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BGH, Urteil vom 18. Juni 1984 – II ZR 221/83

§ 626 Abs 2 BGB, § 40 GenG, § 242 BGB

a) Es ist widersprüchlich, wenn das Berufungsgericht einerseits das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur Kündigung des Dienstverhältnisses unterstellt, andererseits aber zu dem Ergebnis kommt, daß der Beklagten die Fortsetzung des Dienstverhältnisses zugemutet werden könne. Das Vorliegen eines wichtigen Grundes zur fristlosen Kündigung setzt nach § 626 Abs. 1 BGB notwendig voraus, daß dem Kündigenden die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zu einem ordentlichen Ablauf nicht zugemutet werden kann (Sen.Urt. v. 21.4.1975 – II ZR 2/73, WM 1975, 761). Dieser Widerspruch würde allerdings den Bestand des Berufungsurteils nicht berühren, wenn es sich nur um eine fehlerhafte Ausdrucksweise handeln würde und das Berufungsgericht in der Sache das Vorliegen eines wichtigen Grundes aufgrund der nach § 626 Abs. 1 BGB gebotenen Interessenabwägung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles verneint hätte. Eine solche umfassende Würdigung hat das Berufungsgericht jedoch nicht vorgenommen. Hierzu hätte es einer Prüfung bedurft, inwieweit die gegen den Kläger erhobenen Vorwürfe zutrafen und welches Gewicht den festgestellten Fehlleistungen des Klägers für die Frage zukam, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers zuzumuten war. Ohne eine solche Prüfung durfte das Berufungsgericht nicht davon ausgehen, daß der Beklagten eine Weiterbeschäftigung des Klägers jedenfalls mit eingeschränkten Vorstandsaufgaben zuzumuten war. Je nach dem Ausmaß etwaiger unternehmerischer Fehlleistungen des Klägers kann dessen Eignung auch für eingeschränkte Vorstandsaufgaben beeinträchtigt und die Vertrauensbasis zwischen den Parteien insoweit zerrüttet sein. Bei der Prüfung der Frage, ob der Beklagten die Weiterbeschäftigung des Klägers mit einem eingeschränkten Aufgabenbereich zumutbar ist, muß im übrigen auch der Umstand berücksichtigt werden, daß die Vergütung des Klägers die gesamte Geschäftsführungstätigkeit abgelten sollte und im Falle einer Weiterbeschäftigung des Klägers mit eingeschränktem Aufgabenbereich die Beschäftigung eines weiteren geschäftsführenden Vorstandsmitglieds neben dem Kläger erforderlich wird, aus der der Beklagten zusätzliche Kosten entstehen. Da eine ordentliche Kündigung des Dienstverhältnisses vertraglich ausgeschlossen ist, handelt es sich dabei um eine Kostenbelastung auf Dauer (vgl. zur Bedeutung dieses Umstands Senatsurteil vom 21. April 1975 aaO S. 761 f). Aus der „Größe des Unternehmens“ kann die Zumutbarkeit einer solchen Kostenbelastung nicht ohne weiteres hergeleitet werden, wenn die Aufgaben der Geschäftsführung nach den gegebenen Verhältnissen auch allein durch ein (qualifiziertes) geschäftsführendes Vorstandsmitglied in angemessener Weise erfüllt werden können.

b) Bei der Genossenschaft beginnt die Zweiwochenfrist des BGB § 626Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Abs 2 für die Kündigung eines Vorstandsmitglieds grundsätzlich erst, wenn die Generalversammlung Kenntnis von den Kündigungstatsachen erhält.

c) Die Genossenschaft muß sich jedoch so behandeln lassen, als ob die Generalversammlung bereits informiert wäre, sofern der Aufsichtsrat diese nicht in angemessen kurzer Zeit einberuft, nachdem er selbst jene Kenntnis erlangt hat.

d) Der Aufsichtsrat verzögert die Einberufung der Generalversammlung regelmäßig nicht unangemessen, wenn er zunächst den Versuch macht, eine einvernehmliche Trennung der Genossenschaft von dem zu kündigenden Vorstandsmitglied zu erreichen.

e) Auf die Kenntnis einer Minderheit der Genossen, die die Einberufung der Generalversammlung verlangen könnte, kommt es für den Lauf der Frist BGB § 626Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Abs 2 nicht an.

f) Der Kläger macht geltend, daß er vor der beabsichtigten Kündigung nicht ausreichend zu den Kündigungsgründen gehört worden sei. Es kann dahingestellt bleiben, ob dies im Hinblick auf die Verhandlungen des Aufsichtsrats der Beklagten mit dem Kläger, die dem Kündigungsbeschluß vorausgegangen sind, zutrifft. Die Anhörung des Kündigungsgegners ist zur Wirksamkeit der Kündigung nicht erforderlich (Sen.Urt.v. 4.7.1960 – II ZR 168/58, WM 1960, 859; Palandt/Putzo, BGB 43. Aufl. § 626 Anm. 2 f m.w.N.).

 

Schlagworte: Abwägung der Interessen beider Vertragsteile, Anderweitige Erwerbstätigkeit möglich, Anhörung vor Abberufung, Außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages, Erklärungsfrist, Fortsetzung des Dienstverhältnisses unzumutbar, Grundsätzlich keine Anhörung vor Kündigung, Kündigungsgrund, Maßgeblicher Kenntnisträger, Tatsachen, Weiterbeschäftigungsmöglichkeit an anderer Stelle