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BGH, Urteil vom 20. Juni 1983 – II ZR 237/82

§ 61 Abs 1 GmbHG, § 34 Abs 1 GmbHG, § 21 Abs 1 GmbHG, § 34 Abs 2 GmbHG, § 21 Abs 2 GmbHG

a) Die Gesellschafter einer GmbH können, wenn sie die Satzung dazu ermächtigt, einen Mitgesellschafter aus wichtigem Grunde dadurch ausschließen, daß sie seinen Geschäftsanteil an Mitgesellschafter oder Dritte mit deren Zustimmung abtreten; der Zeitpunkt der Ausschließung braucht nicht von der Abfindungszahlung abhängig gemacht zu werden.

b) In einer auf die Mitarbeiter aller Gesellschafter angelegten GmbH kann die Satzung bestimmen, daß die Beendigung der Mitarbeit ein Ausschließungsgrund ist.

Tatbestand

Die Beklagte, eine GmbH mit einem Stammkapital von 100.000 DM, betreibt ein Tiefbauunternehmen, in dem alle Gesellschafter mitarbeiten. Der Kläger war einer der Gründungsgesellschafter mit zuletzt zwei Geschäftsanteilen von je 10.000 DM. Am 14./15. November 1979 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis des Klägers aus wichtigem Grunde. Im anschließenden Prozeß verglichen sich die Parteien am 27. Februar 1980 vor dem Arbeitsgericht dahin, daß das Arbeitsverhältnis aus betrieblichen Gründen durch fristgemäße Kündigung mit dem 31. Dezember 1979 beendet sei. Am 28. Januar 1981 faßte die Gesellschafterversammlung der Beklagten in Abwesenheit des Klägers auf der Grundlage der Absätze zwei und drei des § 8 der Satzung einstimmig den folgenden Beschluß:

„Ein Geschäftsanteil des Gesellschafters K-D K in Höhe von DM 10.000 wird mit Gewinnbezugsrecht ab 1.1.1980 auf den Gesellschafter J O übertragen, der andere Geschäftsanteil von DM 10.000 auf den Gesellschafter H R, und zwar ebenfalls mit Gewinnbezugsrecht ab 1.1.1980. Falls die Gesellschafter O und R die Übertragung annehmen, haben sie an Herrn K-D K den steuerlichen Kurswert der übertragenen Anteile per 31.12.1979 zu zahlen. Sollte über den steuerlichen Kurswert der Geschäftsanteile keine Einigung erzielt werden, so entscheidet über die Höhe dieses Wertes ein vom Präsidenten der für H-U zuständigen Industrie- und Handelskammer zu benennender Wirtschaftsprüfer, der zu den beteiligten Gesellschaftern in keinem Beratungsverhältnis stehen darf, endgültig und unter Ausschluß des ordentlichen Rechtsweges.“

R und O nahmen die Übertragung an und verpflichteten sich, den steuerlichen Kurswert zu zahlen.

Die Absätze zwei und drei des § 8 der Satzung in der am 30. Oktober 1979 beschlossenen Fassung hatten folgenden Wortlaut:

„2. Wird in die Geschäftsanteile eines Gesellschafters die  Zwangsvollstreckung betrieben oder wird über das Vermögen eines Gesellschafters das Konkurs- oder gerichtliche Vergleichsverfahren eröffnet oder ist der Gesellschafter, aus welchen Gründen auch immer, nicht mehr in der von der Gesellschaft gegründeten Firma tätig, dann ist die Gesellschaft berechtigt, die Geschäftsanteile des betreffenden  Gesellschafters einzuziehen. Die Einziehung erfolgt mit Wirkung des Tages, an dem eines der vorstehenden Ereignisse in der Person eines Gesellschafters eintritt. Der betreffende Gesellschafter wird mit dem jeweiligen steuerlichen Kurswert (gemeiner Wert) seines Geschäftsanteiles abgefunden.

3. Statt der Einziehung kann die Gesellschafterversammlung in den vorgenannten Fällen auch beschließen, daß der Geschäftsanteil des ausscheidenden Gesellschafters auf eine von ihr benannte dritte Person, die auch ein Gesellschafter sein kann, zu gleichen Bedingungen übertragen wird.“

Der Kläger hält den Beschluß vom 28. Januar 1981 für unwirksam. Mit der Klage will er festgestellt wissen, daß er weiterhin Gesellschafter der Beklagten ist. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und das Berufungsgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

Die Vorinstanzen haben zutreffend festgestellt, daß der Kläger nicht mehr Gesellschafter der verklagten GmbH ist. Seine Mitgliedschaft endete, als ihm die Gesellschafter ihren Beschluß bekanntgaben, daß seine Geschäftsanteile mit Zustimmung der Mitgesellschafter R und O an diese abgetreten seien. Die Revision macht zu Unrecht geltend, die dem Beschluß zugrundeliegenden Absätze 2 und 3 des § 8 der Satzung seien unwirksam.

1.

a) Häufiges Mittel, einen Gesellschafter aufgrund der Satzung auszuschließen, ist die im § 8 Abs. 2 der Satzung vorgesehene Einziehung des Anteils nach § 34 GmbHG. Es sind aber durch die Satzung auch andere Gestaltungen möglich; so entsprechend § 21 GmbHG die Kaduzierung des Anteils (Hachenburg/Goerdeler, GmbHG, § 21 Anm. 40; Scholz/ Winter, GmbHG, § 21 Anm. 4) mit der Folge, daß die Gesellschaft den kaduzierten Anteil an Mitgesellschafter oder Dritte abtreten kann, wenn diese zustimmen. Die Satzung kann – wie im vorliegenden Falle – die Gesellschafter aber auch, ohne daß der Anteil zuvor kaduziert werden muß, gleich zu dessen Abtretung ermächtigen. Diese wirkt – wie der Revision einzuräumen ist – nicht zurück. Wenn sie nach der Satzung ab dem Tage wirken soll, an dem das den Ausschluß rechtfertigende Ereignis eingetreten ist, so kann damit nur eine schuldrechtliche Rückbeziehung gemeint sein, gegen die – vorbehaltlich besonderer Umstände im Einzelfall – grundsätzlich keine rechtlichen Bedenken bestehen.

b) Unbedenklich ist ferner, daß der Gesellschafter zum jeweiligen steuerlichen Kurswert (gemeinen Wert) abgefunden werden soll. Auch die Revision rügt nicht, daß diese Abfindung unbillig sei. Im übrigen hätte eine zu niedrige Abfindung nicht zur Folge, daß die Absätze 2 und 3 der Satzung nichtig wären; es würde lediglich anstelle der zu geringen die angemessene Abfindung treten.

Die Revision beanstandet, daß die GmbH über den Anteil soll verfügen dürfen, ohne daß der Ausgeschiedene zugleich die Abfindung erhält. Auch das Berufungsgericht hält den Betroffenen insoweit für schutzbedürftig. Es meint daher, die GmbH dürfe den Anteil zwar abtreten, aber nur unter der aufschiebenden Bedingung, daß der Ausgeschiedene abgefunden werde. Sowohl das Berufungsgericht als auch die Revision lassen sich dabei von früheren Überlegungen des Senats zu Sachverhalten leiten, in denen ein Gesellschafter – mangels Regelung in der Satzung – durch Gestaltungsurteil ausgeschlossen worden ist (vgl. BGHZ 9, 157; 16, 317). Im vorliegenden Falle geht es aber um den Anteil eines aufgrund der Satzung ausgeschlossenen Gesellschafters. Die Satzung kann nicht nur das Urteil durch den gestaltenden Beschluß ersetzen; sie kann auch die Verwertung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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anders regeln, insbesondere – wie im vorliegenden Falle – anstelle einer bedingten die bedingungslose Abtretung und damit den sofortigen Verlust des Anteils vorsehen. Die – im Gegensatz zur Klage – sofortige Wirkung des Beschlusses ist gerade der Sinn einer satzungsmäßigen Ausschlußklausel. Das Urteil des Senats vom 25. Januar 1960 (BGHZ 32, 17) steht hierzu nicht im Widerspruch. Dort behielt der ausgeschlossene Gesellschafter den Geschäftsanteil nicht deshalb, weil über diesen bedingt verfügt worden wäre, sondern weil die Gesellschaft darüber bisher überhaupt nicht verfügt, vielmehr den Mitgesellschafter zunächst nur persönlich ausgeschlossen hatte. Auch wenn der Gesellschafter den Anteil bedingungslos verliert, muß gewährleistet sein, daß er die ihm nach der Satzung zustehende Abfindung erhält. Der bei der Ausschließungsklage und anderen Gestaltungen erörterte Gesichtspunkt, dies könne in Frage gestellt sein, wenn Abfindungsschuldner die Gesellschaft und diese durch § 30 GmbHG an der Auszahlung gehindert sei, spielt aber keine Rolle, wenn Mitgesellschafter den Anteil erwerben und die Abfindung zu zahlen haben; der Ausgeschiedene ist gerade hier weitgehend geschützt, weil er notfalls die Geschäftsanteile dieser Gesellschafter pfänden und sich so befriedigen kann. Auf die weitere Frage, ob bei einer Anteilsübertragung auf Dritte eine subsidiäre HaftungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der GmbH für die Abfindung in Betracht kommt, braucht nicht eingegangen zu werden. Dem Kläger geht es in diesem Rechtsstreit um die Mitgliedschaft und nicht um die Abfindung; er hat auch gar nicht behauptet, daß die Zessionare sie nicht zahlen können.

c) Rechtliche Bedenken gegen die Wirksamkeit des § 8 der Satzung bestehen nicht. In einer personalistisch ausgerichteten, auf die Mitarbeit aller Gesellschafter angelegten GmbH kann die Satzung ohne weiteres den Ausschluß eines Gesellschafters vorsehen, der nicht mehr mitarbeitet. Das Ende der Mitarbeit ist ein sachlicher Grund, den Gesellschafter am künftigen Erfolg des Unternehmens nicht mehr zu beteiligen. Allerdings nehmen Berufungsgericht und Revision zutreffend an, daß das nicht ausnahmslos gelten kann. Beendet die Gesellschaft das Arbeitsverhältnis ohne sachlichen Grund willkürlich, wäre der Ausschluß – falls keine anderen Gründe vorliegen – sachlich nicht gerechtfertigt, sondern ebenfalls willkürlich und deshalb nichtig. Dieses von der Gesellschaft willkürlich herbeigeführte Ende der Mitarbeit deckt die Satzung nicht. Legt man diese aber insoweit einschränkend aus, läßt sich nichts dagegen einwenden, daß ein Gesellschafter ausgeschlossen wird, weil er nicht mehr mitarbeitet.

2.

Entgegen der Ansicht der Revision braucht nicht entschieden zu werden, ob die Beklagte am 14./15. November 1979 wichtige Gründe für die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses hatte. Die GmbH hat das Arbeitsverhältnis zwar einseitig aus Gründen zu lösen versucht, die der Kläger bestritten hat. Er hat aber im Kündigungsschutzprozeß vergleichsweise zugestimmt, daß es aus betrieblichen Gründen mit dem 31. Dezember 1979 endete. Anhaltspunkte, daß die GmbH diesen Vergleich willkürlich herbeigeführt hat, bestehen nicht. Die Gesellschafter durften deshalb den Ausschluß unbedenklich darauf stützen. § 8 Abs. 2 und 3 war mehrere Monate vor Vergleichsabschluß in die Satzung eingefügt worden und daher eine ausreichende Grundlage für den Ausschließungsbeschluss.

Das Berufungsgericht hat folglich die Berufung mit Recht zurückgewiesen.

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