Einträge nach Montat filtern

BGH, Urteil vom 2. Dezember 2010 – IX ZR 247/09

BGB § 823Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 823
; StGB § 266a

Trotz Strafbarkeit unterbliebener Abführung von Arbeitnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung erleidet der zuständige Versicherungsträger keinen Schaden, wenn die Beitragszahlung im Insolvenzverfahren erfolgreich angefochten worden wäre (Bestätigung von BGH, 14. November 2000, VI ZR 149/99, WM 2001, 162 und BGH, 18. April 2005, II ZR 61/03, WM 2005, 1180).

Führt der Arbeitgeber pflichtwidrig die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung nicht ab, so kann sich dieser zwar auch dann nach der Vorschrift des § 266a Abs. 1 StGB strafbar machen, wenn pflichtgemäß entrichtete Zahlungen von dem Träger der Sozialversicherung später im Wege der Insolvenzanfechtung hätten zurückbezahlt werden müssen (BGH, Beschl. v. 30. Juli 2003 – 5 StR 221/03, BGHSt 48, 307, 312 f). Ein nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 266a Abs. 1 StGB ersatzfähiger Schaden des Sozialversicherungsträgers entfällt jedoch, wenn pflichtgemäß geleistete Zahlungen anfechtungsrechtlich keinen Bestand gehabt hätten (BGH, Urt. v. 14. November 2000 – VI ZR 149/99, WM 2001, 162, 164; v. 18. April 2005 – II ZR 61/03, WM 2005, 1180, 1182; vgl. auch BGH, Urt. v. 25. Oktober 2001 – IX ZR 17/01, BGHZ 149, 100, 107 a.E.; v. 29. September 2008 – II ZR 162/07, ZIP 2008, 2220 Rn. 14; v. 9. August 2005 – 5 StR 67/05, ZIP 2005, 1678, 1679; OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG München
NZI 2010, 943, 944 f). Daran ändert nichts, dass der organschaftliche Vertreter einer zahlungsunfähigen Kapitalgesellschaft inzwischen einhellig als verpflichtet angesehen wird, die Arbeitnehmeranteile zum Gesamtsozialversicherungsbeitrag abzuführen, selbst wenn dies die Gläubigergleichbehandlung im Insolvenzverfahren beeinträchtigt (zur Änderung der Rechtsprechung des II. Zivilsenats in diesem Punkt vgl. BGH, Urt. v. 14. Mai 2007 – II ZR 48/06, ZIP 2007, 1265 Rn. 12). Aus der Straftat und vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung kann ein ersatzfähiger Schaden allenfalls hergeleitet werden, wenn der Verletzungstatbestand einen solchen Erfolg voraussetzt, nicht bei dem hier gegebenen Handlungsunrecht. Auch aus der steuerlichen Vertreterhaftung nach den §§ 69, 34 AO trotz Anfechtbarkeit der unterbliebenen Lohnsteuerabführung (BFH, Urt. v. 4. Dezember 2007 – VII R 18/06, BFH/NV 2008, 386) kann nicht umgekehrt geschlossen werden, gerade wegen der Haftung müsse auch ein entsprechender Schaden eingetreten sein.

Das Vorbringen der Beklagten, sie habe darauf vertraut, ein Großkunde werde bis spätestens Mitte Dezember 1997 eine hohe Zahlung an die Insolvenzschuldnerin leisten, ist rechtlich unerheblich, weil die Beklagte die Auszahlung der Nettolöhne an die Mitarbeiter veranlasst hat. Der Arbeitgeber ist nach § 266a Abs. 1 StGB verpflichtet, im Falle eines Mangels an Zahlungsmitteln vorrangig die Arbeitnehmerbeiträge zur Sozialversicherung abzuführen und geeignete Vorkehrungen zu treffen, um ausreichende Liquidität zur Begleichung dieser Beiträge im Feststellungszeitpunkt bereitzustellen (BGH, Urt. v. 21. Januar 1997 – VI ZR 338/95, BGHZ 134, 304, 308 ff; Beschl. v. 28. Mai 2002 – 5 StR 16/02, BGHSt 47, 318, 321 ff; v. 30. Juli 2003 – 5 StR 221/03, BGHSt 48, 307, 311 ff; Urt. v. 25. September 2006 – II ZR 108/05, WM 2006, 2134 Rn. 10; v. 18. Januar 2007 – IX ZR 176/05, WM 2007, 659 Rn. 18). Die Beklagte hätte daher die Auszahlung der Löhne kürzen und die verfügbaren Zahlungsmittel vorrangig zur Abführung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung verwenden müssen.

Kann der Rechtsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung für den vollstreckbaren Anspruch der Beklagten in der Hauptsache festgestellt werden, wird das Berufungsgericht weiter zu prüfen haben, ob dies auch für die Kosten von 134,01 € und weiteren Nebenforderung von 2,56 € gilt, welche die Klägerin, anders als die beanspruchten Zinsen, in diesem Feststellungsstreit bisher nicht fallengelassen hat. Die Vorschrift des § 302 Nr. 1 InsO dient in gleicher Wertung wie das Aufrechnungsverbot des § 393 BGB dazu, die Durchsetzbarkeit von Forderungen aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zu stärken. Zu diesem Zweck werden Einwendungen versagt, welche die Rechtsordnung dem insoweit schutzwürdigen Schuldner im Allgemeinen gewährt. Ebenso wie für das Aufrechnungsverbot gegen den Täter eines Vorsatzdelikts anerkannt ist, dass es auch Folgeschäden wie Verzugszinsen (BGH, Urt. v. 18. November 2010 – IX ZR 67/10, z.V.b.) und Rechtsverfolgungskosten (OLG KarlsruheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Karlsruhe
MDR 1969, 483; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
NJW-RR 1990, 829 f; Staudinger/Gursky, BGB 13. Bearb. 2006 § 393 Rn. 22; MünchKomm-BGB/Schlüter, 5. Aufl. § 393 Rn. 3; vgl. auch BFHE 178, 532, 537) schützend umfasst, hat dies auch für die entsprechende Ausnahme von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO zu gelten.

Schlagworte: Anfechtbarkeit, Arbeitnehmeranteile, Beitragsvorenthaltung, Geschäftsführer, Haftung wegen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen gem. § 266a StGB, Haftungsumfang, Insolvenz, Säumniszuschläge, Vorenthalten, Vorrang der Beitragsansprüche, Zahlungsmöglichkeit