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BGH, Urteil vom 19. November 1984 – II ZR 102/84

§ 119 Abs 1 HGB, § 161 Abs 1 HGB

Zur Frage, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfange der Beirat (Verwaltungsrat) einer Publikumskommanditgesellschaft zu Änderungen des Gesellschaftsvertrages ermächtigt werden kann.

Vertragsändernde Mehrheitsentscheidungen sind nicht zulässig, soweit sie in die Rechtsstellung der Gesellschafter — in ihre rechtliche und vermögensmäßige Position in der Gesellschaft — eingreifen; den Gesellschaftern steht insoweit ein unverfügbarer Kernbereich von Rechten zu. Daraus folgt jedoch nicht, daß die im vorliegenden Fall durch vertragsändernden Mehrheitsbeschluß erfolgte Ermächtigung des Verwaltungsrats, Aufgaben der Gesellschafterversammlung wahrzunehmen, unwirksam ist, soweit es um die hier in Frage stehende Befugnis geht, die gesellschaftsvertragliche Regelung, wonach jährlich 15 % Zinsen auf die Kapitaleinlagen zu zahlen sind, hinsichtlich des Fälligkeitszeitpunkts zu ändern. Hierbei bedarf es keiner abschließenden Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen und mit welchen Wirkungen der Verwaltungsrat zu Änderungen des Gesellschaftsvertrags ermächtigt werden kann, die die Rechtsstellung einzelner oder aller Gesellschafter verkürzen. Die Ermächtigung des Verwaltungsrats der beiden Beklagten, soweit sie das Recht begründet, die Fälligkeit des gesellschaftsvertraglich begründeten Zinsanspruchs hinauszuschieben, ist jedenfalls deshalb als zulässig und demgemäß der entsprechende Verwaltungsratsbeschluß als wirksam zu erachten, weil die wirtschaftliche Lage der Beklagten die Aussetzung der Zinszahlungen gebot und demgemäß im Verhältnis der Gesellschafter untereinander die Rechtspflicht entstand, den insoweit notwendigen Maßnahmen zuzustimmen. Es stellte eine Verletzung der gesellschaftlichen Treuepflicht dar, wenn sich ein Gesellschafter dieser Notwendigkeit verschlösse. Ist aber die Gesamtheit der Gesellschafter unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Treuepflicht gehalten, einer Änderung der gesellschaftsvertraglichen Regelung über die Verzinsung der Kapitaleinlagen — hier in der Form einer vorübergehenden Aussetzung der Zinszahlungen — zuzustimmen, so können Gesellschafterbeschlüsse, die mit der für Vertragsänderungen vorgeschriebenen 3/4-Mehrheit den Verwaltungsrat hierzu ermächtigen, und die in diesem Rahmen liegenden Maßnahmen des Verwaltungsrats nicht mit der Begründung als unwirksam angesehen werden, sie verkürzten in unzulässiger Weise die rechtliche und vermögensmäßige Position der Gesellschafter.

Schlagworte: Bestimmtheitsgrundsatz, Relativ unentziehbare Mitgliedschaftsrechte, Schlechthin unverzichtbare Mitgliedschaftsrechte