BGB §§ 459, 463, 276; ZPO § 304
1. Der von einem Unternehmen erzielte Reinertrag erlangt die Bedeutung einer Unternehmenseigenschaft nur, wenn er vertraglich zugesichert wird; geschieht dies nicht, können unrichtige Angaben des Verkäufers über den Ertrag seine Haftung aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens beim Vertragsschluß begründen.
2. Wird Ersatz des Vertrauensschadens wegen unrichtiger Angaben beim Vertragsschluß – hier Kauf eines Unternehmens – verlangt, dann gehört es zum Grund des Anspruchs und kann nicht dem Betragsverfahren überlassen bleiben, ob der Getäuschte vom Abschluß des Vertrages überhaupt abgesehen hätte oder ob es ihm gelungen wäre, einen günstigeren Preis durchzusetzen.
Zum Sachverhalt
Die Gebrüder W betrieben u.a. einen Tee-Import-Handel. Im November 1970 traten sie an die Kl. heran und boten ihr die Übernahme des Tee-Bereichs der Firma W & Co. an. Auf Wunsch der Kl. übersandten sie dieser Gewinn- und Verlustrechnungen. Nach diesen Unterlagen hatte die Firma W & Co. Gewinne von 233 241,84 DM im Jahre 1968, 310 824,61 DM im Jahre 1969 und 389 575,93 DM im Jahre 1970 erzielt. In einem Schreiben an die Kl. hatten die Brüder W außerdem zum Ausdruck gebracht, im Falle einer Zusammenlegung des Teehandels der Firma W & Co. mit der von der Kl. bereits erworbenen Teehandelsfirma H werde sich die Gewinnlage erheblich verbessern; sie seien der Auffassung, daß ihre Teemarken der Kl. eine jährliche Netto-Rendite von 600 000 bis 800 000 DM bringen würden. Durch Vertrag vom 2. 3. 1971, den die Brüder W für sich selbst und im Namen der Firma W & Co. mit der Kl. abschlössen, übernahm diese von der Firma W & Co. Maschinen, Waren u.a. zu Buchwerten bzw. möglicherweise darunterliegenden Tageswerten, was, wie später errechnet wurde, einen Betrag von 1 694 208,10 DM ergab. Darüber hinaus verpflichtete sich die Kl., für stille Reserven, die nach dem Vertragswortlaut u.a. in den zu Buchwerten übernommenen Gütern, in der Kundenkartei, in allen Marken und Patenten enthalten sein sollten, weitere 2 950 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer zu entrichten. Aufgrund einer weiteren Vertragsbestimmung gründeten die Gebrüder W, die sich, wie auch die Firma W & Co., einem Wettbewerbsverbot unterwarfen, als Treuhänder der Kl. eine KG mit dem Namen W-Teehandelsgesellschaft und wurden in dieser gegen eine jährliche Vergütung von je 60 000 DM für die Kl. tätig. Die W-Teehandelsgesellschaft mietete die von der Firma W & Co. für das Teehandelsgeschäft benutzten Räume. Die Kl. zahlte an die Firma W & Co. für das übenommene Anlage- und Umlaufvermögen die errechneten 1 694 208,10 DM und auf die außerdem vereinbarten 2 950 000 DM zuzüglich Mehrwertsteuer einen Betrag von 2 212 500 DM. In Höhe von 800 000 DM hat die Firma W & Co. die Restkaufpreisforderung an die bekl. Bank abgetreten, was diese der Kl. durch Schreiben vom 2. 3. 1972 mitteilte. Nach Verhandlungen über die Begleichung der an die Bekl. abgetretenen Restkaufpreisforderung trafen die Parteien am 13. 4. 1972 eine als Vergleich bezeichnete Vereinbarung, in der es u.a. heißt:
(1) Zwischen den Parteien besteht Einigkeit darüber, daß die Restkaufpreisforderung der Firma W & Co. gegen E (Kl.) in Höhe des erstrangigen Teilbetrages von 800 000 DM an die D (Bekl.) abgetreten ist.
(2) Mit Rücksicht auf aufrechenbare Gegenforderungen der Firma E gegen die Firma W & Co. bzw. die Herrn W ist zur Zeit noch nicht zu übersehen, in welcher Höhe die abgetretene Forderung noch valutiert.
(3) E ist bereit, unverzüglich 715 000 DM an die Bank zu zahlen. Sollte sich herausstellen, daß der Restkaufpreis – abzüglich aufrechenbarer Gegenansprüche – geringer als die gezahlte Summe war, wird die Bank den zuviel erhaltenen Betrag an E zurückgeben.
Die Kl. zahlte daraufhin 715 000 DM an die Bekl. Wenige Tage später stellte die Firma W & Co. den Antrag auf Eröffnung des Vergleichsverfahrens, das in ein Konkursverfahren überging.
Die Kl. fordert die Rückzahlung der an die Bekl. entrichteten 715 000 DM. Sie hat vorgetragen, die persönlich haftenden Gesellschafter der Firma W & Co. hätten ihr unrichtige Umsatz- und Gewinnzahlen vorgespiegelt.
Das LG hat den Klageanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt. Die Berufung der Bekl. ist zurückgewiesen worden. Die Revision führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Aus den Gründen
… III. … 2. Handelt es sich somit um einen Unternehmenskauf, dann sind darauf, wie der BGH wiederholt entschieden hat, die Gewährleistungsvorschriften der §§ 459 ff. BGB entsprechend anwendbar. Entgegen der Auffassung der Revision folgt daraus jedoch noch nicht, daß eine Haftung der Firma W & Co. für unrichtige Abschluß angaben aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens beim Vertragsschluß ausgeschlossen sei. Dabei kann dahinstehen, ob auch für den Bereich des Unternehmenskaufs mit einer nur entsprechenden Anwendung der §§ 459 ff. BGB gilt, daß sich die Haftung des Verkäufers für Eigenschaften der Kaufsache – von Mangelfolgeschäden abgesehen – allein nach den Gewährleistungsvorschriften bestimmt, wie der BGH für den Fall entschieden hat, daß der Verkäufer eines Grundstücks den Käufer über den Verlauf der Grundstücksgrenze im Unklaren ließ (BGHZ 60, BGHZ Band 60 Seite 319 [BGHZ Band 60 Seite 322] = NJW 1973, NJW Jahr 1973 Seite 1234; a.A. Schaumburg, MDR 1975, MDR Jahr 1975 Seite 105 ff.; Nirk, in: Festschr. f. Möhring zum 75. Geburtstag, S. 91 ff.). Denn nach den Feststellungen des BerGer. beziehen sich die den persönlich haftenden Gesellschaftern der Firma W & Co. zur Last gelegten unrichtigen Angaben nicht auf Eigenschaften des Kaufgegenstandes. Zwar trifft es nicht zu, daß, wie das BerGer. ausführt, nach der Rechtsprechung des BGH weder der Umsatz noch der vor dem Verkauf erzielte Ertrag Unternehmenseigenschaften sein könnten. Der BGH hat das nur für die Mitteilung einzelner Umsatz- und Gewinnzahlen verneint, weil sich daraus noch kein Schluß auf eine dauernde Ertragsfähigkeit des Unternehmens ziehen lasse. Allerdings hat er auch die bis zum Verkauf auf längere Zeit erzielten Umsätze und Erträge – nicht die künftigen Umsätze und Erträge – nur dann als eine Unternehmenseigenschaft angesehen, wenn sie vertraglich zugesichert wurden; sie seien dann – wie bereits das RG ausgesprochen hat (RGZ 67, RGZ Band 67 Seite 86 [RGZ Band 67 Seite 87]) – einer Eigenschaft des Unternehmens rechtlich gleichzustellen (vgl. BGH, NJW 1970, NJW Jahr 1970 Seite 653 [NJW Jahr 1970 Seite 655]; Urt. v. 19. 2. 1971 – I ZR 113/69; WM 1974, WM Jahr 1974 Seite 51; BB 1975, BB Jahr 1975 Seite 1180 f.). An dieser Beurteilung ist festzuhalten. Sie entspricht regelmäßig den Besonderheiten des Unternehmenskaufs und insbesondere den Schwierigkeiten einer Unternehmensbewertung, bei der häufig subjektive, dem Verkäufer nicht ohne weiteres erkennbare Erwägungen des Käufers eine wesentliche Rolle spielen. Legt der Käufer Wert auf einzelne Angaben, kann er sich deren Richtigkeit vertraglich zusichern lassen. Im Falle der arglistigen Täuschung durch den Verkäufer kann er den Vertrag nach § 123 BGB anfechten. Außerdem bleibt ihm bei schuldhaft unrichtigen Angaben die Möglichkeit, Ersatz des Vertrauensschadens unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens beim Vertragsschluß zu verlangen, ohne dabei der kurzen Verjährung des § 477 BGB unterworfen zu sein (vgl. Hommelhoff, Die Sachmängelhaftung beim Unternehmenskauf, 1975, S. 72, 89 ff.; ders., ZHR 140, 297; a.A. Goltz, Betr 1974, DB Jahr 1974 Seite 1609 ff.).
Die Besonderheiten des Streitfalles geben keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung. Zwar stellt das BerGer. aufgrund des im Strafverfahren eingeholten Sachverständigengutachtens fest, die Kl. habe entgegen ihrer Erwartung keinen florierenden Unternehmensteil, sondern ein weit überschuldetes und seit langem konkursreifes Handelsgeschäft erworben. Unabhängig davon, ob die hiergegen von der Revision erhobenen Angriffe begründet sind oder nicht, folgt daraus aber noch nicht, daß die angeblich erzielten Reinerträge – Umsätze und Rohgewinne waren im wesentlichen richtig angegeben – eine für den Kaufentschluß der Kl. wesentliche Eigenschaft im Sinne der Vorschriften über die Gewährleistung für Sachmängel gewesen seien. Hiergegen spricht insbesondere, daß die Kl. weder die hohen Bankschulden noch sonstige Verbindlichkeiten übernahm und sich auch die Betriebskosten wesentlich günstiger gestalten konnten, wenn sie den von der Firma W & Co. übernommenen Teehandel in ihre Firmengruppe eingliederte und mit der von ihr vorher erworbenen Firma H zusammenlegte, was jedenfalls erörtert und inzwischen auch verwirklicht wurde. Zudem kam es der Kl. in erster Linie auf den Erwerb der Teemarken und eine Vergrößerung ihres Marktanteils an. Die von den persönlich haftenden Gesellschaftern der Firma W & Co. genannten Gewinnzahlen waren dafür – anders als die Umsätze und Roherträge – von untergeordneter Bedeutung. Dem entspricht es, daß die Kl. davon absah, die Gewinnzahlen durch ihre Revisionsabteilung nachprüfen zu lassen, und der von ihr für den Unternehmensteil gebotene weitere Betrag von 2,95 Mio. DM erheblich über dem von ihr selbst nach den ihr genannten oder erwarteten Erträgen errechneten Unternehmens wert lag. Auch wurde die Erstellung der zunächst vorgesehenen Ausgliederungsbilanz von ihr nicht mehr für erforderlich gehalten und die sich hierauf beziehende Vertragsbestimmung gestrichen. Das BerGer. hat somit das Vorliegen eines Unternehmensmangels i.S. von § 459 I BGB wie auch unrichtige Angaben über vertraglich vorausgesetzte Unternehmenseigenschaften i.S. der §§ 459 II, 463 S. 1 BGB im Ergebnis zu Recht verneint. Da es auch an einer entsprechenden vertraglichen Zusicherung fehlt, folgt daraus aber nicht nur, daß ein Gewährleistungsanspruch im Sinne der Sachmängelhaftung ausscheidet. Vielmehr ergibt sich auch, daß die auf den Unternehmenskauf entsprechend anwendbaren Gewährleistungsvorschriften der §§ 459 ff. BGB einem Schadensersatzanspruch der Kl. aus dem Gesichtspunkt des Verschuldens beim Vertragsabschluß nicht entgegenstehen.
3. Die Revision beanstandet aber zu Recht, daß das BerGer. über einen der Kl. entstandenen Vertrauensschaden, der sie berechtigen könnte, die Zahlung des Restkaufpreises ganz oder teilweise zu verweigern, keine hinreichenden Feststellungen getroffen hat. Zwar setzt nach der Rechtsprechung des BGH ein Grundurteil über einen nach Grund und Betrag streitigen Schadensersatzanspruch nur voraus, daß ein zu ersetzender Schaden mit hoher Wahrscheinlichkeit entstanden ist (vgl. BGH, LM § 304 ZPO Nr. 16). Das muß entsprechend auch für den Fall gelten, daß die Rückgewähr einer unter Vorbehalt geleisteten Zahlung mit der Begründung gefordert wird, eine Zahlungspflicht habe wegen eines auf Befreiung von der Verbindlichkeit gerichteten Schadensersatzanspruchs nicht oder nicht in voller Höhe bestanden. Es darf aber nicht dem Betragsverfahren überlassen bleiben, ob der durch unrichtige Angaben des Verkäufers getäuschte und zur Forderung von Schadensersatz aus dem. Gesichtspunkt des Verschuldens beim Vertragsschluß berechtigte Käufer den Vertrag ohne die Täuschung überhaupt abgeschlossen hätte oder ob es ihm gelungen wäre, einen günstigeren Preis durchzusetzen. Denn der Inhalt des Anspruchs auf Ersatz des Vertrauensschadens hängt entscheidend davon ab, welche der beiden Möglichkeiten gegeben ist. Kann festgestellt werden, daß der Getäuschte gleichwohl gekauft hätte, es ihm aber bei Kenntnis von der wirklichen Sachlage gelungen wäre, einen geringeren Kaufpreis durchzusetzen, dann besteht sein Schaden regelmäßig in diesem Preisunterschied. Da er verlangen kann, so gestellt zu werden, als hätte er den Kauf zu einem günstigeren Preis abgeschlossen, müssen ihm dann die Vorteile des Kaufs in vollem Umfang verbleiben, so daß sich die Frage der Vorteilsanrechnung in diesem Zusammenhang nicht stellt. Es wird dann regelmäßig auch nicht angezeigt sein, erst noch ein Grundurteil zu erlassen, da mit dem Minderbetrag der Schaden auch der Höhe nach feststeht. Muß dagegen davon ausgegangen werden, daß der Käufer den Vertrag nicht abgeschlossen hätte, dann ist beim Vergleich der beiden in Betracht zu ziehenden Vermögenslagen zu berücksichtigen, welche Leistungen der Verkäufer erbracht und welche weiteren Vorteile der Käufer durch den Kauf erlangt hat. Wegen dieser Unterschiede gehört es zur vollständigen Erledigung des Klagegrundes, daüber zu befinden, was geschehen wäre, wenn der Käufer nicht durch unrichtige Angaben des Verkäufers irregeführt worden wäre. Es widerspricht dem Sinn und Zweck des § 304 ZPO, die Entscheidung dieser Frage dem Betragsverfahren zu überlassen.
Den Feststellungen des BerGer. kann zudem nicht entnommen werden, daß es der Kl. gelungen wäre, einen günstigeren Kaufpreis durchzusetzen. Das BerGer. erörtert nur, ob die Kl. bereit gewesen wäre, rund 3 Mio. DM für den Marktanteil eines ohnehin konkursreifen Wettbewerbers aufzubringen. Doch ist damit noch nicht gesagt, daß die Firma W & Co. auch bereit gewesen wäre, ihr Teehandelsgeschäft zu einem niedrigeren Preis an die Kl. abzugeben. Sie hatte, wie unstreitig ist, für ihre Teemarken zunächst sogar 6 Mio. DM gefordert. Es ist denkbar, daß Wettbewerber der Kl. bereit gewesen wären, einen gleich hohen Preis zu zahlen. Ob die Kl. das Teehandelsgeschäft der Firma W & Co. später – nach Konkurseröffnung – billiger hätte erwerben können, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Auch erscheint die Frage der Konkursreife in einem anderen Licht, wenn berücksichtigt wird, daß die Verbindlichkeiten von der Kl. nicht übernommen wurden. Offengeblieben ist nach den Feststellungen des BerGer. auch, ob die Kl. von einem Erwerb des Teehandelsgeschäfts der Firma W & Co. völlig abgesehen hätte, wenn sie über die wirkliche Ertragslage unterrichtet worden wäre. Der Umstand, daß sie vor allem an einem Erwerb der Teemarken und einer Vergrößerung ihres Marktanteils interessiert war, spricht eher für das Gegenteil.
Schlagworte: Durchführung einer Due Diligence durch Kaufinteressenten, Unternehmenskauf