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BGH, Urteil vom 22. Juli 2002 – II ZR 286/01

AktG §§ 241, 246

a) Streitgegenstand der aktienrechtlichen Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
ist das mit der Klage verfolgte prozessuale Ziel, die richterliche Klärung der Nichtigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses in Bezug auf seine fehlende Übereinstimmung mit Gesetz oder Satzung hinsichtlich seines Gegenstandes und Inhaltes sowie des zur Beschlussfassung führenden Verfahrens herbeizuführen.

b) Der Antrag der Anfechtungsklage ist so auszulegen, dass er auch das Begehren der Nichtigkeitsfeststellung enthält und umgekehrt.

Dagegen vermag der Senat dem Berufungsgericht nicht zu folgen, wenn es aus diesem Grunde die Berufung hinsichtlich der in Nr. 3 und 4 der Berufungsbegründung geltend gemachten Anfechtungs- und Nichtigkeitsgründe als unzulässig ansieht. Anträge und Vortrag zu jedem dieser beiden Punkte könnten nur dann Gegenstand einer von dem übrigen prozessualen Begehren des Klägers getrennten Entscheidung sein und zur Verwerfung der Berufung als unzulässig führen, wenn sie – bezogen auf jeden der angegriffenen Hauptversammlungsbeschlüsse, zu denen sie im Verfahren gestellt bzw. geltend gemacht worden sind – als selbständige Streitgegenstände anzusehen wären. Im Gegensatz zum Berufungsgericht verneint das der Senat.

Allerdings wird die Frage des Streitgegenstandsbegriffs für die aktienrechtliche Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
– ebenso wie für die Klagearten des bürgerlichen Rechtes (vgl. dazu u.a. Stein-Jonas/Schumann, ZPO 21. Aufl. § 260 Rdn. 8; Stein-Jonas/Roth, § 5 Rdn. 4; Zöller/Vollkommer, ZPO 23. Aufl. Einleitung 63 ff., insbesondere 71 ff.; Zöller/Greger, § 260 Rdn. 1; Reichold in Thomas/Putzo, ZPO 24. Aufl. Einleitung II Rdn. 3 ff., 24 ff.; § 260 Rdn. 3; MünchKomm. ZPO/Lüke, 2. Aufl. Vorbemerkung § 253 Rdn. 32 m.w.N.; Rosenberg/Schwab, Zivilprozeßrecht 15. Aufl. § 96 III 3; Henckel, Parteilehre und Streitgegenstand im Zivilprozeß 1961 S. 255 ff., 277 ff.) – unterschiedlich beantwortet. Überwiegend wird die Ansicht vertreten, der Streitgegenstand umfasse das Begehren des Klägers, die richterliche Klärung der Nichtigkeit eines bestimmten, im einzelnen bezeichneten Hauptversammlungsbeschlusses aufgrund des dazu vorgetragenen Sachverhaltes klären zu lassen (Hüffer, AktG 5. Aufl. § 246 Rdn. 12; derselbe in MünchKomm. AktG, § 246 Rdn. 17 m.w.N. zur GmbH-Kommentarliteratur in Fn. 40; Karsten Schmidt in Großkomm. z. AktG, 4. Aufl. § 246 Rdn. 61; derselbe JZ 1977, 769, 770 f.; Bork, ZIP 1995, 609, 612 f.). Unter „vorgetragenem Sachverhalt“ wird ein einheitlicher Lebenssachverhalt im Sinne der im Zivilprozeßrecht vertretenen Auffassung vom zweigliedrigen Streitgegenstand verstanden, wobei der Komplex des Lebenssachverhaltes tatbestandlich außerordentlich eng gefaßt wird (vgl. Karsten Schmidt in Großkomm. z. AktG aaO; Bork, ZIP 1995 aaO; offenbar auch Hüffer, AktG aaO, Rdn. 15 sowie derselbe in MünchKomm. aaO, Rdn. 25). Diese Auffassung hat zur Folge, daß der Prozeßvortrag zu einem Beschlußgegenstand mehrere Sachverhalte und damit unterschiedliche Streitgegenstände umfassen kann. Wird das Klagevorbringen um einen solchen Sachverhaltskomplex ergänzt, geht diese Meinung – konsequent – von dem Vorliegen einer Klageänderung aus.

Nach anderer Ansicht liegt der Streitgegenstand der Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Anfechtungsklage
Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
in dem prozessualen Begehren, die Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses anhand der dem Beschluß anhaftenden Mängel richterlich klären zu lassen. Der Streitgegenstand umfaßt danach alle – auch nicht zum Gegenstand des Prozeßvortrages gemachten – einem Hauptversammlungsbeschluß anhaftenden Mängel. Daraus folgt, daß die Geltendmachung zusätzlicher Mängel durch ergänzenden Sachvortrag nicht zu einer Klageänderung führt (Zöllner in Kölner Kommentar z. AktG, § 246 Rdn. 47).

Der Senat folgt im Grundsatz der Minderheitsmeinung. Als Klagegrund sieht er die Gesetzes- bzw. Satzungswidrigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses an. Unter diesem allgemeinen Gesichtspunkt werden alle Mängel zusammengefaßt, die dem Hauptversammlungsbeschluß anhaften und die zur Klärung seiner Nichtigkeit durch das Gericht führen.

Ausgangspunkt für die Bestimmung des Streitgegenstandes der Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
ist das mit der Klage verfolgte prozessuale Ziel, die richterliche Klärung der Nichtigkeit des Hauptversammlungsbeschlusses herbeizuführen (BGHZ 134, 364, 366 f.; Sen.Urt. v. 1. März 1999 – II ZR 305/97, ZIP 1999, 580). Die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit eines derartigen Beschlusses folgt stets aus einer Gesetzes- oder Satzungswidrigkeit einzelner Umstände. Dazu gehören der Beschlußgegenstand, der Inhalt des Beschlusses sowie die Vorgänge, die für den Ablauf des zur Beschlußfassung führenden Verfahrens maßgebend sind. Der Verfahrensablauf umfaßt die verschiedenen Stadien der Vorbereitung des Beschlusses bis hin zur Beschlußfassung selbst.

Diese gesamten, der Entstehung des Beschlusses zugrundeliegenden Umstände stellen einen einheitlichen Lebenssachverhalt dar (vgl. die ähnliche Argumentation zur Frage der Nichtigkeit aufgrund Beurkundungsbedürftigkeit eines aus mehreren Teilen zusammengesetzten Rechtsgeschäftes BGH, Urt. v. 17. März 1995 – V ZR 178/93, NJW 1995, 1756, 1758), der einen Teil des Klagegrundes der Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
bildet. Der andere Teil besteht aus der Fehlerhaftigkeit eines oder mehrerer dieser Umstände, die sich aus deren Gesetzes- oder Satzungswidrigkeit ergibt. Aus dem diese Elemente umfassenden Klagegrund der Mangelhaftigkeit des Beschlusses und dem prozessualen Begehren ihrer Klärung durch richterliche Entscheidung setzt sich der Streitgegenstand der Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der §§ 241 f., 243 ff. AktG zusammen.

Das Verständnis, das die überwiegende Meinung dem Streitgegenstand dieser Klagen zugrunde legt, orientiert sich offensichtlich an den Kriterien, von denen die weitaus überwiegende Meinung bei der Leistungsklage ausgeht. Das wird jedoch der Eigenart der Nichtigkeits- und AnfechtungsklageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nicht gerecht. Gegenstand beider Klagearten ist die fehlende Übereinstimmung des gefaßten Beschlusses mit Gesetz und Satzung hinsichtlich Beschlußgegenstand, -inhalt und -verfahren. Eine weitergehende Unterteilung ihres Streitgegenstandes nach den einzelnen, dem Beschlußgegenstand sowie dem Beschlußverfahren zugrundeliegenden Elementen und den ihnen anhaftenden Fehlern könnte die einheitliche Überprüfung des Beschlusses je nach Umfang und Einzelheiten des Klägervortrages verhindern. Dem steht der Gesichtspunkt der Rechtssicherheit entgegen. Dieser Umstand ist zwar bei der Anfechtungsklage im Hinblick auf ihre Befristung und die damit verbundene Ausschlußwirkung ohne Bedeutung. Bei der Nichtigkeitsklage verhindert er jedoch, daß derselbe Aktionär – aus welchen Gründen auch immer – die Gesellschaft mehrfach mit einer solchen gegen denselben Beschluß gerichteten Klage überzieht.

Die Ansicht des Senates steht mit der überwiegenden Ansicht in Übereinstimmung, die für den Begriff des Streitgegenstandes der verwaltungsgerichtlichen Anfechtungsklage vertreten wird: Dieser setzt sich aus dem Klageantrag auf Beseitigung des angefochtenen Verwaltungsaktes und dem Klagegrund zusammen, der entsprechend dem Klägervortrag in der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes und der dadurch bewirkten Verletzung der Rechte des Klägers gesehen wird (vgl. BVerwGE 29, 210, 211; 40, 101, 104; 91, 256, 257; Eyermann/Rennert, VwGO 11. Aufl. § 121 Rdn. 25 m.w.N.).

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Nichtigkeits- und Anfechtungsklage
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