§ 43 Abs 2 GmbHG, § 64 Abs 2 GmbHG
Soweit eine GmbH ihren Geschäftsführer, der verspätet Konkurs angemeldet hat, nicht aus GmbHG § 64 Abs 2, sondern aufgrund der allgemeinen Haftungsbestimmung des GmbHG § 43 Abs 2 in Anspruch nimmt, muß sie sich das Einverständnis aller GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einverständnis aller Gesellschafter
Gesellschafter
mit dem Aufschub des Konkursantrags entgegenhalten lassen.
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 29. November 1971 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die Beklagte war alleinige Geschäftsführerin der Wilhelm H GmbH, die einen Großhandel mit Obst betrieb. Am Stammkapital von 20.000 DM waren die Beklagte mit 14.000 DM und der inzwischen verstorbene Gesellschafter S mit 6.000 DM beteiligt. Über das Vermögen der Gesellschaft wurde am 25. November 1970 das Konkursverfahren eröffnet. Der Kläger ist der Konkursverwalter.
Die Bilanzen der Gesellschaft schlossen für das Jahr 1967 mit einem Verlust von 52.841,16 DM, für das Jahr 1968 mit einem weiteren Verlust von 86.685,12 DM und für das Jahr 1969 mit einem neuen Verlust von 52.711,08 DM ab. Der Gesamtverlust zum 31. Dezember 1969 betrug danach 192.237,36 DM. Bis zur Konkurseröffnung erhöhte sich der Verlust um mindestens weitere 97.318 DM.
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe eines Teilbetrages von 30.000 DM in Anspruch, weil sie es pflichtwidrig und schuldhaft versäumt habe, nach Aufstellung der Bilanz zum 31. Dezember 1967 alsbald Konkurs anzumelden, und infolgedessen die damals schon erkennbare Überschuldung der Gesellschaft erheblich weiter angewachsen sei.
Die Beklagte hat eingewandt, der eigentliche Leiter des Unternehmens sei ihr Mitgesellschafter S gewesen. Dieser habe in Erwartung günstiger Geschäfte einer Konkursanmeldung widersprochen. Tatsächlich habe schon ein einziges Geschäft Mitte 1969 einen Verdienst von über 150.000 DM erbracht, wodurch der Verlust des Vorjahres im wesentlichen ausgeglichen gewesen sei. Allerdings seien dann neue Verluste zu verzeichnen gewesen. Im übrigen habe sie seit Eintritt der Verschuldung keine Zahlungen geleistet, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns unvereinbar gewesen seien.
Landgericht und Oberlandesgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, möchte die Beklagte die Abweisung der Klage erreichen.
Das Berufungsgericht hält die Beklagte „aufgrund des § 43 Abs. 2 GmbHG in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG“ für schadensersatzpflichtig, weil sie nicht rechtzeitig die Eröffnung des Konkursverfahrens über das Vermögen der Wilhelm H GmbH beantragt habe und infolgedessen die Schuldenlast des Unternehmens erheblich weiter angestiegen sei. Dabei geht es davon aus, daß § 64 Abs. 2 GmbHG die Verantwortlichkeit des Geschäftsführers bei Verletzung der Konkursantragspflicht nach § 64 Abs. 1 GmbHG nicht erschöpfend regele, sondern daneben noch eine Haftung nach § 43 Abs. 2 GmbHG in Betracht komme. Hieran ist richtig, daß die den Fall verzögerter Konkursanmeldung besonders regelnde Vorschrift des § 64 Abs. 2 GmbHG eine Inanspruchnahme der Geschäftsführer nach § 43 Abs. 2 GmbHG nicht ausschließt.
§ 64 Abs. 2 GmbHG, wonach die Geschäftsführer der Gesellschaft Zahlungen zu ersetzen haben, die nach Eintritt ihrer Zahlungsunfähigkeit oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden und nicht nachweislich mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns vereinbar sind, begründet einen Ersatzanspruch eigener Art (vgl. zur entsprechenden aktienrechtlichen Regelung RGZ 159, 211, 228 ff), der sich nach Ziel und Inhalt von dem allgemeinen Schadensersatzanspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG unterscheidet. Obwohl auch der Ersatzanspruch nach § 64 Abs. 2 GmbHG allein der Gesellschaft zusteht (anders § 93 Abs. 5 AktG), handelt es sich bei ihm der Sache nach um eine Haftung gegenüber der Gläubigergesamtheit, die bei verspäteter Konkursanmeldung durch eine Verminderung der Konkursmasse infolge zwischenzeitlicher Befriedigung einzelner Gläubiger benachteiligt ist, wogegen die Gesellschaft selbst keinen Schaden erleidet, soweit lediglich ihre Schulden bezahlt werden (Schmidt in Hachenburg, GmbHG 6. Aufl. § 64 Anm. 9; Scholz, GmbHG 5. Aufl. § 64 Rn. 8). Zur Begründung des Anspruchs braucht die Gesellschaft im Fall des Konkurses lediglich darzulegen, daß ein zwischen Konkursreife und Konkursantrag gezahlter Betrag in der Konkursmasse fehlt. Jedoch kann sich der Geschäftsführer, abgesehen von dem Sorgfaltsbeweis nach § 64 Abs. 3 Satz 2 GmbHG, auch durch den Nachweis entlasten, daß ein Gegenwert in das Gesellschaftsvermögen gelangt und dort voll erhalten geblieben ist (Schmidt aaO § 64 Anm. 9, 10; Scholz aaO Rn. 8; vgl. auch RGZ 159, 211, 230).
Demgegenüber regelt § 43 Abs. 2 GmbHG allgemein die Haftung der Geschäftsführer bei Verletzung ihrer Pflichten aus dem zwischen ihnen und der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnis. Maßgebend ist hier – abgesehen von den Sonderfällen des § 43 Abs. 3 GmbHG – das Interesse der Gesellschaft und nicht der Schutz der Gläubiger (ebenso zu der entsprechenden aktienrechtlichen Vorschrift – jetzt § 93 Abs. 2 AktG – RGZ 159, 211, 224). Die Haftung setzt eine Verletzung der Pflicht, die Geschäfte der Gesellschaft mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes zu führen (§ 43 Abs. 1 GmbHG), sowie den von der Gesellschaft zu erbringenden Nachweis voraus, daß ihr durch diese Pflichtverletzung ein Schaden entstanden ist. Das Berufungsgericht sieht hierfür einen Verstoß gegen § 64 Abs. 1 GmbHG in Verbindung mit der Tatsache als ausreichend an, daß seit dem Zeitpunkt, in dem der Geschäftsführer den Konkurs hätte beantragen können und müssen, die Überschuldung der Gesellschaft zugenommen hat (ebenso anscheinend RGZ 161, 129, 133, 142; Schmidt aaO § 64 Anm. 12; Scholz aaO § 64 Rn 12; a. M. Brodmann, GmbHG 2. Aufl. § 64 Anm. 4 d). Ob dies richtig ist, könnte zweifelhaft sein, weil § 64 GmbHG die rechtzeitige Konkursanmeldung zwar als eine Pflicht gegenüber der Gesellschaft behandelt, die Folgen einer Verletzung dieser Pflicht aber im Interesse der Gläubiger besonders regelt; nach Zusammenhang und Zweck der Regelung liegt daher nicht ohne weiteres der Schluß nahe, eine Verzögerung des Konkursantrags müsse stets zugleich einen gegenüber der Gesellschaft begangenen Verstoß gegen die Pflichten eines ordentlichen Geschäftsführers im Sinne von § 43 Abs. 2 GmbHG bedeuten, so daß die Gesellschaft hier der Notwendigkeit enthoben wäre, einen solchen Verstoß noch im Einzelfall nachzuweisen.
Der Senat braucht diese Frage jedoch nicht zu entscheiden, weil es dem Kläger nach dem bisherigen Sach- und Streitstand ohnehin verwehrt ist, sich außerhalb der besonderen Regelung des § 64 Abs. 2 GmbHG gegenüber der Beklagten auf die Verzögerung des Konkursantrags zu berufen. Gesellschafter der Wilhelm H GmbH waren in dem hier maßgebenden Zeitpunkt die Beklagte und S. Nach dem Vortrag der Beklagten, den der Kläger insoweit nicht ausdrücklich bestritten hat (§ 138 Abs. 3 ZPO; vgl. Schriftsätze der Beklagten v. 2. 8. 1971 S. 2, 3, 7 und des Klägers v. 20. 10. 1971 S. 2) und von dem auch das Berufungsgericht ausgeht (BU 5/6), hat S als der im Innenverhältnis „die maßgeblichen geschäftlichen Schritte bestimmende“ Gesellschafter darauf bestanden, daß ungeachtet der in den Jahren 1967 bis 1969 aufgetretenen Verluste das Geschäft weitergeführt wurde; dem hat sich die Beklagte gefügt. Der Aufschub der Konkursanmeldung beruhte hiernach auf dem Einvernehmen aller Gesellschafter. Das Berufungsgericht hält dies für unerheblich, weil eine solche Entscheidung im Hinblick auf § 64 Abs. 1 GmbHG gesetzwidrig gewesen sei. Diese Erwägung trifft jedoch nicht zu, soweit die Beklagte nach § 43 Abs. 2 GmbHG haften soll.
Richtig ist allerdings, daß ein Geschäftsführer Weisungen der Gesellschafter nicht zu beachten braucht und nicht beachten darf, die gegen zwingende, im öffentlichen Interesse oder zum Schutz der Gläubiger erlassene Vorschriften verstoßen. Liegt ein solcher Verstoß vor, so kann sich der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Geschäftsführer im allgemeinen nicht damit entlasten, er habe sich einem Beschluß der Gesellschafterversammlung gebeugt oder die Gesellschafter hätten das gesetzwidrige Verhalten sonstwie gefordert oder gebilligt (Baumbach/Hueck, GmbHG 13. Aufl. § 43 Anm. 3 B; vgl. auch § 93 Abs. 4 Satz 1, § 241 Nr. 3 AktG). Insofern ist die Verfügungsmacht der Gesellschafter über das wirtschaftlich ihnen gehörige Gesellschaftsvermögen zum Schutz übergeordneter Interessen eingeschränkt.
Das gilt aber nur, soweit der Schutzbereich des Gesetzes geht. Nach ausdrücklicher Bestimmung des § 64 Abs. 2 Satz 3 in Verbindung mit § 43 Abs. 3, § 9 Abs. 2 GmbHG heben ein Gesellschafterbeschluß oder ein Verzicht der Gesellschaft, abgesehen von den hier nicht in Betracht kommenden Fällen der §§ 9 Abs. 1, 30, 33 GmbHG, die Haftung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Haftung
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nicht auf, wenn er gemäß § 64 Abs. 2 GmbHG Zahlungen erstatten soll, die nach Verletzung der Konkursantragspflicht geleistet wurden; einen solchen Anspruch hat der Kläger zwar ebenfalls geltend gemacht, doch ist das Berufungsurteil nicht auf diesen Klagegrund gestützt. Wie aber ein Gegenschluß aus § 43 Abs. 3, § 64 Abs. 2 Satz 3 GmbHG ergibt, stehen der Gesellschaft außerhalb der dort geregelten Haftungstatbestände Ersatzansprüche gemäß § 43 Abs. 2 GmbHG gegen den Geschäftsführer grundsätzlich nicht zu, wenn dieser einen (unanfechtbar gewordenen) Gesellschafterbeschluß oder eine Weisung der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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befolgt hat oder der einzige Gesellschafter ist (BGHZ 31, 258, 278). Das gilt selbst bei Verstößen gegen eine gesetzliche Vorschrift wie die des § 64 Abs. 1 GmbHG jedenfalls dann, wenn alle Gesellschafter sich einig gewesen sind, also auch für den hier in Frage kommenden Fall, daß in einer Zweimann-GmbH ein Geschäftsführer-Gesellschafter in Übereinstimmung mit dem anderen Gesellschafter gehandelt hat und hierdurch beide sich wirtschaftlich selber geschädigt haben. In einem solchen Fall muß sich die Gesellschaft die Weisung oder das Einverständnis ihrer Gesellschafter mit der Folge zurechnen lassen, daß einer Inanspruchnahme des Geschäftsführers der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegensteht (Immenga, GmbHRdsch 1973, 5, 7f; Konow, GmbHRdsch 1968, 219 f).
Das Berufungsurteil kann demnach mit der bisherigen Begründung nicht bestehenbleiben. Die Sache ist zur erneuten tatrichterlichen Würdigung, gegebenenfalls unter dem noch nicht erörterten Gesichtspunkt des § 64 Abs. 2 GmbHG, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Schlagworte: Einverständnis aller Gesellschafter, GmbHG § 64 Satz 1, GmbHG § 64 Satz 3, Haftung nach § 43 GmbHG, Haftung nach § 64 Satz 3 GmbHG, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Verhältnis zu § 64 Satz 1 GmbHG, Zahlungen nach Insolvenzreife § 64 Satz 1 GmbHG