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BGH, Urteil vom 21. März 1988 – II ZR 194/87

§ 130a Abs 1 S 2 HGB, § 177a HGB, § 64 GmbHG

Die Verpflichtung zur Stellung des Insolvenzantrags und die Verantwortung für die Verletzung dieser Pflicht trifft auch denjenigen, der, ohne zum Geschäftsführer bestellt zu sein, die Geschäfte der GmbH tatsächlich wie ein Geschäftsführer oder Mitgeschäftsführer führt. Eine völlige Verdrängung der gesetzlichen Geschäftsführer ist nicht erforderlich.

Wie auch das Berufungsgericht nicht verkennt, trifft die Verpflichtung zur Stellung des Konkursantrags (§§ 64 GmbHG, 92 AktG) und die zivil- wie strafrechtliche Verantwortung für dessen Versäumung nach der herrschenden Meinung in Rechtsprechung und Schrifttum nicht nur denjenigen, der förmlich zum Geschäftsführer oder Vorstand bestellt ist, sondern auch denjenigen, der ohne eine solche Organstellung zu bekleiden, tatsächlich wie ein geschäftsführendes Organ tätig wird (vgl. BGHSt 3, 32ff.; 21, 101ff.; 31, 118ff.; Urt. v. 24.10.1973 – VIII ZR 82/72, WM 1973, 1354f.; BGHZ 75, 96, 106f.; GmbHG 7. Aufl. § 64 Rdnr. 11; Schulze-Osterloh in Baumbach/Hueck, GmbHG 14. Aufl. § 64 Rdnr. 6; Scholz/Karsten Schmidt, GmbHG 6. Aufl. § 64 Rdnr. 35). Für die GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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kann, was auch das Berufungsgericht als naheliegend bezeichnet, im Grundsatz nichts anderes gelten, nachdem das Gesetz (§§ 130a, 177a HGB) den Organen dieser Gesellschaft im wesentlichen inhaltsgleiche, nach dem Vorbild der §§ 64 GmbHG, 92 AktG ausgestaltete Verpflichtungen mit entsprechender Haftungsfolge im Verletzungsfall auferlegt hat (ebenso Schlegelberger/Karsten Schmidt, HGB 5. Aufl. § 177a Rdnr. 8; Baumbach/Duden/Hopt, HGB 27. Aufl. § 130a Anm. 1C).

Das Berufungsgericht überspannt jedoch die Anforderungen an die Annahme einer tatsächlichen Geschäftsführung in dem vorbezeichneten Sinne und verkennt damit deren rechtliche Voraussetzungen, wenn es diese im vorliegenden Fall nicht als erfüllt ansehen will. Dies gilt auch dann, wenn man es für die Gleichstellung des tatsächlichen mit dem organschaftlich berufenen Geschäftsführer nicht für ausreichend erachtet, daß jener aufgrund einer beherrschenden Stellung in der Gesellschaft Einfluß auf die Entscheidungen der zur Geschäftsführung berufenen Organe nimmt (so aber vor allem Karsten Schmidt in Scholz aaO sowie in JZ 1978, 661, 666 re.Sp.), sondern es für erforderlich hält, daß er selbst die Geschäfte der Gesellschaft wie ein Geschäftsführer geführt hat (so die beiden vorstehend zitierten Entscheidungen des VIII. und II. Zivilsenats des Bundesgerichtshofes sowie Ulmer, Schulze-Osterloh und Hopt, jeweils aaO). Insbesondere kann dem Berufungsgericht nicht gefolgt werden, wenn es davon ausgeht, eine haftungsauslösende tatsächliche Geschäftsführung könne nur dann angenommen werden, wenn eine „essentielle Verdrängung“ der Geschäftsführung aus ihrer gesetzlichen Stellung in dem Sinne feststellbar sei, daß der tatsächliche den nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berufenen Geschäftsführer völlig aus der ihm gesetzlich zugewiesenen Geschäftsführung verdrängt und sich allgemein an seine Stelle gesetzt habe. Wenn das Berufungsgericht meint, etwas anderes aus dem Urteil des Senats in BGHZ 75, 96, 106f. entnehmen zu müssen, so beruht dies auf einer Verkennung der Tragweite dieser Entscheidung. Es handelte sich dort darum, für den Sonderfall einer Kommanditgesellschaft auf AktienBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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mit nur einem persönlich haftenden und deshalb zur organschaftlichen Geschäftsführung der Gesellschaft berufenen Gesellschafter (§ 278 Abs. 2 AktG, §§ 164, 114 HGB) den Gebrauch von Herrschaftsmacht zur Erteilung von Weisungen an den vertretungsberechtigten Geschäftsführer von der eigenen Übernahme der Geschäftsführung abzugrenzen, wie auch daraus hervorgeht, daß der Senat darauf abgestellt hat, die ordentliche Geschäftsleitung habe trotz der sehr starken internen Stellung der Beklagten die Bank bis zu deren Schließung unter voller Eigenverantwortung weitergeführt. Sollte dieser Entscheidung der Grundsatz zu entnehmen sein, daß der gesetzliche Geschäftsführer völlig mit der Folge aus seiner Stellung verdrängt worden sein müsse, daß die Geschäftsführung ausschließlich in den Händen des faktischen Geschäftsführers gelegen habe, so könnte daran nicht festgehalten werden. Der Grund für die Haftung des tatsächlichen Geschäftsführers liegt letztlich darin, daß derjenige, der ohne dazu berufen zu sein, wie ein Geschäftsführer handelt, auch die Verantwortung eines Geschäftsführers tragen und wie ein solcher haften muß, wenn nicht der Schutzzweck des Gesetzes gefährdet werden soll. Dazu ist es jedoch nicht erforderlich, daß er die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt hat. Es muß jedenfalls bei der GmbH, die auf Fremdorganschaft beruht und stets mehrere Geschäftsführer haben kann, ausreichen, daß der Betreffende in maßgeblichem Umfang Geschäftsführungsfunktionen übernommen hat, wie sie nach Gesetz und Gesellschaftsvertrag für den Geschäftsführer oder Mitgeschäftsführer kennzeichnend sind. Dagegen steht es der Verantwortung und Haftung aus §§ 130a, 177a HGB nicht entgegen, wenn daneben in begrenztem Maße eine Geschäftsführung durch die dazu berufenen Gesellschaftsorgane weiterläuft. Entscheidend kann allein eine materielle Betrachtung sein, die aufgrund einer Gesamtschau darauf abstellt, ob der Betreffende die Geschicke der Gesellschaft – und zwar nicht nur durch interne Einwirkung auf die satzungsmäßigen Geschäftsführer, sondern durch eigenes, auch nach außen hervortretendes, üblicherweise der Geschäftsführung zuzurechnendes Handeln – so maßgeblich in die Hand genommen hat, daß ihm auch die Verantwortung für die rechtzeitige Stellung des Konkursantrages zufällt.

Schlagworte: faktischer Geschäftsführer, Haftung nach § 43 GmbHG, Innenhaftung, Insolvenzantrag, Passivlegitimation, Strohmann