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BGH, Urteil vom 18. Juli 2019 – IX ZR 258/18

InsO § 133 Abs. 1 aF

Erbringt ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, eine Leistung in der berechtigten Annahme, dadurch eine Gegenleistung in sein Vermögen zu veranlassen, kann ihm eine gleichwohl eingetretene Gläubigerbenachteiligung nicht bewusst geworden sein, auch wenn die Voraussetzungen eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustauschs nicht gegeben sind.

Tenor

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 17. Juli 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem auf einen Eigenantrag vom 5. Februar 2014 am 26. März 2014 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S. GmbH (im Folgenden: Schuldnerin). Diese war nach dem Tarifvertrag über das Verfahren über den Urlaub und die Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk (VTV) verpflichtet, monatliche Beiträge an die beklagte U. e.V. zu zahlen. Bei ausgeglichenem Beitragskonto haben die beteiligten Unternehmen Anspruch auf Erstattung der von ihnen an ihre Arbeitnehmer ausgezahlten Urlaubsvergütung.

Ab dem Jahr 2010 geriet die Schuldnerin mit der Zahlung der Beiträge vielfach für mehrere Monate in Rückstand. In den Jahren 2010 und 2011 erwirkte der Beklagte in drei Fällen Zahlungsurteile gegen die Schuldnerin. Zwischen dem 8. August 2011 und dem 23. August 2012 zahlte die Schuldnerin an den Beklagten insgesamt 19.482,23 €. Wegen erneut titulierter Beitragsrückstände erwirkte der Beklagte Ende des Jahres 2012 Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse bezüglich des Geschäftskontos der Schuldnerin. Die kontoführende Bank zahlte an den Beklagten daraufhin zwischen dem 3. Januar 2013 und dem 5. September 2013 insgesamt 8.884,62 €. Am 21. September 2011, 28. Oktober 2011, 3. Januar 2012 und 31. Juli 2013 erstattete der Beklagte der Schuldnerin Urlaubsvergütungen in Höhe von 6.312,19 €, 1.091,87 €, 8.129,11 € und 3.924,13 €.

Der Kläger verlangt von dem Beklagten unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Insolvenzanfechtung die Rückgewähr des Betrags von 28.366,85 € nebst Zinsen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht hat den Beklagten antragsgemäß verurteilt. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

Das Berufungsgericht hat einen Anspruch des Klägers auf Rückgewähr der erlangten Beträge nach § 133 Abs. 1, § 143 Abs. 1 der Insolvenzordnung in der bis zum 4. April 2017 geltenden Fassung bejaht und zur Begründung ausgeführt:

Der Beklagte habe die Zahlungen auch insoweit, als sie im Anschluss an die Kontenpfändung durch die Bank erbracht worden seien, durch eine Rechtshandlung der Schuldnerin erlangt. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme seien Auszahlungen an die Pfändungsgläubiger immer nach Rücksprache und mit Zustimmung der Schuldnerin erfolgt. Wegen des darin liegenden Abrufs von Kreditmitteln sei auch das Pfändungspfandrecht auf der Grundlage einer mitwirkenden Rechtshandlung der Schuldnerin in anfechtbarer Weise entstanden. Die Zahlungen hätten deshalb die Gläubiger der Schuldnerin benachteiligt.

Die Gläubigerbenachteiligung sei nicht durch die Erstattungsleistungen des Beklagten entfallen. Eine Vorteilsausgleichung finde im Insolvenzrecht grundsätzlich nicht statt. An einer Gläubigerbenachteiligung fehle es nur dann, wenn dem Vermögen des Schuldners vereinbarungsgemäß eine objektiv gleichwertige, unmittelbar mit dem Vermögensnachteil zusammenhängende Gegenleistung zufließe. Die danach erforderliche unmittelbare Verknüpfung zwischen den Zahlungen der Schuldnerin und den Erstattungen des Beklagten sei hier nicht gegeben.

Alle angefochtenen Zahlungen seien von der Schuldnerin mit einem von dem Beklagten erkannten Gläubigerbenachteiligungsvorsatz vorgenommen worden. Die Schuldnerin habe schon zum Zeitpunkt der ersten angefochtenen Zahlung am 8. August 2011 ihre Zahlungen eingestellt gehabt. Dies ergebe sich aus dem vorherigen Zahlungsverhalten der Schuldnerin. Der Beklagte habe sich auch nicht der Kenntnis verschließen können, dass sämtliche Zahlungen auf einer Rechtshandlung der Schuldnerin beruhten.

II.

Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht in vollem Umfang stand.

1. Anfechtbar nach § 133 Abs. 1 InsO in der hier anwendbaren Fassung vom 5. Oktober 1994 (vgl. Art. 103j EGInsO) sind nur Vermögensverlagerungen, die durch eine Rechtshandlung des Schuldners bewirkt wurden. Diese Voraussetzung hat das Berufungsgericht mit Recht bejaht, auch soweit Zahlungen von dem gepfändeten Bankkonto der Schuldnerin erbracht wurden. Die Revision nimmt diese Beurteilung hin. Rechtsfehler sind nicht erkennbar.

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die angefochtenen Rechtshandlungen hätten die Insolvenzgläubiger objektiv benachteiligt (§ 129 Abs. 1 InsO), ist rechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden.

a) Eine Gläubigerbenachteiligung liegt vor, wenn die angefochtene Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt hat, wenn sich also mit anderen Worten die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 15. November 2018 – IX ZR 229/17, WM 2019, 213 Rn. 11 mwN; st. Rspr.). Ein solcher Fall ist hier gegeben, weil die angefochtenen Zahlungen das den Insolvenzgläubigern haftende Vermögen der Schuldnerin verringert haben.

b) Die gläubigerbenachteiligende Wirkung der Beitragszahlungen ist nicht dadurch teilweise aufgehoben worden, dass der Beklagte zeitlich nach den jeweiligen Beitragszahlungen der Schuldnerin Urlaubsvergütungen im Gesamtbetrag von 19.457,30 € erstattete.

aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist der Eintritt einer Gläubigerbenachteiligung isoliert mit Bezug auf die konkret angefochtene Minderung des Aktivvermögens zu beurteilen. Eine Vorteilsausgleichung nach schadensrechtlichen Grundsätzen findet im Anfechtungsrecht nicht statt. Sie würde dem Zweck des Insolvenzanfechtungsrechts, die Insolvenzmasse zu schützen, widersprechen. Eine Gläubigerbenachteiligung entfällt nicht deshalb, weil die anzufechtende Rechtshandlung in Zusammenhang mit anderen Ereignissen der Insolvenzmasse auch Vorteile gebracht hat. Als Vorteil der Masse sind nur solche Folgen zu berücksichtigen, die an die angefochtene Rechtshandlung selbst anknüpfen (BGH, Urteil vom 2. Juni 2005 – IX ZR 263/03, WM 2005, 1712, 1713; vom 20. Juli 2006 – IX ZR 226/03, WM 2006, 1731 Rn. 14; vom 12. Juli 2007 – IX ZR 235/03, WM 2007, 2071 Rn. 11; vom 16. November 2007 – IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228 Rn. 18; vom 9. Juli 2009 – IX ZR 86/08, WM 2009, 1750 Rn. 36 f; vom 8. Oktober 2009 – IX ZR 173/07, WM 2009, 2229 Rn. 17; vom 11. März 2010 – IX ZR 104/09, WM 2010, 772 Rn. 10; vom 26. April 2012 – IX ZR 146/11, WM 2012, 1131 Rn. 30 f; vom 22. Oktober 2015 – IX ZR 248/14, WM 2015, 2251 Rn. 18; vom 28. Januar 2016 – IX ZR 185/13, WM 2016, 427 Rn. 17). Die erforderliche Verknüpfung kann gegeben sein, wenn der Anfechtungsgegner im Anschluss an den Empfang der Leistung des Schuldners die vertraglich vereinbarte, ausgleichende Gegenleistung erbringt (BGH, Urteil vom 6. April 1995 – IX ZR 61/94, BGHZ 129, 236, 240; vom 13. März 2003 – IX ZR 64/02, BGHZ 154, 190, 195; vom 12. Juli 2007 – IX ZR 235/03, WM 2007, 2071 Rn. 11; vom 28. Januar 2016 – IX ZR 185/13, ZIP 2016, 426 Rn. 18 ff; vom 9. Juni 2016 – IX ZR 153/15, WM 2016, 1455 Rn. 17; vgl. Bitter, KTS 2016, 455 ff). Erhält der Schuldner etwas, das zwar keine Gegenleistung darstellt, sich aber in anderer Weise als Vorteil erweist, kommt es darauf an, ob der Vorteil unmittelbar mit der angefochtenen Rechtshandlung zusammenhängt (BGH, Urteil vom 12. Juli 2007, aaO).

bb) Nach diesen Grundsätzen sind die vom Beklagten erstatteten Urlaubsvergütungen in Höhe von insgesamt 19.457,30 € bei der Beurteilung, ob die Beitragszahlungen der Schuldnerin eine Benachteiligung ihrer Gläubiger bewirkt haben, nicht zu berücksichtigen.

Zwar spricht Einiges dafür, die Erstattungsleistungen des Beklagten als Gegenleistung für die Beitragszahlungen anzusehen. Vergleichbar einem Versicherungsvertrag, bei dem die Pflicht des Versicherungsnehmers zur Zahlung der Versicherungsprämie in einem Gegenseitigkeitsverhältnis zu der durch den Eintritt des Versicherungsfalls bedingten Leistungspflicht des Versicherers steht (vgl. Prölss/Martin/Armbrüster, VVG, 30. Aufl., § 1 Rn. 150; MünchKommVVG/Looschelders, 2. Aufl., § 1 Rn. 72 f; Hk-VVG/Brömmelmeyer, 3. Aufl., § 1 Rn. 34 ff; vgl. auch MünchKomm-InsO/Huber, 3. Aufl., § 103 Rn. 118; zum Verhältnis zwischen Prämienzahlung und Rückkaufswert vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2011 – IX ZR 79/11, WM 2012, 46 Rn. 23), steht auch nach den Regelungen des Tarifvertrags über das Verfahren über den Urlaub und die Zusatzversorgung im Maler- und Lackiererhandwerk der Beitragspflicht des Arbeitgebers die Verpflichtung der Urlaubskasse zur Erstattung der Urlaubsvergütung gegenüber. Eine Verknüpfung zwischen Beitragszahlung und Erstattungsleistung besteht zudem durch die Regelung in § 7 Nr. 3 VTV (in seiner in den Jahren 2011 bis 2013 geltenden Fassung). Danach hat der Arbeitgeber nur Anspruch auf Erstattung von Urlaubsvergütung, wenn sein Beitragskonto bei der Urlaubskasse im Zeitpunkt der Geltendmachung des Anspruches ausgeglichen ist. Diese Regelung begründet, wie das Bundesarbeitsgericht für die vergleichbare Regelung in § 18 Abs. 5 des Tarifvertrags über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe entschieden hat, bei nicht vollständiger Erfüllung der Beitragspflicht ein Hindernis für die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs (BAG, Urteil vom 14. Dezember 2011 – 10 AZR 517/10, AP Nr. 338 zu TVG § 1 Tarifverträge: Bau, Rn. 27 mwN).

Gleichwohl knüpfen die Erstattungsleistungen des Beklagten nicht in einer Weise an die Beitragszahlungen der Schuldnerin an, die es rechtfertigen könnte, die infolge der Beitragszahlungen eingetretene Gläubigerbenachteiligung im Umfang der Erstattungen als aufgehoben zu betrachten. Nach dem Tarifvertrag hat der Arbeitgeber an die Urlaubskasse monatliche Beiträge zu entrichten, deren Höhe sich nach der Anzahl der jeweils beschäftigten Arbeitnehmer und deren Bruttolohnsumme richtet (§ 5 VTV). Einen Anspruch auf Erstattung von Urlaubsvergütung hat der Arbeitgeber, wenn er einem Arbeitnehmer Urlaub gewährt, ihm die Urlaubsvergütung auszahlt, seine Erstattungsforderung mittels der von der Urlaubskasse zur Verfügung gestellten Unterlagen geltend macht und sein Beitragskonto ausgeglichen ist (§ 7 VTV). Es handelt sich somit um ein Dauerschuldverhältnis, in dem der Arbeitgeber mit den Beiträgen ständig wiederkehrende Leistungen zu erbringen hat, die von weiteren Voraussetzungen unabhängig und insbesondere auch dann geschuldet sind, wenn keine Erstattungsansprüche im Raum stehen. Die Beitragszahlung begründet den Erstattungsanspruch nicht noch macht sie ihn fällig. Die Leistungspflicht der Urlaubskasse knüpft vielmehr an die Gewährung von Urlaub und die Zahlung von Urlaubsvergütung durch den Arbeitgeber an und kann in einem größeren zeitlichen Abstand zu den Beitragszahlungen entstehen. Lediglich die Durchsetzung des Erstattungsanspruchs ist ausgeschlossen, solange das Beitragskonto nicht ausgeglichen ist. Einen den Vermögensabfluss ausgleichenden Vorteil begründet die Beitragszahlung selbst daher nicht.

cc) Etwas Anderes ergibt sich nicht daraus, dass der Senat im Fall einer Verrechnung der Beitragsforderung einer Urlaubskasse mit dem Anspruch des Arbeitgebers auf Erstattung von Urlaubsvergütungen eine Gläubigerbenachteiligung verneint hat (BGH, Beschluss vom 3. Mai 2018 – IX ZR 150/16, WM 2018, 1063 Rn. 6; vom 3. Mai 2018 – IX ZR 151/16, NZI 2018, 527 Rn. 6). Die durch die Verrechnung erloschenen Erstattungsansprüche waren für die Gläubiger des Schuldners ohne Wert, solange der Schuldner mit Beitragszahlungen in entsprechender Höhe im Rückstand war. Anders verhält es sich bei der Anfechtung von Beitragszahlungen. Die Zahlungen mindern das den Gläubigern haftende Vermögen des Schuldners und es stellt sich nur die vorstehend erörterte Frage, ob anschließende Erstattungsleistungen die dadurch eingetretene Benachteiligung entfallen lassen.

3. Die weitere Beurteilung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe die angefochtenen Zahlungen mit dem Vorsatz erbracht, ihre Gläubiger zu benachteiligen, ist hingegen nicht frei von Rechtsfehlern.

a) Der Tatrichter hat die subjektiven Voraussetzungen der Vorsatzanfechtung nach § 133 Abs. 1 InsO gemäß § 286 ZPO unter Würdigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu prüfen. Dabei hat er die in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entwickelten Beweisanzeichen zu berücksichtigen (vgl. BGH, Urteil vom 13. August 2009 – IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 8 mwN). Die revisionsrechtliche Kontrolle der dem Tatrichter obliegenden Gesamtwürdigung beschränkt sich darauf, ob dieser sich entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Prozessstoff umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat, die Beweiswürdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstößt (BGH, Urteil vom 14. September 2017 – IX ZR 3/16, NZI 2018, 114 Rn. 9; vom 18. Januar 2018 – IX ZR 144/16, WM 2018, 433 Rn. 12; vom 12. April 2018 – IX ZR 88/17, WM 2018, 958 Rn. 15; st. Rspr.). Einer solchen Überprüfung hält die Würdigung des Berufungsgerichts nicht stand. Das Berufungsgericht hat maßgebliche Umstände außer Betracht gelassen.

b) Mit Recht ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass ein starkes Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin gegeben ist, wenn die Schuldnerin wusste, dass sie zum Zeitpunkt der angefochtenen Zahlungen zahlungsunfähig war. Ist der Schuldner zahlungsunfähig und ist ihm dies bewusst, kann regelmäßig von einem Benachteiligungsvorsatz des Schuldners ausgegangen werden, weil er weiß, dass er nicht sämtliche Gläubiger befriedigen kann (BGH, Urteil vom 7. September 2017 – IX ZR 224/16, WM 2017, 1910 Rn. 23 mwN; st. Rspr.). Das Berufungsgericht ist unter eingehender Würdigung des Zahlungsverhaltens der Schuldnerin gegenüber dem Beklagten ab dem Jahr 2010, insbesondere der vielfachen Rückstände, der vom Beklagten durchgesetzten Titulierungen, aber auch unter Berücksichtigung der vom Beklagten mehrfach erstatteten Urlaubsvergütungen und des kurzfristigen Ausgleichs des Beitragskontos am Ende des Jahres 2011 zu der Überzeugung gelangt, dass die Schuldnerin ihre Zahlungen spätestens zum Zeitpunkt der ersten angefochtenen Zahlung am 11. August 2011 eingestellt hatte und deshalb nach § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO ihre Zahlungsunfähigkeit anzunehmen war. Entgegen der Ansicht der Revision bedurfte es hierfür nicht der Feststellung, dass zum Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlungen noch weitere Gläubiger mit offenstehenden Forderungen gegen die Schuldnerin vorhanden waren. Für die Annahme einer Zahlungseinstellung kann es ausreichen, wenn die Zahlungseinstellung aufgrund der Nichtbezahlung nur einer – nicht unwesentlichen – Forderung gegenüber einer einzigen Person erkennbar wird (BGH, Urteil vom 27. April 1995 – IX ZR 147/94, WM 1995, 1113, 1115; vom 20. November 2001 – IX ZR 48/01, BGHZ 149, 178, 185; vom 30. Juni 2011 – IX ZR 134/10, WM 2011, 1429 Rn. 12).

c) Entgegen der Ansicht der Revision ist ein auf eine Gläubigerbenachteiligung gerichteter Vorsatz der Schuldnerin nicht unter dem Gesichtspunkt eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustauschs ausgeschlossen. Nach der hierzu ergangenen Rechtsprechung des Senats handelt der Schuldner in Fällen kongruenter Leistungen trotz der Indizwirkung einer erkannten Zahlungsunfähigkeit ausnahmsweise nicht mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, wenn er seine Leistung Zug um Zug gegen eine zur Fortführung seines Unternehmens unentbehrliche Gegenleistung erbracht hat, die den Gläubigern im Allgemeinen nutzt (BGH, Urteil vom 4. Mai 2017 – IX ZR 285/16, WM 2017, 1221 Rn. 7 mwN; Beschluss vom 27. September 2018 – IX ZR 313/16, WM 2018, 2097 Rn. 3). Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass eine Betriebsfortführung regelmäßig für die Gläubiger von Nutzen ist. Gleiches hat dann für Leistungen zu gelten, welche für die Fortführung des Betriebs notwendig sind und diese deshalb erst ermöglichen. Unentbehrlich in diesem Sinne sind etwa die zur Produktion notwendigen Rohstoffe (BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – IX ZR 180/12, WM 2015, 591), die von einem Bauunternehmer benötigten Bauteile (BGH, Urteil vom 17. Juli 2014 – IX ZR 240/13, WM 2014, 1588), die von einem Händler benötigte Handelsware (BGH, Urteil vom 4. Mai 2017, aaO), die Arbeitsleistung der Arbeitnehmer (BAGE 153, 163) oder die Möglichkeit, die Betriebsräume zu nutzen (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2015 – IX ZR 61/14, WM 2016, 172). Um solche zur Fortführung des Betriebs notwendige Leistungen handelte es sich bei den Erstattungsleistungen des Beklagten nicht. Auf die weitere von der Revision aufgeworfene Frage, ob die Rechtsprechung zum bargeschäftsähnlichen Leistungsaustausch nur auf vertragliche Austauschverhältnisse anwendbar ist (vgl. dazu BGH, Urteil vom 10. Juli 2014 – IX ZR 280/13, WM 2014, 1868 Rn. 24), kommt es nicht an.

d) Das Berufungsgericht hat aber außer Acht gelassen, dass die indizielle Bedeutung der erkannten Zahlungsunfähigkeit für das Vorliegen eines Benachteiligungsvorsatzes der Schuldnerin aus anderen Gründen gemindert sein kann. Erbringt ein Schuldner, der seine Zahlungsunfähigkeit kennt, eine Leistung in der berechtigten Annahme, dadurch eine Gegenleistung in sein Vermögen zu veranlassen, kann ihm eine gleichwohl eingetretene Gläubigerbenachteiligung verborgen geblieben sein, auch wenn die Voraussetzungen eines bargeschäftsähnlichen Leistungsaustauschs nicht gegeben sind. Im Streitfall zahlte die Schuldnerin tarifvertraglich geschuldete Beiträge an die beklagte Urlaubskasse im Bewusstsein, dadurch eine zwingende rechtliche Voraussetzung für die Durchsetzung von Erstattungsansprüchen gegen den Beklagten zu schaffen. Hindernisse, die bei ausgeglichenem Beitragskonto einer Leistung des Beklagten entgegenstanden, sofern die weiteren Anspruchsvoraussetzungen gegeben waren, waren nicht zu erkennen. Wenn die Schuldnerin zum Zeitpunkt der jeweiligen Beitragszahlung annehmen konnte, dass ein vollständiger Ausgleich des Beitragskontos zu erreichen war und es tatsächlich zu Erstattungsleistungen des Beklagten kommen würde, kann ihr im Umfang der zu erwartenden Vermögenszuflüsse das Bewusstsein einer Gläubigerbenachteiligung gefehlt haben.

4. Auch die Würdigung des Berufungsgerichts, der Beklagte habe einen Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin erkannt, beruht auf Rechtsfehlern.

a) Anders als die Revision meint, waren allerdings Feststellungen zu anderen Gläubigern, deren Forderungen von der Schuldnerin nicht beglichen wurden, nicht erforderlich, um die Überzeugung zu gewinnen, dass der Beklagte den Benachteiligungsvorsatz der Schuldnerin erkannt hatte. Die Kenntnis des Benachteiligungsvorsatzes wird gemäß § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte. Kennt der Anfechtungsgegner die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, so weiß er auch, dass Leistungen aus dessen Vermögen die Befriedigungsmöglichkeiten anderer Gläubiger in der Regel vereiteln oder zumindest erschweren und verzögern (BGH, Urteil vom 6. Juli 2017 – IX ZR 178/16, WM 2017, 1709 Rn. 14). Die Kenntnis von zumindest drohender Zahlungsunfähigkeit indiziert deshalb regelmäßig das im Rahmen des § 133 Abs. 1 Satz 2 InsO geforderte Wissen von der Benachteiligung anderer Gläubiger. Mit dem Vorhandensein weiterer Gläubiger mit ungedeckten Ansprüchen muss ein Gläubiger jedenfalls dann rechnen, wenn der Schuldner – wie im Streitfall – gewerblich tätig ist (BGH, Urteil vom 13. August 2009 – IX ZR 159/06, WM 2009, 1943 Rn. 14; vom 4. Mai 2017 – IX ZR 285/16, WM 2017, 1221 Rn. 8; vom 22. Juni 2017 – IX ZR 111/14, WM 2017, 1424 Rn. 30 mwN). Konkrete weitere Gläubiger müssen dem Anfechtungsgegner nicht bekannt sein. Soweit die Revision meint, der Beklagte habe wegen branchentypischer Besonderheiten nicht von weiteren Gläubigern mit ungedeckten Ansprüchen ausgehen müssen, etwa weil es Arbeitgeber gebe, welche die Berechtigung der Urlaubskasse grundsätzlich ablehnten oder die Zahlungen wegen der niedrigen tariflichen Verzugszinsen bewusst hinauszögerten, handelt es sich um Umstände, die vom Kläger bestritten wurden und der Entscheidung deshalb nicht zugrunde gelegt werden konnten.

b) Das Berufungsgericht hat jedoch nicht berücksichtigt, dass dem Beklagten die gläubigerbenachteiligende Wirkung der angefochtenen Rechtshandlungen in gleicher Weise wie der Schuldnerin möglicherweise nicht bewusst geworden ist, soweit er beim Empfang der jeweiligen Beitragszahlungen annehmen konnte, es werde durch von ihm zu erbringende Erstattungsleistungen zu einem Ausgleich im Vermögen der Schuldnerin kommen.

III.

Das Urteil des Berufungsgerichts ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht selbst abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 und 3 ZPO). Das Berufungsgericht wird, bezogen auf den Zeitpunkt der angefochtenen Rechtshandlungen, unter Berücksichtigung der aufgezeigten Gesichtspunkte und aufgrund dazu zu treffender ergänzender Feststellungen neu zu beurteilen haben, ob die Schuldnerin mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung handelte und der Beklagte einen solchen Vorsatz kannte.

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Schlagworte: Bargeschäft, Gläubigerbenachteiligung, Gläubigerbenachteiligungsvorsatz, Zahlungsunfähigkeit