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BGH, Urteil vom 17. April 1989 – II ZR 258/88

§ 810 BGB

Ein aus der Gesellschaft ausgeschiedener Kommanditist, der nach dem Gesellschaftsvertrag zum Buchwert oder mit einem anderen nicht nach dem wirklichen Wert seiner Beteiligung berechneten Betrag abzufinden ist, hat, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß der Abfindungsbetrag erheblich unter dem Beteiligungswert liegen könnte, Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen der Gesellschaft, die erforderlich sind, um diesen letzteren Wert zu ermitteln.

Nach der Rechtsprechung des Senats sind Buchwertklauseln zwar grundsätzlich zulässig; sie können jedoch im Einzelfall unwirksam sein, wenn infolge eines erheblichen Mißverhältnisses zwischen Buchwert und wirklichem Wert die Freiheit des Gesellschafters, sich zu einer Kündigung zu entschließen, entgegen dem in § 723 Abs. 3 BGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgedanken unvertretbar eingeengt wird (Sen.Urt. v. 24. September 1984 – II ZR 256/83, WM 1984, 1506). Dabei kommt es entgegen der Ansicht der Revision nicht darauf an, ob im konkreten Fall der Gesellschafter tatsächlich wegen der ungünstigen Abfindungsregelung von einer Kündigung abgesehen hat; wäre es anders, käme es in der Regel gar nicht zum Streit über die Höhe des Abfindungsanspruchs. Entscheidend ist vielmehr, ob die Abfindungsklausel typischerweise geeignet ist, den kündigungswilligen Gesellschafter in seiner Entschlußfreiheit zu beeinträchtigen (vgl. Ulmer, NJW 1979, 81, 82f; K. Schmidt, Gesellschaftsrecht, 1986, S. 1097). Wie groß die Diskrepanz zwischen Buchwert und wirklichem Wert sein muß, um einen solchen unzulässigen Einfluß auf die Entscheidungsfreiheit bewirken zu können, ist hier nicht zu entscheiden (vgl. dazu Kellermann, Steuerberaterjahrbuch 1986/87, 403, 411f).

Dem ausgeschiedenen Kommanditisten stehen zwar die Kontrollrechte nach § 166 HGB nicht mehr zu; er hat jedoch auf der Grundlage der §§ 810, 242 BGB bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses Anspruch darauf, die Bücher und Papiere aus der Zeit seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft einzusehen, insbesondere diejenigen, die für die Berechnung seines Abfindungsguthabens von Bedeutung sind (Sen.Urt. v. 10. Juni 1963 – II ZR 88/61, WM 1963, 989, 990; vgl. auch Senatsurteile v. 16. Februar 1959 – II ZR 194/57, WM 1959, 595, 598 und v. 23. Oktober 1961 – II ZR 102/60 (offene Handelsgesellschaft); Senatsurteile v. 11. Juli 1968 – II ZR 92/67, WM 1968, 1245 und v. 8. April 1976 – II ZR 203/74, WM 1976, 1027, 1030 (stille GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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); Sen.Urt. v. 28. April 1977 – II ZR 208/75, WM 1977, 781, 782 und vom 11. Juli 1988 – II ZR 346/87, BGHR BGB § 810 Gesellschafter 1 = WM 1988, 1447, 1448 (GmbH)). Das gleiche muß dann gelten, wenn der ausgeschiedene Gesellschafter zwar das von der Gesellschaft auf der Grundlage des Gesellschaftsvertrages errechnete Abfindungsguthaben als solches nicht in Zweifel zieht, sich jedoch Gewißheit darüber verschaffen möchte, ob ein erhebliches Mißverhältnis zum wirklichen Wert seiner Beteiligung besteht. Da, wenn das der Fall ist, die gesellschaftsvertragliche Vereinbarung unmaßgeblich sein kann, muß die Gesellschaft, die dazu unschwer in der Lage ist, ihm die Möglichkeit verschaffen, sich anhand der Bücher und Papiere, die sich auf die Zeit seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft beziehen, ein Bild über die Grundlagen zu machen, die für die Ermittlung des Unternehmenswerts von Bedeutung sind. Das setzt freilich – darin hat die Revision recht – voraus, daß konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, daß ein erhebliches Mißverhältnis zwischen dem sich aus der Abfindungsvereinbarung ergebenden Guthaben und dem tatsächlichen Beteiligungswert bestehen könnte; anderenfalls fehlt es an dem erforderlichen rechtlichen Interesse an der Einsichtnahme. Dabei können jedoch keine besonders hohen Anforderungen gestellt werden. Die Geschäftsunterlagen sollen es dem ausgeschiedenen Gesellschafter gerade erst ermöglichen, genauere Erkenntnisse über die Wertverhältnisse zu gewinnen. Nur wenn nichts auf die Möglichkeit eines erheblichen Auseinanderfallens der Werte hindeutet, wäre das Einsichtsverlangen unzulässige Ausforschung (vgl. dazu BGH, Urteile v. 16. April 1962 – VII ZR 252/60, DB 1962, 766 und v. 31. März 1971 – VIII ZR 198/69, DB 1971, 1416, 1417).

Schlagworte: Auskunfts-/Einsichts-/Informations-/Kontrollrechte, Beschränkung der Abfindung, Bücher und Schriften, Buchwertklausel, Buchwertmethode, Einsicht in Unterlagen der Gesellschaft, Ergänzende Vertragsauslegung, nachträglich unangemessene Abfindungsklausel