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BGH, Urteil vom 19. Dezember 1996 – IX ZR 327/95

1. Ein Steuerberater, der einen Jahresabschluß erstellt und zugleich bescheinigt, dabei die handelsrechtlichen und steuerlichen Vorschriften beachtet und sich von der Ordnungsmäßigkeit der Buchführung überzeugt zu haben, haftet nach der Rechtsprechung des BGH Dritten, denen – für den Steuerberater erkennbar – der Jahresabschluß als Entscheidungsgrundlage für wirtschaftliche Dispositionen dienen soll, für die inhaltliche Richtigkeit seiner Bescheinigung (BGH, Urt. v. 26. 11. 1986, BGH 26.11.1986 Aktenzeichen IV a ZR 86/85, NJW 1987, 1758 ff; v. 18. 10. 1988, BGH 18.10.1988 Aktenzeichen XI ZR 12/88, VersR 1989, VERSR Jahr 1989 Seite 375, VERSR Jahr 1989 Seite 376; v. 21. 1. 1993, BGH 21.01.1993 Aktenzeichen III ZR 15/92, NJW-RR 1993, 944). . Im vorliegenden Fall wußte der Steuerberater F., als er seine Bescheinigung auf den Jahresabschluß setzte, daß dieser einem Kreditinstitut vorgelegt werden sollte.

2. Nicht rechtsfehlerfrei sind dagegen die Ausführungen des Berufungsgerichts zum Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und (angeblichem) Schaden.

Die Bekl. hat geltend gemacht, der Jahresabschluß könne für die Kreditentscheidungen der Klin. nicht maßgeblich gewesen sein, weil diese im Jahre 1992 auf dem Konto 6910 – über die bereits erhöhte Kreditlinie von 1 Mio. DM hinaus – Überziehungen i. H. v. 660 175,93 DM geduldet habe. Diese Überziehungen hätten sich mit den Zahlen des Jahresabschlusses 1991 auf keinen Fall rechtfertigen lassen. Es komme hinzu, daß die monatlichen betriebswirtschaftlichen Auswertungen der Sch. KG per 30. 4. 1992 einen Verlust von über 1,5 Mio. DM und per 31. 7. 1992 einen solchen von fast 1,9 Mio. DM ausgewiesen hätten. Diese Auswertungen hätten der Klin. vorgelegen. Zumindest entspreche es den Gepflogenheiten des Kreditgewerbes, solche Auswertungen bei Kreditentscheidungen zu berücksichtigen. Die Klin. hätte, wenn sie daran interessiert gewesen wäre, die Auswertungen ohne weiteres anfordern können. Da sie dies entweder unterlassen oder sich um die “verheerenden” Ergebnisse der Auswertungen nicht gekümmert habe, müsse sie für ihre Kreditentscheidungen insgesamt andere – bankenunübliche – Beweggründe gehabt haben. Der Jahresabschluß sei daneben belanglos gewesen.

Insofern hat das Berufungsgericht zu Unrecht die Bekl. als beweisfällig angesehen. Den Ursachenzusammenhang zwischen Pflichtverletzung und Schaden muß derjenige beweisen, der den Schadensersatzanspruch geltend macht (BGH, Urt. v. 5. 11. 1992 – IX ZR 12/92, NJW 1993, NJW Jahr 1993 Seite 734). Allerdings kann ihm der Beweis des ersten Anscheins zustatten kommen (BGHZ 123, BGHZ Band 123 Seite 311, 314 ff.). Dient ein von einem Steuerberater erstellter Jahresabschluß, der fälschlich einen Gewinn ausweist, einer Bank als Grundlage für eine Kreditentscheidung, so kann nach der Lebenserfahrung davon ausgegangen werden, daß der Kredit nicht ausgereicht worden wäre, wenn der Jahresabschluß den in Wirklichkeit eingetretenen Verlust deutlich gemacht hätte. Der verklagte Steuerberater kann diesen Anscheinsbeweis jedoch erschüttern. Die Bekl. hat Umstände vorgetragen, die nach Meinung des Berufungsgerichts dazu geeignet sind. Denn es hat dazu Beweisantritte vermißt. Bis auf die Frage, ob der Klin. die betriebswirtschaftlichen Auswertungen tatsächlich vorgelegen haben, sind diese Umstände jedoch unstreitig. Insoweit hätte das Berufungsgericht sie nach § ZPO § 287 ZPO bewerten müssen. Dies ist nicht in ausreichendem Maße geschehen.

Das Berufungsgericht hat nicht berücksichtigt, daß der Kreditvertrag vom 5. 6. 1992, mit dem die bisherige Kreditlinie auf dem Konto Nr. 6910 von 500 000 DM auf 1 Mio. DM aufgestockt wurde, zum Teil nur eine bereits vorhandene Kontoüberziehung legitimierte. Nach dem Vortrag der Bekl. beliefen sich die Überziehungen per 31. 3. 1992 auf 250 417,95 DM und per 30. 4. 1992 auf 268 000 DM. Von diesen Überziehungen ist für das Revisionsverfahren mangels anderweitiger Feststellungen auszugehen. Soweit sie uneinbringlich waren, ist der Schaden nicht auf die Pflichtverletzung der Bekl. zurückzuführen. Dazu, ob die Klin. bei Vorlage eines korrekten Abschlusses auf der Zurückführung der Kontoüberziehungen bestanden hätte und die KG dazu noch in der Lage gewesen wäre, ist nichts festgestellt und auch nichts vorgetragen. Legt man uneinbringliche Überziehungen i. H. v. 268 000 DM – bei Abschluß des Kreditvertrages waren sie möglicherweise noch höher –, und eine Konkursquote von 20% zugrunde, könnte der Schaden aus der Kreditgewährung vom 5. 6. 1992 nur i. H. v. 185 600 DM auf das Verhalten der Bekl. zurückgeführt werden.

Schlagworte: Erkennbarkeit der Insolvenzreife, GmbHG § 64 Satz 1, Haftung Ratgeber, Haftung Steuerberater, Verschulden, Zahlungen nach Insolvenzreife