Die Vereinssatzung kann es für zulässig erklären, daß Gegenstände zur Beschlußfassung noch nach Einberufung der Mitgliederversammlung auf die Tagesordnung gesetzt werden. Diese müssen den Mitgliedern aber – jedenfalls wenn es sich um Satzungsänderungen handelt – so rechtzeitig vor dem Zusammentritt der Mitgliederversammlung mitgeteilt werden, daß genügend Zeit zu einer sachgerechten Vorbereitung bleibt; das gilt grundsätzlich auch für eilbedürftige Angelegenheiten.
Der Bundestag des Beklagten erfüllt im Rahmen seiner Satzung die Funktion einer Mitgliederversammlung. Nach § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB ist es für die Gültigkeit eines Beschlusses der Mitgliederversammlung erforderlich, daß der Gegenstand der Beschlußfassung bei der Berufung bezeichnet wird. Diese Bestimmung bezweckt, die Vereinsmitglieder vor Überraschungen in der Mitgliederversammlung zu schützen und ihnen Gelegenheit zu geben, über die Notwendigkeit einer Teilnahme zu entscheiden und sich auf die zur Beratung anstehenden Themen vorzubereiten. Diesem gesetzgeberischen Schutzgedanken trägt auch die Satzung des Beklagten Rechnung, indem sie in § 22 Nr. 6 und 7 sowie § 17 Abs. 3 vorschreibt, daß Anträge, insbesondere solche auf Satzungsänderungen, die auf dem Bundestag behandelt werden sollen, in die Tagesordnung aufgenommen werden müssen, die den Mitgliedern zusammen mit der Ladung mindestens sechs Wochen vorher bekanntzumachen ist. Diese gesetzlichen und satzungsmäßigen Anforderungen sind im vorliegenden Fall nicht eingehalten worden.
§ 32 Abs. 1 Satz 2 BGB ist allerdings, wie sich aus § 40 BGB ergibt, nachgiebiges Recht. Die Satzung kann also grundsätzlich etwas anderes bestimmen. Dies gilt vor allem für Dringlichkeitsanträge, bei denen bereits die Eilbedürftigkeit der Angelegenheit die Behandlung auf der demnächst bevorstehenden Mitgliederversammlung gebieten kann, auch wenn die Einladungen bereits versandt und die in der Satzung vorgesehenen Ladungs- und Mitteilungsfristen verstrichen sind. Derartige Anträge können, wenn dies in der Satzung vorgesehen ist, auch noch nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt werden. Wird von dieser Möglichkeit Gebrauch gemacht, so muß jedoch in anderer Weise dem Grundgedanken der in § 32 Abs. 1 Satz 2 BGB zum Ausdruck gekommenen Wertentscheidung des Gesetzgebers angemessen Rechnung getragen werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich um Änderungen der Satzung handelt. Da Satzungsänderungen im allgemeinen für das Vereinsleben von einschneidenderer Bedeutung sind als andere Beschlüsse der Mitgliederversammlung, sollten sie nach Möglichkeit überhaupt nicht im Dringlichkeitsverfahren behandelt werden (in diesem Sinne Reichert/Dannecker/Kühr, Vereinsrecht, 3. Aufl., Rdnr. 544). Wenn dies die Satzung aber dennoch zuläßt, so erfordert es der Schutzgedanke des Gesetzes grundsätzlich, daß die geplante Satzungsänderung den Mitgliedern noch so rechtzeitig vor dem Zusammentritt der Versammlung mitgeteilt wird, daß ihnen genügend Zeit bleibt, sich mit der durch die Dringlichkeit der Angelegenheit gebotenen Eile auf den neuen Beratungsstoff sachgerecht vorzubereiten. Reicht die Zeit für die Wahrung einer solchen Nachfrist, deren Länge sich nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalles bemißt, nicht mehr aus, so muß die betreffende Satzungsänderung auf einer gesonderten Mitgliederversammlung beraten werden. Der finanzielle Gesichtspunkt, daß eine weitere Mitgliederversammlung zusätzliche Kosten verursachen würde, muß in diesem Fall hinter dem nach den tragenden Grundsätzen des Verbandsrechts gebotenen Schutz der Mitglieder zurücktreten. Ist die Angelegenheit so dringend, daß sie keinen Aufschub bis zu dem Zusammentritt einer neuen Mitgliederversammlung duldet, so ist an die Möglichkeit einer vorläufigen Regelung zu denken, die aber dem Beschluß der ordnungsgemäß zur Behandlung der betreffenden Angelegenheit einzuberufenden Mitgliederversammlung nicht endgültig vorgreifen darf.
Schlagworte: Mangelhafte Ankündigung des Beschlussgegenstandes, Notwendiger Inhalt der Ladung nach § 51 Abs. 2 GmbHG