§ 34 GmbHG, § 47 Abs 4 GmbHG
a) Zur Frage des Stimmrechts des betroffenen Gesellschafters bei entschädigungsloser Einziehung seines Geschäftsanteils.
Fraglich ist allerdings, ob sich ein Ausschluß der Klägerinnen vom Stimmrecht schon aus der gesetzlichen Vorschrift des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG herleiten läßt (so für die Zwangseinziehung allgemein: Schmidt in Hachenburg, GmbHG 6. Aufl. § 47 Anm. 25 a; a. M. Baumbach/Hueck, GmbHG 13. Aufl. § 34 Anm. 3 A; Scholz/Fischer, Kleinkomm. z. GmbHG 7. Aufl. § 47 Anm. 5; Zöllner, Die Schranken mitgliedschaftlicher Stimmrechtsmacht bei privatrechtlichen Personenverbänden, 1963, S. 241). Zwar liegt in der Einziehung ein Rechtsgeschäft gegenüber dem betroffenen Gesellschafter. Aber das Stimmverbot des § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG gilt nicht für Beschlüsse über innergesellschaftliche Angelegenheiten, bei denen jeder Gesellschafter aufgrund seines Mitgliedschaftsrechts von der Sache her zur Mitwirkung berufen ist; darunter fallen z. B. die Genehmigung einer Anteilsveräußerung (BGHZ 48, 163, 166 f) oder die Benennung derjenigen Personen, an die nach dem Gesellschaftsvertrag die Erben eines Gesellschafters ihre Anteile abzutreten haben (Urt. d. Sen. v. 24. 1. 74 aaO). Als eine solche mitgliedschaftliche Angelegenheit könnte man auch die Einziehung eines Geschäftsanteils auffassen. Gleichwohl möchte das Berufungsgericht den von der Einziehung betroffenen Gesellschafter zumindest in einer Familiengesellschaft allgemein vom Stimmrecht ausgeschlossen wissen. Es verweist hierzu auf die Rechtsprechung des Senats, wonach ein Gesellschafter nicht „Richter in eigener Sache“ sein kann und deshalb nicht über seine Ausschließung aus wichtigem Grund mit abstimmen darf (BGHZ 9, 157, 176). Dabei handelt es sich in der Regel um eine von dem Gesellschafter selbst ausgehende Gefährdung der Gesellschaft, die seine weitere Mitgliedschaft für die anderen Gesellschafter unzumutbar macht. Damit ist der Fall der Einziehung aus einem in der Satzung bestimmten sonstigen Grund nicht ohne weiteres gleichzusetzen, zumal hier vielfach dem Interesse des Betroffenen an seinem Verbleiben in der Gesellschaft ein gleich starkes persönliches Interesse der übrigen Gesellschafter an der mit der Einziehung verbundenen Erweiterung ihrer eigenen Beteiligungen gegenübersteht, so daß mit dem Gesichtspunkt des Interessenkonflikts ein Stimmverbot allein für den Inhaber des einzuziehenden Anteils unter Umständen kaum zu rechtfertigen ist.
b) Das Berufungsgericht geht davon aus, daß § 4 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten unter dem Begriff „Veräußerung“ nicht nur die rechtsgeschäftliche Übertragung, sondern auch die Vererbung von Geschäftsanteilen an die Zustimmung aller Gesellschafter bindet. Dieser Auslegung, die der Senat frei nachzuprüfen hat (Urt. d. Sen. v. 24. 1. 74 – II ZR 65/72, LM GmbHG § 47 Nr. 21 m. w. N.), ist beizutreten. Wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, sind die Worte „Gesamtnachfolge“ und „eintritt“ ersichtlich auf den Rechtsübergang kraft Erbfolge gemünzt. Dasselbe gilt für das Wort „übergehen“ in dem folgenden Absatz 3, der den Anteilserwerb durch Gründer, Ehefrauen und Abkömmlinge von dem Zustimmungserfordernis ausnimmt und sich damit auch gedanklich unmittelbar an Absatz 2 des § 4 anschließt. Der von der Revision herangezogene Fall der Gesamtrechtsnachfolge bei Umwandlung der GmbH in eine Personengesellschaft oder ein Einzelunternehmen liegt zu fern, als daß er für die Fassung dieser Vorschriften eine Rolle gespielt haben könnte, zumal die Regelung den Übergang von Geschäftsanteilen und nicht die Übertragung des Gesellschaftsvermögens betrifft, wie sie bei einer Umwandlung erfolgt. Vor allem aber liegt die Einbeziehung des Erwerbs von Todes wegen in die Zustimmungsbedürftigkeit durchaus im Sinne der Gesamtregelung, deren in Absatz 1 klar ausgesprochenes Ziel es ist, das Unternehmen als Familiengesellschaft zu erhalten.
c) Der Senat stimmt dem Berufungsgericht schließlich auch darin zu, daß § 4 Abs. 5 der Satzung nicht deshalb als von Anfang an ungültig zu betrachten ist, weil er die Einziehung ohne Entschädigung vorsieht. Der Sinn einer solchen Regelung ist der, die Erhaltung der Gesellschaft als Familienunternehmen nicht an der erheblichen Belastung scheitern zu lassen, die eine Abfindungsverpflichtung gegenüber den ausscheidenden Anteilsinhabern für die Gesellschaft bedeuten kann. Das ist ein vernünftiger und sachgerechter Grund auch für den völligen Ausschluß des Einziehungsentgelts. Mit Recht werden daher für alle Gesellschafter geltende Satzungsbestimmungen, wonach beim Tod eines Gesellschafters dessen Geschäftsanteil entschädigungslos eingezogen werden kann, allgemein als zulässig angesehen (Wiedemann aaO S. 96; Schilling, GmbHRdsch 1962, 205, 206; Baumbach/Hueck aaO § 34 Anm. 2 B; zu ähnlichen Regelungen bei der oHG: BGHZ 22, 186, 194; Urt. d. BGH v. 20. 12. 65 – II ZR 145/64, WM 1966, 367 u. v. 14. 7. 71 – III ZR 91/70, WM 1971, 1338; Heckelmann, Abfindungsklauseln in Gesellschaftsverträgen, 1973, S. 40 ff, 105, 113 m. w. N.).
d) Besondere Umstände, die eine volle Ausnutzung der Einziehungsklausel durch die anderen Gesellschafter unter den heutigen Verhältnissen als mißbräuchlich erscheinen lassen könnten, sind nach dem vorgetragenen Sachverhalt ebenfalls nicht gegeben.
Zu Unrecht hält die Revision in diesem Zusammenhang den Ausschluß der Klägerinnen von einer angemessenen Abfindung für unvereinbar damit, daß nach den §§ 5 und 6 des Gesellschaftsvertrags sowohl bei Ausschließung eines Gesellschafters als auch bei einer Kündigung dem ausscheidenden Gesellschafter der unverkürzte Wert seines Geschäftsanteils zu vergüten ist. Diese Regelungen betreffen einen ganz anderen Sachverhalt als den hier zu beurteilenden: Einem Gründer oder einem seiner nach § 4 Abs. 3 der Satzung bevorzugten, weil zur Familie gehörigen Rechtsnachfolger soll zu Lebzeiten der volle wirtschaftliche Wert seiner Beteiligung auch dann verbleiben, wenn seine Mitgliedschaft, gleichviel aus welchem Grund, endet; das schließt die freie Verfügung über einen als Abfindung erhaltenen Betrag ein. Erlischt dagegen die Mitgliedschaft erst durch den Tod, so soll die Beteiligung, wenn sie nicht an ein Familienmitglied vererbt wird, aus dem Vermögen des Erblassers ausscheiden und wertmäßig auf die verbleibenden Gesellschafter als diejenigen übergehen, die jetzt die Familie Stahl allein verkörpern.
Auch der weitere, von der Revision angeführte Gesichtspunkt, daß der Charakter einer Familiengesellschaft sich im Laufe der Zeit verlieren könne, kommt nicht zum Zuge. Der Fall, daß die Gesellschaft aufgrund einer Satzungsänderung oder der durch § 4 Abs. 2 der Satzung ermöglichten Zulassung familienfremder Anteilserwerber aufgehört hat, ein Familienunternehmen zu sein, ist bisher nicht eingetreten. Auch erfordert der vorliegende Sachverhalt keine Erörterungen darüber, ob die von den Gründern vereinbarte Familienbindung des Gesellschaftsvermögens über Generationen hinweg unverändert fortwirken kann. Hier hat erst ein Generationswechsel stattgefunden, da Fritz und Willi St zu den Gründern gehörten und ihre Ehefrauen noch derselben Generation zuzurechnen sind (vgl. auch § 4 Abs. 4 der Satzung). Bei dieser Sachlage läßt sich die uneingeschränkte Verbindlichkeit der von den Gründern getroffenen Nachfolgeregelung auch für die heutigen Anteilsinhaber nicht in Zweifel ziehen.
Ohne Erfolg beruft sich die Revision schließlich auf Stimmen im Schrifttum, insbesondere zur Personengesellschaft, nach denen es trotz entsprechender Regelung im Gesellschaftsvertrag im Einzelfall als unzulässige Rechtsausübung zu betrachten sein kann, einem ausscheidenden Gesellschafter die angemessene Abfindung zu versagen (vgl. etwa Hueck, Das Recht der oHG, 4. Aufl. § 24 I 5 S. 366; Möhring in Festschr. f. Barz, 1974, S. 58 f, 66). Diese Stimmen beziehen sich auf den mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbaren Fall, daß sich die Gesellschafter im Interesse der Erhaltung des Unternehmens auf eine nicht vollwertige, aber aus der Sicht bei Vertragsabschluß als angemessen empfundene Abfindung für einen ausscheidenden Gesellschafter geeinigt haben und diese Regelung infolge sehr günstiger Entwicklung des Unternehmens später zu einer in diesem Ausmaß nicht vorgestellten unzumutbaren Benachteiligung des ausscheidenden Gesellschafters führen würde. Bei einer Einziehungsklausel, wie sie hier zu erörtern ist, geht es hingegen darum, unabhängig von irgendwelchen Wertvorstellungen Fremde vom Erwerb des in die Gesellschaft eingebrachten Familienvermögens überhaupt auszuschließen.
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