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BGH, Urteil vom 18. Oktober 1993 – II ZR 255/92

§ 826 BGB

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann ein besonders leichtfertiges – und damit sittenwidriges – Verhalten den Schluß rechtfertigen, daß der Schaden nicht nur grob fahrlässig, sondern mit bedingtem Vorsatz herbeigeführt worden ist; denn da es sich hierbei um innere Vorgänge handelt, läßt sich ein bedingter VorsatzBitte wählen Sie ein Schlagwort:
bedingter Vorsatz
Vorsatz
oft nur durch den Beweis erbringen, der Schädiger habe so leichtfertig gehandelt, daß er eine Schädigung des anderen in Kauf genommen haben müsse (BGH, Urt. v. 5. März 1975 – VIII ZR 230/73, WM 1975, 559, 560 m.w.N.; Sen.Urt. v. 14. April 1986 – II ZR 123/85, WM 1986, 904, 906; vgl. auch OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
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, WM 1989, 1239, 1240 f.). Das angefochtene Urteil läßt nicht erkennen, daß das Berufungsgericht diese Grundsätze berücksichtigt hat. Es läßt sich nicht von vornherein ausschließen, daß es, wenn es dies getan hätte, zu einer anderen Würdigung gekommen wäre. Sie muß deshalb vom Tatrichter wiederholt werden. Bei ihr wird auch zu fragen sein, ob der Beklagte sich ebenso blind auf die angeblichen Erfahrungen und Verbindungen S.’s verlassen hätte, wenn er nicht als Geschäftsführer einer GmbH, sondern im eigenen Namen und deshalb mit dem Risiko gehandelt hätte, notfalls selbst für die Forderungen der Klägerin einstehen zu müssen.

Ein Vertreter kann für ein ihm anzulastendes vorvertragliches Verschulden ausnahmsweise selbst haften, wenn er besonderes persönliches Vertrauen für sich in Anspruch genommen hat. Das setzt voraus, daß er dem Verhandlungspartner eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Erklärungen geboten hat, die für den Willensentschluß des anderen Teils bedeutsam geworden ist (Sen.Urt. v. 1. Juli 1991 – II ZR 180/90, GmbHR 1991, 409, 411). Die Revision meint, dies sei hier deswegen so gewesen, weil der Beklagte der Klägerin gegenüber mit der Reputation als „ausgewiesener Werbefachmann mit guten kaufmännischen Erfahrungen“ hervorgetreten sei. Soweit das zutrifft, genoß er diesen Ruf indessen ausschließlich in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der GmbH; nur dieser ist er deshalb, soweit es um vertragliche oder vorvertragliche Ansprüche geht, zuzurechnen. Dem Prozeßstoff ist nicht zu entnehmen, daß der Beklagte darüber hinaus eine zusätzliche, von ihm persönlich ausgehende Gewähr für die Seriosität und die ordnungsgemäße Abwicklung des Geschäfts geboten hätte (vgl. dazu BGH, Urt. v. 3. Oktober 1989 – XI ZR 157/88, ZIP 1989, 1455, 1457 und v. 29. Januar 1992 – VIII ZR 80/91, WM 1992, 699, 701).

Das wirtschaftliche Eigeninteresse, das der Gesellschafter einer GmbH aufgrund seiner Beteiligung an der Gesellschaft an den von dieser abgeschlossenen Geschäften hat, rechtfertigt es, wie in der Rechtsprechung inzwischen geklärt ist, nicht, ihn für im Zusammenhang damit begründete Schadensersatzverbindlichkeiten wegen Verschuldens bei Vertragsschluß persönlich einstehen zu lassen; denn das würde dem Grundsatz widersprechen, daß für die Schulden der Gesellschaft den Gläubigern nur das Gesellschaftsvermögen haftet (§ 13 Abs. 2 GmbHG; BGH, Urt. v. 23. Oktober 1985 – VIII ZR 210/84, ZIP 1986, 26, 29; vgl. auch Sen.Beschl. v. 1. März 1993 – II ZR 292/91, ZIP 1993, 763, 764). Das verkennt auch die Revision nicht. Sie meint aber unter Berufung auf eine in der Literatur geäußerte Ansicht, dies ändere sich spätestens in dem Zeitpunkt, in dem das Stammkapital der Gesellschaft nicht mehr vorhanden sei (so Roth, GmbHR 1985, 137, 139 ff.). Dieser vereinzelt gebliebenen Auffassung vermag der Senat nicht zu folgen. Es trifft zwar zu, daß die Beschränkung der Haftung auf das Gesellschaftsvermögen ihre Rechtfertigung verloren hat, wenn der Haftungsfonds vollständig verwirtschaftet und die Gesellschaft deshalb zu liquidieren ist. Die daraus zu ziehende Konsequenz besteht aber nicht in der persönlichen Haftung der Gesellschafter, sondern in der Pflicht der Geschäftsführer, durch Konkursanmeldung für eine rechtzeitige Beseitigung der Gesellschaft zu sorgen (Sen.Beschl. v. 1. März 1993 aaO S. 768 m.w.N.). Daß die Gemeinschuldnerin schon bei Abschluß der Verträge mit der Klägerin überschuldet gewesen wäre, hat das Berufungsgericht nicht festgestellt. Die Revision weist zwar darauf hin, daß der Beklagte vorgetragen habe, am 31. Dezember 1989 habe eine Unterdeckung von 244.870,– DM bestanden. Diese soll aber gerade darauf beruht haben, daß den der Klägerin gegenüber eingegangenen Verbindlichkeiten keine Deckung durch die vom Beklagten erwarteten „Sponsorengelder“ gegenübergestanden habe. Bis zum Abschluß der Verträge kann danach von einer Konkursreife nicht ausgegangen werden; es stand auch noch nicht sofort fest, daß die Gesellschaft keine ausreichenden Einnahmen aus den erhofften Werbeverträgen werde erzielen können.

Schlagworte: Abgrenzung bedingter Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, Abschluss risikoreicher Verträge, Bereicherung auf Kosten der Gläubiger, billigend Inkauf nehmen, eigenes wirtschaftliches Interesse, Haftung aus Verschulden bei Vertragsschluss, Haftung nach § 826 BGB, Haftung wegen sittenwidriger Schädigung gemäß § 826 BGB, Inanspruchnahme besonderen Vertrauens, Informationspflicht, Leichtfertigkeit, Offenbarung Vermögenslage, persönliches Verhandlungsvertrauen, Überschuldung, Vorsatz, vorsätzliche Insolvenzverschleppung