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BGH, Urteil vom 18. September 2018 – II ZR 152/17

§ 93 Abs 3 Nr 1 AktG, § 93 Abs 6 AktG, § 116 S 1 AktG, § 200 S 1 BGB 

1. Die Verjährung von Schadensersatzansprüchen einer Aktiengesellschaft gegen ein Aufsichtsratsmitglied gemäß § 116 Satz 1, § 93 Abs. 2, Abs. 6 AktG wegen Verjährenlassens von Ersatzansprüchen der Gesellschaft gegen ein Vorstandsmitglied beginnt gemäß § 200 Satz 1 BGB mit dem Zeitpunkt der Verjährung des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied.

2. Das gilt auch dann, wenn der Ersatzanspruch der Gesellschaft gegen das Vorstandsmitglied darauf beruht, dass dieses Einlagen an das Aufsichtsratsmitglied zurückgewährt hat.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 17. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 7. April 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine börsennotierte AG, die ein Softwareunternehmen betreibt. Der Beklagte erwarb am 2. September 2002 27,4 % des Grundkapitals der zu diesem Zeitpunkt insolvenzreifen Klägerin und war vom 7. Oktober 2002 bis August 2013 Vorsitzender des Aufsichtsrats. Außerdem verfügte er in den Jahren 2005 bis 2011 über die Mehrheit der Stimmrechte in den Hauptversammlungen.

Am 5./6. September 2002 schloss die Klägerin mit ihren finanzierenden Banken, der C.     Bank, der D.      Bank und der Sparkasse M.           , bei denen sie mit Kontokorrentkrediten von über 11 Mio. € im Soll stand, einen Vergleich, der vorsah, dass ein Betrag von 5.589.593,46 € nebst Zinsen bis zum 30. September 2002 zurückgeführt werden sollte und die Banken sich im Gegenzug zum Verzicht auf den Restsaldo und zur Freigabe von Drittsicherheiten nach der Zahlung bereit erklärten. Der Beklagte trat dem Vergleich mit Vereinbarung vom selben Tag bei und erklärte sich zur Zahlung des hälftigen Ablösebetrages nebst Zinsen bereit.

Am 6. September 2002 schlossen die Klägerin und der Beklagte eine „Kauf-, Abtretungs- und Darlehensvereinbarung“, mit der die Klägerin die Hälfte ihrer Kaufpreisansprüche gegen die A.  GmbH aus der Veräußerung ihrer Geschäftsanteile an der S.       Gesellschaft für S.                            GmbH (im Folgenden: S.       GmbH) an den Beklagten verkaufte und übertrug. Nach dieser Vereinbarung sollte der Beklagte den Kaufpreis für die abgetretenen Ansprüche durch eine Vereinbarung mit den Gläubigerbanken erbringen, in der er sich diesen gegenüber zur Zahlung der Hälfte eines Ablösebetrages von 5.589.593,46 € zuzüglich Zinsen verpflichtete. Von ihm hierauf erbrachte Zahlungen an die Banken sollten ebenso wie eine Zahlung von 375.000 €, die der Beklagte der Klägerin bereits zuvor zur Verfügung gestellt hatte, als Kaufpreiszahlung gelten. Außerdem konnte der Beklagte den hälftigen Ablösebetrag nebst Zinsen bis zum 30. September 2002 auch dadurch erbringen, dass ihm die Aufrechterhaltung oder Öffnung einer entsprechenden Linie bei der Sparkasse M.              gelang. Zudem wurde klargestellt, dass er der Klägerin einen Betrag von bis zu 1.350.000 € auf der Grundlage eines erarbeiteten Liquiditätsplans zur Verfügung stellen werde.

Für den Fall, dass der Kaufvertrag mit der A.  GmbH nicht bestehen bleiben sollte, vereinbarten die Parteien am 27. September 2002 ergänzend die Abtretung der hälftigen Kaufpreisansprüche der Klägerin gegen einen anderen Erwerber an den Beklagten.

Am 30. September 2002 überwies der Beklagte 1.260.753,58 € auf das Konto der Klägerin bei der C.        Bank, die daraufhin für sich und die D.     Bank die Erfüllung des Vergleichs vom 5./6. September 2002 erklärte. Die Sparkasse M.        teilte nach weiteren Verhandlungen Ende Oktober 2002 mit, dass sie auf einen Betrag von ca. 3 Mio. € des Sollsaldos der Klägerin von ca. 6,2 Mio. € verzichte und der Klägerin wegen des Restbetrags einen bis zum 15. Januar 2003 befristeten Kontokorrentkredit gegen bereits bestehende Sicherheiten gewähre. Zudem räumte sie der Klägerin einen weiteren Kontokorrentkredit über 2,7 Mio. € ein, für den der Beklagte sich selbstschuldnerisch verbürgte. Außerdem überwies der Beklagte am 4. September 2002 an die Klägerin 375.000 € und leistete am 10. und 20. Dezember weitere 150.000 € und 175.000 € auf ihr Konto bei der Sparkasse M.    .

Am 30. Oktober 2002 veräußerte die Klägerin ihre Anteile an der S.       GmbH an die D.                       Ltd., die den Kaufpreis bei einem Notar hinterlegte. Dieser kehrte daraus auf Weisung der Klägerin am 17. Dezember 2002 einen Betrag von 890.100 € und am 30. Dezember 2002 weitere 489.900 € an den Beklagten aus.

Außerdem zahlte die Klägerin am 25. März 2003 dem Beklagten ein Darlehen von 133.000 € zurück, welches dieser am 22. November 2002 der E.        UK (im Folgenden: E.   UK) gewährt hatte. Bei der E.   UK handelte es sich um eine frühere 100 %-ige Tochtergesellschaft der Klägerin, die diese im Jahr 2000 zu 80,1 % an die M.             GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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veräußert hatte und deren Anteile sie im Jahr 2006 zu einem symbolischen Kaufpreis von 1 € zurückerwarb.

Die Klägerin hat den Beklagten auf Rückerstattung des an ihn ausgekehrten Kaufpreisanteils von 1,38 Mio. € und der Darlehensrückzahlung von 133.000 € in Anspruch genommen. Außerdem hat sie die Feststellung der Ersatzpflicht des Beklagten für ihr bereits entstandene oder künftig entstehende Schäden oder sonstige Vermögensminderungen aus der Vereinbarung vom 6. September 2002 begehrt.

Das Landgericht hat der Klage im Wesentlichen stattgegeben. Das Berufungsgericht hat sie auf die Berufung des Beklagten abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der vom erkennenden Senat zugelassenen Revision.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – ausgeführt, sämtliche denkbare Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten aus der teilweisen Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises und der Rückführung des Darlehens der E.   UK seien jedenfalls verjährt.

Wie das Landgericht zutreffend angenommen habe, sei hinsichtlich etwaiger Ansprüche wegen unzulässiger Einlagenrückgewähr (§§ 62, 57 AktG), Ausnutzung einer beherrschenden Stellung (§ 117 bzw. § 317 AktG) oder Verletzung von Aufsichtsratspflichten bei Vor- bzw. Annahme der Kaufpreisauszahlungen und der Darlehensrückzahlung (§§ 116, 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG) bereits fünf Jahre nach der jeweiligen Zahlung bzw. deren Annahme durch den Beklagten und damit spätestens im Jahr 2008 Verjährung eingetreten. Gleiches gelte – entgegen der Ansicht des Landgerichts – auch für etwaige Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten wegen Verletzung seiner Aufsichtsratspflichten durch Nichtverfolgung und Verjährenlassen von etwaigen Ersatzansprüchen aufgrund der streitgegenständlichen Zahlungen gegen den damaligen Vorstand. Es sei bereits fraglich, ob die teilweise Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises an den Beklagten überhaupt als verbotene Einlagenrückgewähr oder unzulässige Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen anzusehen sei, die der damalige Vorstand von dem Beklagten habe zurückverlangen müssen. Auch wenn man dies wie das Landgericht bejahe, seien etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten wegen der Nichtverfolgung und des Verjährenlassens diesbezüglicher Ersatzansprüche gegen den Vorstand aber jedenfalls verjährt, weil für den Beginn der Verjährung auch insoweit bereits auf den Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung an den Beklagten abzustellen sei. Das folge aus der entsprechenden Anwendung der Rechtsprechung zur Haftung eines GmbH-Geschäftsführers wegen Verjährenlassens von Rückforderungsansprüchen der Gesellschaft gegen den Zahlungsempfänger nach § 31 GmbHG (BGH, Urteil vom 29. September 2008 – II ZR 234/07, ZIP 2008, 2217 Rn. 15 ff.). Darüber hinaus scheide ein diesbezüglicher Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten auch deshalb aus, weil er sich andernfalls zur Vermeidung der ihm damit vorgeworfenen Pflichtverletzung selbst einer früheren Pflichtwidrigkeit habe bezichtigen müssen. Da dies nach allgemeinen Grundsätzen von ihm nicht verlangt werden könne, könne er auch nicht verpflichtet gewesen sein, auf den Vorstand zur Verfolgung der Rückzahlungsansprüche gegen sich selbst einzuwirken.

II. Diese Begründung hält rechtlicher Prüfung nicht stand.

1. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts sind etwaige Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 116 Satz 1, § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG wegen Verletzung seiner Aufsichtsratspflichten durch Verjährenlassen von Ersatzansprüchen der Klägerin gegen den Vorstand aufgrund verbotener Einlagenrückgewähr bzw. Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen nicht verjährt. Für den Beginn der Verjährung ist insoweit nicht auf den Zeitpunkt der jeweiligen Zahlung bzw. deren Annahme durch den Aufsichtsrat abzustellen, sondern auf den Zeitpunkt der Verjährung des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen den Vorstand.

a) Als Aufsichtsrat war der Beklagte verpflichtet, eigenverantwortlich das Bestehen von Schadensersatzansprüchen der Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern aus ihrer organschaftlichen Tätigkeit zu prüfen und, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlagen, solche unter Beachtung des Gesetzes- und Satzungsrechts und der von ihm vorgegebenen Maßstäbe zu verfolgen. Diese Verpflichtung ergibt sich einmal aus der Aufgabe des Aufsichtsrats, die Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen (§ 111 Abs. 1 AktG), wovon auch abgeschlossene Geschäftsvorgänge erfasst werden (BGH, Urteil vom 25. März 1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129), zum anderen daraus, dass der Aufsichtsrat die Gesellschaft gegenüber Vorstandsmitgliedern gerichtlich und außergerichtlich vertritt (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 252 f. – ARAG/Garmenbeck). Kommt er dieser Pflicht nicht nach, kann er der Gesellschaft nach § 116 Satz 1, § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG zum Schadensersatz verpflichtet sein.

b) Die Verjährung dieses Schadensersatzanspruchs richtet sich nach § 116 Abs. 1 Satz 1, § 93 Abs. 6 AktG und beginnt nach allgemeinen Grundsätzen gemäß § 200 Satz 1 BGB mit der Entstehung des Anspruchs. Das war hier der Zeitpunkt, in dem etwaige Ersatzansprüche der Klägerin gegen den Vorstand wegen der streitgegenständlichen Zahlungen verjährt sind.

aa) Ein Schadensersatzanspruch ist im Sinne von § 200 Satz 1 BGB entstanden, sobald der Berechtigte in der Lage ist, seinen Anspruch gerichtlich geltend zu machen, d.h. mit dem Eintritt des durch die Verletzungshandlung verursachten Schadens dem Grunde nach, ohne dass der Schaden schon bezifferbar sein muss; es genügt regelmäßig auch die Möglichkeit einer Feststellungsklage (vgl. etwa BGH, Urteil vom 23. März 1987 – II ZR 190/86, BGHZ 100, 228, 231 f.; Urteil vom 29. September 2008 – II ZR 234/07, ZIP 2008, 2217 Rn. 16; Urteil vom 8. November 2016 – VI ZR 200/15, NZG 2017, 753 Rn. 15 mwN). Ist noch offen, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führt, ist die Voraussetzung des Entstehens eines Anspruchs im Sinne des § 200 BGB dagegen nicht erfüllt (vgl. BGH, Urteil vom 23. März 1987 – II ZR 190/86, BGHZ 228, 231 f. mwN).

Liegt die haftungsbegründende Pflichtverletzung nicht in einem einmaligen, anlassbedingten, sondern – wie hier – in einem fortdauernden Unterlassen, ist für die Bestimmung des Verjährungsbeginns nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs danach zu differenzieren, ob das fortdauernde Unterlassen als einheitliche Dauerhandlung zu betrachten ist, oder es sich – ähnlich wie bei der Wiederholung von schädigenden Handlungen in Fällen positiven Tuns – um mehrere, sich wiederholende neue Eingriffe handelt. Bei einer einheitlichen Dauerhandlung kann die Verjährung nicht beginnen, solange der Eingriff noch andauert. Bei mehreren, sich wiederholenden einzelnen Eingriffen bzw. Unterlassungen beginnt die Verjährung dagegen für jeden infolge der Unterlassung eintretenden Schaden gesondert (vgl. BGH, Urteil vom 28. September 1973 – I ZR 136/71, NJW 1973, 2285; Urteil vom 14. Februar 1978 – X ZR 19/76, BGHZ 71, 86, 94; Urteil vom 11. Januar 2007 – III ZR 302/05, BGHZ 170, 260 Rn. 25 ff.; Urteil vom 4. Juni 2009 – III ZR 144/05, BGHZ 181, 199 Rn. 29 ff.; Urteil vom 17. Februar 2010 – VIII ZR 104/09, BGHZ 184, 253 Rn. 17).

bb) Ob das Unterlassen des Beklagten als einheitliche Dauerhandlung – von der erstmaligen Nichtgeltendmachung der Ansprüche gegen den Vorstand bis zu deren Verjährung – oder als wiederholte Unterlassungen mit jeweils einzeln verursachten Schäden anzusehen wäre, bedarf hier indes keiner Entscheidung. In beiden Fällen begann die Verjährung etwaiger Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten auf Ersatz der an ihn geleisteten Zahlungen wegen Verletzung seiner Pflicht gemäß § 116 Satz 1, § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG, diesbezüglich Ansprüche gegen den damaligen Vorstand geltend zu machen, erst mit der Verjährung der Ansprüche gegen den Vorstand.

(1) Bei Annahme einer einheitlichen Dauerhandlung des Beklagten wäre diese erst mit dem Eintritt der Verjährung der Ersatzansprüche gegen den Vorstand beendet, so dass die Verjährung daraus resultierender Ersatzansprüche erst in diesem Zeitpunkt beginnen konnte.

(2) Bei Annahme sich wiederholender Unterlassungen gilt das Gleiche, weil der mit der Klage geltend gemachte Schaden der Klägerin dem Grunde nach erst mit dem Verstreichenlassen der letzten Möglichkeit zur verjährungshemmenden Geltendmachung im Sinne von § 200 Satz 1 BGB entstanden ist.

Insofern ist hinsichtlich der dem Beklagten vorgeworfenen Pflichtverletzung durch Nichtverfolgung von Ersatzansprüchen zwischen der „bloßen“ Nichtgeltendmachung bis zum Eintritt der Verjährung einerseits und dem endgültigen Verjährenlassen andererseits zu unterscheiden. Die fortdauernde Nichtgeltendmachung von Ersatzansprüchen mag für sich genommen bereits einen Zins- oder Verzögerungsschaden der Klägerin verursacht haben. Sie hat aber noch nicht dazu geführt, dass die Ersatzansprüche der Klägerin gegen den Vorstand als solche undurchsetzbar wurden und damit der mit der Klage geltend gemachte Schaden der Klägerin durch den faktischen Wegfall ihrer Ersatzforderungen entstanden ist. Bis zum Eintritt der Verjährung bestand vielmehr immer noch die Möglichkeit, dass die Ansprüche rechtzeitig verjährungshemmend geltend gemacht würden. Dass ihre Durchsetzung bereits zuvor aus anderen rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, etwa wegen zwischenzeitlicher Verschlechterung der finanziellen Situation des in Anspruch zu nehmenden Vorstands, unmöglich geworden wäre, ist weder dargetan noch festgestellt. Die Nichtverfolgung von Ersatzansprüchen gegen den Vorstand hat damit vor Eintritt der Verjährung dieser Ansprüche zwar zu einer risikobehafteten Situation geführt, die sich mit zunehmendem Zeitablauf verschärfte. Bis zum Eintritt der Verjährung war die gebotene Geltendmachung durch den Beklagten als Aufsichtsrat aber noch nachholbar und offen, ob sein risikobehaftete Verhalten (Unterlassen) letztlich zu dem mit der Klage geltend gemachten Schaden der Klägerin führen würde (vgl. Guntermann, NZG 2018, 851, 855).

c) Die Rechtsprechung des Senats zum Verjährungsbeginn für die Haftung des GmbH-Geschäftsführers wegen Verjährenlassens von Rückforderungsansprüchen der Gesellschaft nach § 31 GmbHG (vgl. BGH, Urteil vom 29. September 2008 – II ZR 234/07, ZIP 2008, 2217 Rn. 15 ff.) gibt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Die dortigen Erwägungen sind auf die Haftung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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einer Aktiengesellschaft nach § 116 Satz 1, § 93 Abs. 2 AktG wegen Verjährenlassens von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand aufgrund verbotener Einlagenrückgewähr nicht übertragbar.

aa) Unterlässt ein GmbH-Geschäftsführer die Geltendmachung von Rückforderungsansprüchen nach § 31 Abs. 1 GmbHG gegen den Zahlungsempfänger, wird keine weitere Schadensersatzverpflichtung des Geschäftsführers nach § 43 Abs. 2 GmbHG mit eigener Verjährungsfrist zusätzlich zu seiner bereits bestehenden Haftung nach § 43 Abs. 3 GmbHG wegen der verbotenen Auszahlung begründet. Der Schaden der GmbH liegt in diesem Fall bereits in dem Liquiditätsabfluss durch die Auszahlung. Durch die Nichtbeitreibung wird nicht erneut ein Schaden dem Grunde nach bzw. ein weiterer Schadensersatzanspruch nach § 43 Abs. 2 GmbHG ausgelöst, der einer eigenen Verjährung unterliegen könnte, sondern es verbleibt bei dem Anspruch aus § 43 Abs. 3 GmbHG mit Verjährung nach § 43 Abs. 4 GmbHG ab der verbotenen Auszahlung (BGH, Urteil vom 29. September 2008 – II ZR 234/07, ZIP 2008, 2217 Rn. 16 f.).

bb) Diese Erwägungen sind auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

(1) Zwar mag der Schaden, der der Aktiengesellschaft durch das pflichtwidrige Verjährenlassen eines Schadensersatzanspruchs gegen den Vorstand wegen verbotener Einlagenrückgewähr durch den Aufsichtsrat gemäß §§ 116, 93 Abs. 2 Satz 1 AktG entsteht, ebenfalls letztlich dasselbe wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft betreffen wie der Schaden, der ihr bereits durch die pflichtwidrige Einlagenrückgewähr durch den Vorstand entstanden ist. Das allein rechtfertigt es aber nicht, für den Beginn der Verjährung der Haftung des AufsichtsratsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ebenfalls bereits an den Zeitpunkt der jeweiligen Einlagenrückgewähr durch den Vorstand anzuknüpfen.

Einer solchen verjährungsrechtlichen Gleichbehandlung steht bei der Aktiengesellschaft die besondere Funktion des Aufsichtsrats als Überwachungsorgan entgegen. Nach § 111 Abs. 1 AktG hat der Aufsichtsrat in erster Linie die Geschäftsführung zu überwachen (vgl. BGH, Urteil vom 25. März 1991 – II ZR 188/89, BGHZ 114, 127, 129) und in diesem Rahmen aufgrund seiner Eigenschaft als Vertreter gegenüber Vorstandsmitgliedern gemäß § 112 AktG ggf. auch Schadensersatzansprüche gegen diese zu verfolgen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 249 f. – ARAG/Garmenbeck). Dem widerspräche es, würde man die Haftung wegen Verletzung dieser besonderen Pflicht zur Anspruchsverfolgung allein wegen wirtschaftlicher Identität des verursachten Schadens generell bereits ab dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs gegen den Vorstand verjähren lassen. Da diese wirtschaftliche Identität in den meisten Fällen zumindest teilweise gegeben sein dürfte, würde die Pflicht zur Anspruchsverfolgung damit weitgehend leerlaufen. Maßgeblich ist insbesondere im Hinblick auf den besonderen Schutzzweck der Aufsichtspflicht daher vielmehr, wann die Verletzung der Pflicht zur Anspruchsverfolgung ihrerseits zu einem Schaden der Gesellschaft dem Grunde nach geführt hat. Besteht dieser Schaden in der Undurchsetzbarkeit eines Ersatzanspruchs gegen den Vorstand wegen Verjährung, ist maßgeblicher Zeitpunkt auch erst der Eintritt dieser Verjährung.

(2) Dass der Beklagte hier nicht nur Aufsichtsrat, sondern zugleich der durch die verbotene Einlagenrückgewähr begünstigte Aktionär ist, gibt keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung.

Das Berufungsgericht weist zwar zutreffend darauf hin, dass der Beklagte bereits mit der Entgegennahme verbotener Einlagenrückzahlungen nicht nur gegen seine Pflichten als Aktionär (§§ 57, 62 Satz 1 AktG), sondern auch schon gegen seine Pflichten als Aufsichtsrat nach § 116 Satz 1, § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG verstoßen hat, weil er keine Maßnahmen ergriffen hat, die verbotene Einlagenrückgewähr zu verhindern (vgl. BGH, Urteil vom 16. März 2009 – II ZR 280/07, ZIP 2009, 860 Rn. 14 f., 18 zur Verhinderung von Zahlungen nach § 93 Abs. 3 Nr. 6, § 92 Abs. 2 AktG).

Auch das rechtfertigt es aber nicht, deswegen wie im Fall eines GmbH-Geschäftsführers nur von einer einzigen (einheitlichen) Aufsichtsratspflichtverletzung des Beklagten auszugehen, die auch in verjährungsrelevanter Hinsicht nur zu einem, bereits durch die pflichtwidrige Entgegennahme der Zahlungen entstandenen Schaden geführt hat.

Die Pflicht des Aufsichtsrats, vorbeugend Verstöße des Vorstands gegen § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG zu verhindern, ist von seiner Pflicht, nachträglich aus solchen Verstößen resultierende Ansprüche der Gesellschaft gegen den Vorstand zu verfolgen und durchzusetzen, zu unterscheiden. Diese Pflichten knüpfen nicht nur an verschiedene Lebenssachverhalte – vorbeugende Überwachung bzw. Verhinderung der Vorstandspflichtverletzung einerseits und die anschließende Durchsetzung von Ersatzansprüchen in unverjährter Zeit andererseits – an, sondern sind auch inhaltlich unterschiedlich ausgestaltet. So besteht etwa für die Pflicht zur Anspruchsverfolgung durch den Aufsichtsrat ein besonderes abgestuftes Prüfungskonzept, bei dem nicht nur zu prüfen ist, ob der Ersatzanspruch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besteht, sondern auch, wie das Prozessrisiko und die Durchsetzbarkeit des Anspruchs zu bewerten sind und schließlich, ob ausnahmsweise wegen gewichtiger Interessen und Belange der Gesellschaft oder aber – in besonderen Ausnahmefällen – aus anderen Gründen von der Verfolgung des Anspruchs abgesehen werden soll (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 253 ff. – ARAG/Garmenbeck). Insofern handelt es sich bei der Pflicht zur Verfolgung von Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand um eine gesonderte Pflicht mit eigenem Prüfungsumfang, die an die vorherige Pflicht zur Verhinderung von Vorstandspflichtverletzungen anschließt und somit auch zu einem selbständig verjährenden Schadensersatzanspruch führt (vgl. BGH, Urteil vom 1. Dezember 2005 – IX ZR 115/01, ZIP 2006, 194 Rn. 24 zur Verjährung der Pflicht des Konkursverwalters, Schadensersatzansprüche eines zuvor aussonderungsberechtigten Gläubigers nach § 82 KO zu erfüllen).

Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts hätte zudem die nicht zu rechtfertigende Folge, dass ein Aufsichtsrat, dem außer dem Verjährenlassen der Ersatzforderung gegen den Vorstand noch eine weitere Aufsichtsratspflichtverletzung im Vorfeld bzw. im Zusammenhang mit der Vornahme der verbotenen Einlagenrückgewähr anzulasten ist, und der darüber hinaus noch selbst durch diese Einlagenrückgewähr begünstigt wird, verjährungsmäßig besser gestellt wäre, als ein Aufsichtsrat, dem „nur“ eine Pflichtverletzung durch Verjährenlassen der Ersatzforderung gegen den Vorstand vorzuwerfen ist.

d) Danach sind etwaige Ansprüche der Klägerin gegen den Beklagten wegen Verjährenlassens von Schadensersatzansprüchen gegen ihren damaligen Vorstand aufgrund verbotener Einlagenrückgewähr oder unzulässiger Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen durch die teilweise Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises für ihre Anteile an der S.        GmbH und Rückzahlung des Darlehens der E.   UK nicht verjährt.

Etwaige Ansprüche gegen den Vorstand wegen unzulässiger Einlagenrückgewähr gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG oder verbotener Rückzahlung eigenkapitalersetzender Darlehen (nach der – auf der vorliegenden „Altfall“ vor Inkrafttreten des MoMiG 2008 anzuwendenden Rechtsprechung, vgl. BGH, Urteil vom 26. März 1984 – II ZR 171/83, BGHZ 90, 381, 389 ff.; Urteil vom 9. Mai 2005 – II ZR 66/03, ZIP 2005, 1316, 1317; Urteil vom 26. Januar 2009 – II ZR 260/07, BGHZ 179, 249 Rn. 14 ff. zu §§ 32a f. GmbHG aF, § 30 Abs. 1 Satz 3 GmbHG nF) durch die teilweise Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises am 17. und am 30. Dezember 2002 verjährten gemäß § 24 EGAktG, § 93 Abs. 6 AktG in der bis zum 14. Dezember 2010 geltenden Fassung (im Folgenden: aF), § 200 BGB am 17. bzw. 30. Dezember 2008. Ein etwaiger Anspruch gegen den Vorstand wegen unzulässiger Einlagenrückgewähr gemäß § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG durch Rückzahlung des Darlehens der E.   UK am 25. März 2003 verjährte danach am 25. März 2008.

Dass der damalige Vorstand die unerlaubten Auszahlungen verschwiegen und selbst später nicht zurückgefordert sowie die daraus resultierenden Ersatzansprüche nicht in unverjährter Zeit gegen sich selbst geltend gemacht hat, begründet keine neue, zusätzliche Schadensersatzverpflichtung des Vorstands, die ggfs. einer eigenen, später beginnenden Verjährung unterliegen würde. Insoweit sind die Grundsätze der Senatsentscheidung vom 29. September 2008 (II ZR 234/07, ZIP 2008, 2217 Rn. 15-18) übertragbar, weil der hier in Rede stehende Schaden der Klägerin bereits mit Vornahme der verbotenen Auszahlungen entstanden ist, die Nichtrückforderung/-beitreibung durch den Vorstand demgegenüber keinen erneuten Schaden verursacht hat und schließlich eine Verletzung derselben (Geschäftsführungs-)Pflichten des Vorstands vorliegt.

2. Unzutreffend ist auch die weitere Begründung des Berufungsgerichts, ein Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten scheide auch deshalb aus, weil er sich zur Vermeidung der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzung habe selbst bezichtigen müssen, was von ihm nach allgemeinen Grundsätzen nicht verlangt werden könne.

a) Im Rahmen seiner nachträglichen Überwachungstätigkeit ist der Aufsichtsrat grundsätzlich verpflichtet, Schadensersatzansprüche gegen ein Vorstandsmitglied zu verfolgen, ohne dass ihm dabei ein unternehmerisches Ermessen zusteht. Er ist vielmehr allein dem Unternehmenswohl verpflichtet, das grundsätzlich die Wiederherstellung des geschädigten Gesellschaftsvermögens verlangt, und darf daher ausnahmsweise nur dann von der Geltendmachung voraussichtlich begründeter Schadensersatzansprüche absehen, wenn gewichtige Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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dafür sprechen, den ihr entstandenen Schaden ersatzlos hinzunehmen. Andere Gesichtspunkte, wie etwa die Schonung eines verdienten Aufsichtsratsmitglieds oder das Ausmaß der mit der Beitreibung für das Mitglied und seine Familie verbundenen sozialen Konsequenzen, können nur in Ausnahmefällen in Betracht kommen (vgl. BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95, BGHZ 135, 244, 255 – ARAG/Garmenbeck).

b) Ausgehend davon vermag das rein persönliche Interesse des Beklagten, sich durch die Verfolgung der Ersatzansprüche gegen den Vorstand nicht mittelbar zugleich seiner eigenen damit zusammenhängenden Pflichtverletzungen durch Entgegennahme der streitgegenständlichen Zahlungen sowohl als Aktionär gemäß § 57 Abs. 1, § 62 Abs. 1 AktG als auch als Aufsichtsrat gemäß § 116 Satz 1, § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG bezichtigen und einem Schadensersatz- bzw. Rückzahlungsanspruch aussetzen zu müssen, keine Ausnahme von seiner Pflicht zur Anspruchsverfolgung zu begründen.

aa) Allerdings wird Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt, ob und wenn ja, in welchen Fällen das Verbot einer Pflicht zur Selbstbezichtigung einer Auskunfts- oder Handlungspflicht eines Gesellschaftsorgans entgegenstehen kann.

In der Literatur wird verbreitet im Zusammenhang mit der Frage, ob das Verschweigen eigener Pflichtverletzungen eine neue Pflichtverletzung des Vorstands im Sinne von § 93 AktG begründen kann, argumentiert, dass allgemein keine Pflicht des Vorstands-, Verwaltungs- oder Organmitglieds zur Selbstanzeige bzw. Selbstbezichtigung bestehe (vgl. Hölters/Hölters, AktG, 3. Aufl., § 93 Rn. 339; Mertens/Cahn in KK-AktG, 3. Aufl., § 93 Rn. 201; MünchKomm AktG/Spindler, 4. Aufl., § 93 Rn. 293; Fleischer in Spindler/Stilz, AktG, 3. Aufl., § 93 Rn. 303 f.; § 84 Rn. 82a; Fleischer, AG 2014, 457, 461; Grunewald, NZG 2013, 841, 845, 846 auch für den Aufsichtsrat). Auch die instanzgerichtliche Rechtsprechung hat sich z.B. gegen eine Pflicht des GmbH-Alleingeschäftsführers und -gesellschafters zur Verfolgung von Gesellschaftsansprüchen gegen sich selbst (vgl. OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
, NZG 2000, 1137
) oder eine Pflicht des GmbH-Geschäftsführers, bei Abschluss eines Abfindungsvertrages strafrechtliche Verfehlungen zu offenbaren, die mit dem Vertragsschluss in keinem unmittelbaren Zusammenhang standen, ausgesprochen (vgl. OLG DüsseldorfBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Düsseldorf
, WM 2000, 1393
, 1397).

Nach anderer Auffassung in der Literatur ist das aus dem Strafrechtbekannte Verbot der Selbstbezichtigung im Zivilrecht und im Aufsichtsrecht nicht anerkannt, weswegen auch für Vorstandsmitglieder eine Pflicht zur Aufdeckung eigener Fehler bestehe; ob das Strafrecht dann mit Verwertungsverboten reagiere, sei keine Frage des Zivilrechts (vgl. Hopt, ZGR 2004, 1, 26 f.; Schmolke, RIW 2008, 365, 371). Auch in der Rechtsprechung wurde dementsprechend etwa die prozessuale Vortragspflicht eines Geschäftsführers bei Inanspruchnahme wegen der Entgegennahme von Schmiergeldern bejaht (vgl. OLG ZweibrückenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Zweibrücken
, OLGR 2009, 659, 662).

bb) Die Frage, ob das Verbot einer Pflicht zur Selbstbezichtigung der Annahme einer gesellschaftsrechtlichen Auskunfts- oder Handlungspflicht eines Gesellschaftsorgans entgegensteht, lässt sich nicht generell beantworten, sondern hängt von der jeweiligen Pflicht und den Umständen des Einzelfalls ab.

Das aus Art. 2 Abs. 1, Art. 1 Abs. 1 GG abgeleitete Verbot der Selbstbezichtigung gilt nicht uneingeschränkt, sondern findet seine Grenze an den Rechten anderer. Art und Umfang dieses Verbots hängen daher auch davon ab, ob und inwieweit andere auf die Information der Auskunftsperson angewiesen sind und ob insbesondere die Auskunft Teil eines durch eigenen Willensentschluss übernommenen Pflichtenkreises ist (vgl. BVerfGE 56, 37, 42, 45 f., 49 zur Selbstbezichtigung des Gemeinschuldners; BGH, Urteil vom 30. April 1964 – VII ZR 156/62, BGHZ 41, 318, 323 ff.). Handelt es sich um Auskünfte zur Erfüllung eines berechtigten Informationsbedürfnisses, ist der Gesetzgeber befugt, die Belange der verschiedenen Beteiligten gegeneinander abzuwägen. Er kann dabei berücksichtigen, dass es im Privatrechtsverkehr nicht allein um ein staatliches oder öffentliches Informationsbedürfnis, sondern zugleich um die Interessen eines Geschädigten geht (vgl. BVerfGE 56, 37, 49 f.). Bei dieser Abwägung ist u.a. zu bedenken, ob die Zubilligung eines Auskunftsverweigerungsrechts u.U. zu Lasten geschädigter Dritter gerade denjenigen ungerechtfertigt bevorzugen würde, der zum Nachteil der Gläubiger besonders rechts-widrig oder gar verwerflich gehandelt hat (vgl. BVerfGE 56, 37, 50).

cc) Danach hat jedenfalls im vorliegenden Fall das persönliche Interesse des Beklagten, sich nicht selbst bezichtigen zu müssen, hinter seiner Pflicht, als Aufsichtsrat im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Ansprüche gegen den Vorstand zu verfolgen, zurückzustehen.

(1) Der Beklagte steht als Aufsichtsrat in einem besonderen Pflichtenverhältnis zur Klägerin. In dieser Funktion hat er insbesondere die Aufgabe übernommen, die gesamte Geschäftsführung des Vorstands zu überwachen und im Rahmen dieser nachträglichen Überwachungstätigkeit ggf. auch Ersatzansprüche gegen den Vorstand im Unternehmenswohl zu verfolgen. Die besondere Bedeutung dieser Aufgabe zeigt sich daran, dass die Gesellschaft nach § 112 AktG gerichtlich und außergerichtlich gegenüber Vorstandsmitgliedern deshalb durch den Aufsichtsrat vertreten wird, weil damit eine unbefangene Vertretung der Gesellschaft sichergestellt werden soll, die von sachfremden Erwägungen unbeeinflusst ist und sachdienliche Gesellschaftsbelange wahrt (vgl. BGH, Urteil vom 8. Februar 1988 – II ZR 159/87, BGHZ 103, 213, 216; Urteil vom 26. Juni 1995 – II ZR 122/94, BGHZ 130, 108, 111).

Diese besondere Überwachungs- und Schutzfunktion des Aufsichtsrats würde unterlaufen, würde man den Aufsichtsrat von ihrer Erfüllung bereits dann generell freistellen, wenn er dadurch eine eigene Pflichtverletzung oder ein ersatzverpflichtendes Verhalten offenbaren müsste. Nicht selten dürfte bei einem Pflichtenverstoß eines Vorstands auch eine diesbezügliche Pflichtverletzung des Aufsichtsrats durch unzureichende Überwachung des Vorstands in Betracht kommen (vgl. MünchKommAktG/Habersack, 4. Aufl., § 111 Rn. 34). Zudem bestünden nicht unerhebliche Abgrenzungsschwierigkeiten für die Beteiligten dahingehend, ob im Einzelfall eine Anspruchsverfolgungspflicht des Aufsichtsrats gegeben ist oder nicht. Schließlich würde die Freistellung von einer Verfolgungspflicht gerade denjenigen ungerechtfertigt entlasten, der zuvor zum Nachteil der Gesellschaft seine Pflichten verletzt hat, wohingegen er durch diese Verfolgungspflicht gerade dazu angehalten würde, wieder für einen Ausgleich des der Gesellschaft dadurch verursachten Schadens zu sorgen.

(2) Hinzu kommt, dass die in Rede stehende Pflichtverletzung bzw. Haftung des VorstandsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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und des Beklagten mit § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG einen Verstoß gegen kapitalschützende Pflichten und damit nicht nur eine Verletzung der Interessen der Klägerin, sondern insbesondere auch der Gesellschaftsgläubiger darstellte. Würde man dem Beklagten in dieser Konstellation eine Befreiung von seiner Pflicht zur Anspruchsverfolgung zubilligen, würde man gerade denjenigen unberechtigt bevorzugen, der zum Nachteil der Gläubiger besonders rechtswidrig, weil unter Verstoß gegen eine von ihm übernommenen besonderen Überwachungspflicht und zudem zu seinem eigenen Vorteil, gehandelt hat (vgl. BVerfGE 56, 37, 50).

(3) Ob diese Pflicht zur Anspruchsverfolgung gegen den Vorstand dort ihre Grenzen findet, wo sie eine Offenbarung eigenen strafbaren Verhaltens bedeuten würde, erscheint im Hinblick auf die besondere Funktion des Aufsichtsrats fraglich, zumal seinen Interessen in einem solchen Fall ggf. auch durch ein strafrechtliches Verwertungsverbot hinreichend Rechnung getragen werden könnte (vgl. BVerfGE 56, 37, 50 f.). Dies bedarf hier aber keiner Entscheidung, da kein strafrechtlich relevantes Verhalten des Beklagten in Rede steht.

III. Die Entscheidung erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 561 ZPO). Nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts ist ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gemäß § 116 Satz 1, § 93 Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Nr. 1 AktG wegen Verjährenlassens von Ersatzansprüchen gegen den Vorstand hinsichtlich der teilweisen Auszahlung des hinterlegten Kaufpreises und der Rückführung des Darlehens der E.  UK aus § 93 Abs. 3 Nr. 1 AktG nicht auszuschließen.

Das Berufungsgericht hat zwar die Annahme des Landgerichts, die teilweise Auskehr des Kaufpreises für die Anteile an der S.        GmbH sei entweder als verbotene Einlagenrückgewähr gemäß § 57 Abs. 1, § 62 Abs. 1 AktG, weil der Beklagte dafür nach der Vereinbarung vom 6. September 2002 keine gleichwertige GegenleistungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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zu erbringen gehabt habe, oder aber als unzulässige Rückzahlung von eigenkapitalersetzenden Darlehen des Beklagten anzusehen, die der damalige Vorstand habe zurückfordern müssen, als fraglich bezeichnet. Es hat aber – von seinem rechtlichen Standpunkt aus folgerichtig – keine davon abweichenden eigenen Feststellungen getroffen. Die Zahlung auf das Darlehen der E.   UK hat das Berufungsgericht ebenso wie das Landgericht mangels Rückzahlungsanspruchs des Beklagten gegen die Klägerin objektiv als unzulässige Einlagenrückgewähr gemäß § 57 Abs. 1, § 62 Abs. 1 AktG gewertet.

IV. Das Berufungsurteil ist danach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache noch nicht zur Endentscheidung reif ist, wird sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, zurückverwiesen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 und 3 ZPO), damit das Berufungsgericht die erforderlichen Feststellungen zur Frage der Haftung des Beklagten treffen kann.

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