Handlung die anstehende Vermögensverlagerung auf den vollstreckenden Gläubiger gefördert wird (vgl. BGH, Urteil vom 3. Februar 2011 aaO Rn. 10). Für ein entsprechend zielgerichtetes Unterlassen (vgl. MünchKomm-InsO/Kayser, aaO § 133 Rn. 7) reicht es nicht aus, dass der Schuldner die Bevorzugung eines einzelnen Gläubigers lediglich geschehen lässt. Vielmehr hat er andere Handlungsmöglichkeiten zum Schutz der Gläubigergesamtheit in Erwägung zu ziehen und muss hiervon bewusst im Interesse einzelner Gläubiger absehen. Dieses Bewusstsein kann vorhanden sein, wenn von der Geltendmachung bestehender Erstattungsansprüche kein Gebrauch gemacht wird (vgl. BGH, Urteil vom 22. Dezember 2005, aaO S. 348 f) oder erfolgversprechende Rechtsbehelfsmöglichkeiten gegen eine rechtswidrige Vollstreckung nicht genutzt werden (vgl. BGH, Urteil vom 30. April 1959 – VIII ZR 179/58, WM 1959, 891, 892; vom 3. Februar 2011, aaO Rn. 10).
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