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BGH, Urteil vom 19. Mai 2011 – IX ZR 9/10

§ 130 Abs 2 InsO

Eine an den Gläubiger gerichtete harte Patronatserklärung der Muttergesellschaft beseitigt weder die objektive Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft noch die darauf bezogene Kenntnis des Gläubigers.

Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Beklagten bereits vor der am 25. März 2002 zwischen den Zeugen St. und Sch. geführten fernmündlichen Unterredung wegen der Entwicklung des Kreditengagements der Schuldnerin Umstände bekannt waren, die zwingend auf ihre Zahlungsunfähigkeit schließen ließen (§ 130 Abs. 2 InsO). Bei dieser Sachlage müssen die Umstände, welche die Annahme der Zahlungsunfähigkeit gebieten, nachträglich entfallen sein. Allein eine Patronatserklärung beseitigt jedoch nicht die Kenntnis von Umständen, die zwingend auf die Zahlungsunfähigkeit schließen lassen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 – IX ZR 104/07, WM 2010, 711 Rn. 48).

Herkömmlich wird zwischen der Erteilung von „weichen“ und „harten“ Patronatserklärungen unterschieden. Weiche Patronatserklärungen, bei denen es sich um bloße Informationen über die Zahlungsfähigkeit einer Tochtergesellschaft oder um allenfalls moralisch verpflichtende Good-will-Erklärungen handelt, haben keinen rechtsgeschäftlichen Charakter und begründen damit keine irgendwie geartete Verbindlichkeit des Patrons (MünchKomm-BGB/Habersack, 5. Aufl., Rn. 54 vor § 765; Jaeger/Henckel, InsO, § 35 Rn. 73; Maier-Reimer/Etzbach, NJW 2011, 1110, 1111). Demgegenüber übernimmt der Patron durch eine harte, rechtsgeschäftliche Patronatserklärung entweder im Innenverhältnis zu seiner Tochtergesellschaft oder im Außenverhältnis zu deren Gläubiger die Verpflichtung, die Tochtergesellschaft in der Weise auszustatten, dass sie stets in der Lage ist, ihren finanziellen Verbindlichkeiten zu genügen (Uhlenbruck/Hirte, InsO, 13. Aufl. § 35 Rn. 168).

Eine harte Patronatserklärung statuiert eine rechtsgeschäftliche Einstandspflicht des Patrons gegenüber dem Adressaten der Erklärung (BGH, Urteil vom 30. Januar 1992 – IX ZR 112/91, BGHZ 117, 127, 132 ff; Haußer/Heeg, ZIP 2010, 1427, 1430).

Eine von der Muttergesellschaft zugunsten ihrer Tochtergesellschaft abgegebene konzerninterne Patronatserklärung, die auch als Verlustdeckungszusage oder Verlustübernahmeerklärung bezeichnet wird (MünchKomm-BGB/Habersack, aaO Rn. 49 vor § 765; BGH, Urteil vom 8. Mai 2006 – II ZR 94/05, WM 2006, 1202 Rn. 10), begründet auch in der Insolvenz der Tochtergesellschaft zu deren Gunsten einen eigenen von dem Insolvenzverwalter zu verfolgenden Ausstattungsanspruch gegen die Muttergesellschaft (OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, ZInsO 2004, 1040 ff; Uhlenbruck/Hirte, aaO, § 35 Rn. 169; Allstadt-Schmitz in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 2. Aufl. BankR IV Rn. 733; Blum, NZG 2010, 1331; Maier-Reimer/Etzbach, aaO S. 1115).

Die von der Muttergesellschaft dem Gläubiger ihrer Tochtergesellschaft erteilte externe Patronatserklärung verwandelt sich in der Insolvenz der Schuldnerin in eine Pflicht zur Direktzahlung an diesen (BGH, Urteil vom 30. Januar 1992, aaO; vom 8. Mai 2003 – IX ZR 334/01, WM 2003, 1178, 1179 f; MünchKomm-InsO/Lwowski/Peters, 2. Aufl., § 35 Rn. 405; Merkel in Schimansky/Bunte/Lwowski, Handbuch des Bankrechts, 3. Aufl. § 98 Rn. 37; MünchKomm-BGB/Habersack, aaO Rn. 52 vor § 765; Allstadt-Schmitz, aaO BankR IV Rn. 730; Maier-Reimer/Etzbach, aaO S. 1114). Eine solche konzernexterne Patronatserklärung schafft jedoch keine eigenen Ansprüche der Tochtergesellschaft gegen die Muttergesellschaft (MünchKomm-BGB/Habersack, aaO Rn. 51 vor § 765; Jaeger/Henckel, aaO; Uhlenbruck/Hirte, aaO; von Rosenberg/Kruse, BB 2003, 641, 647; Haußer/Heeg, aaO S. 1431; Maier-Reimer/Etzbach, aaO S. 1112).

Mit Hilfe einer konzerninternen Patronatserklärung, durch die sich die Muttergesellschaft gegenüber ihrer Tochtergesellschaft verpflichtet, dieser die zur Erfüllung ihrer jeweils fälligen Forderungen benötigten Mittel zur Verfügung zu stellen, kann die Zahlungsunfähigkeit der Tochtergesellschaft vermieden werden. Dies setzt jedoch – falls nicht der Tochtergesellschaft ein ungehinderter Zugriff auf die Mittel eröffnet wird – voraus, dass die Muttergesellschaft ihrer Ausstattungsverpflichtung tatsächlich nachkommt (Ziemons, GWR 2009, 411, 413; Blum, aaO).

Im Streitfall wurde seitens der D. AG gegenüber der Beklagten als Gläubigerin eine harte Patronatserklärung für die Schuldnerin als ihre Tochtergesellschaft erteilt. Diese konzernexterne Patronatserklärung vermag für sich genommen mangels Begründung eigener Ansprüche weder eine Zahlungsunfähigkeit noch eine Überschuldung der Tochtergesellschaft zu beseitigen. Dies kommt vielmehr erst in Betracht, wenn die Patronin ihre gegenüber dem Gläubiger eingegangen Verpflichtungen durch eine Liquiditätsausstattung der Tochtergesellschaft tatsächlich erfüllt (vgl. Merkel, aaO § 98 Rn. 44).

Danach war allein die Erteilung der harten Patronatserklärung durch die D. AG nicht geeignet, die Kenntnis der Beklagten von der Zahlungsunfähigkeit der Schuldnerin zu beseitigen. Mangels einer der Beklagten erkennbaren Liquiditätszufuhr seitens der D. AG an die Schuldnerin bestanden die auf eine Zahlungsunfähigkeit hindeutenden Umstände weiter. Darum scheidet ein Wegfall der Kenntnis der Beklagten von vornherein aus (BGH, Urteil vom 11. Februar 2010 – IX ZR 104/07, aaO Rn. 48). Es bestanden vielmehr keine Anhaltspunkte, welche die Annahme der Beklagten rechtfertigen konnten, die Schuldnerin habe die Zahlungen wieder aufgenommen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2007 – IX ZR 93/06, WM 2008, 452 Rn. 36; vom 27. März 2008, aaO Rn. 23).

Schlagworte: Beseitigung der Zahlungseinstellung, GmbHG § 64 Satz 1, Liquiditätsbilanz, Patronatserklärung, Zahlungen nach Insolvenzreife, Zahlungseinstellung, Zahlungsunfähigkeit