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BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 – 1 StR 103/12

AO §§ 370, 373; StGB § 46

a) Ist das Tatgericht von einem strafbaren Verhalten des Täters gemäß § 373 AO überzeugt, kann die Bestimmung des Schuldumfangs im Wege der Schätzung erfolgen, namentlich wenn sich Feststellungen auf andere Weise nicht treffen lassen, etwa weil über die kriminellen Geschäfte keine Belege oder Aufzeichnungen vorhanden sind (BGH, Urteil vom 28. Juli 2010 – 1 StR 283/09, wistra 2010, 148; BGH, Urteil vom 12. August 1999 – 5 StR 269/99, wistra 1999, 426).

b) Die Annahme minder schwerer Fälle des Schmuggels gemäß § 373 Abs. 1 Nr. 2 AO scheidet bei einer Hinterziehung von Einfuhrabgaben in großem Ausmaß regelmäßig aus. Bei Schmuggel gemäß § 373 AO handelt es sich um einen Qualifikationstatbestand gegenüber dem Grundtatbestand der Steuerhinterziehung (§ 370 AO). Liegen Qualifikationsmerkmale – wie etwa gewerbsmäßiges Handeln – nicht vor, ist die Hinterziehung von Einfuhrabgaben eine Steuerhinterziehung. Denn gemäß § 3 Abs. 3 AO sind Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Art. 4 Nr. 10 und 11 des Zollkodexes Steuern im Sinne der Abgabenordnung. Sind in einem solchen Fall durch eine Tat Einfuhrabgaben in großem Ausmaß (hierzu zuletzt BGH, Urteil vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11) verkürzt, liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ein Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung vor, bei dem ein Strafrahmen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren eröffnet ist. Dieser Strafrahmen entspricht dem des Schmuggels nach § 373 AO.

c) Tritt ein Merkmal hinzu, das die Tat zum Schmuggel qualifiziert, entfaltet der Strafrahmen des § 370 Abs. 3 AO, wenn er ohne das qualifizierende Merkmal anzuwenden wäre, eine Sperrwirkung. Deswegen kommt bei einem Schmuggel „in großem Ausmaß“ ein minder schwerer Fall mit einem auf Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe verminderten Strafrahmen (§ 373 Abs. 1 Satz 2 AO) allenfalls in besonderen Ausnahmefällen noch in Betracht.

d) Ein solcher Ausnahmefall liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Schmuggel in organisierten Vertriebsstrukturen stattgefunden hat. Denn nach der Intention des Gesetzgebers soll der mildere Strafrahmen für minder schwere Fälle eine angemessene Bestrafung des bandenmäßigen Schmuggels z.B. in Fällen, die nicht der typischen organisierten Kriminalität zuzurechnen sind, ermöglichen (BT-Drucks. 16/5846, S. 174 ff.).

e) Die zur Strafzumessung bei der Steuerhinterziehung in besonders schweren Fällen ergangene Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat der Gesetzgeber gebilligt (vgl. BGH, Beschluss vom 7. Februar 2012 – 1 StR 525/11). Ein besonders schwerer Fall liegt gemäß § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO (in der seit 1. Januar 2008 geltenden Fassung) in der Regel vor, wenn der Täter in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Vorteile erlangt. Dieses nach objektiven Maßstäben zu bestimmende Merkmal des Regelbeispiels „in großem Ausmaß“ ist dann erfüllt, wenn der Hinterziehungsbetrag (bei einem „Griff in die Kasse des Staates“) 50.000 € übersteigt. Beschränkt sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen und führt das lediglich zu einer Gefährdung des Steueranspruchs, liegt die Wertgrenze zum „großen Ausmaß“ bei 100.000 € (vgl. zusammenfassend BGH, Beschluss vom 15. Dezember 2011 – 1 StR 579/11, NJW 2012, 1015).

f) Diese Grundsätze sind auch in Fällen des Schmuggels gemäß § 373 AO anzuwenden. Denn mit Wirkung zum 1. Januar 2008 wurde der Strafrahmen des gewerbsmäßigen, gewaltsamen oder bandenmäßigen Schmuggels erhöht und an den Strafrahmen der Steuerhinterziehung im besonders schweren Fall nach § 370 Abs. 3 AO angepasst.

g) Die Rechtsprechung zur Strafzumessung bei Hinterziehung von Steuern in Millionenhöhe findet auch auf Schmuggeltaten nach § 373 AO Anwendung. Danach kommt auch bei einer gewerbsmäßigen Hinterziehung von Einfuhr- oder Ausfuhrabgaben nach § 373 AO in Millionenhöhe eine zwei Jahre nicht überschreitende Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe in Betracht (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008, 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 und BGH, Urteil vom 7. Februar 2012, 1 StR 525/11). Bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag kann die Verhängung einer Geldstrafe nur bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein.

h) Sowohl beim Schmuggel nach § 373 AO wie auch bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO ist es dabei ohne Bedeutung, ob die Millionengrenze durch eine einzelne Tat oder erst durch mehrere gleichgelagerte Einzeltaten erreicht worden ist (Fortführung von BGH, Urteil vom 2. Dezember 2008, 1 StR 416/08, BGHSt 53, 71 und BGH, Urteil vom 7. Februar 2012, 1 StR 525/11).

Schlagworte: Steuerhinterziehung, Steuerrecht, Steuerstrafrecht, Strafzumessung, Vermögensdelikte