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BGH, Urteil vom 22. Mai 2012 – II ZR 35/10

a) Nach herrschender Auffassung in Rechtsprechung und Schrifttum kann ein Widerrufsrecht nicht nur von Gesetzes wegen bestehen, sondern grundsätzlich auch im Vereinbarungswege festgelegt werden. Danach können Vertragspartner – als Ausprägung der Vertragsfreiheit – ein Widerrufsrecht vertraglich vereinbaren und für die nähere Ausgestaltung sowie die Rechtsfolgen auf die §§ 355, 357 BGB verweisen (vgl. Staudinger/Kaiser, BGB [2004], § 355 Rn. 11; Palandt/Grüneberg, BGB, 71. Aufl., Vorb v § 355 Rn. 5; Bamberger/ Roth/Grothe, BGB, 2. Aufl., § 355 Rn. 4; NK-BGB/Ring, 2. Aufl., § 355 Rn. 26; zur vertraglichen Vereinbarung einer Verlängerung der Widerrufsfrist vgl. BGH, Urteil vom 13. Januar 2009 – XI ZR 118/08, WM 2009, 350 Rn. 16 f.).

b) Die Fälle des gesetzlichen Widerrufsrechts, die eine Durchbrechung des Grundsatzes “pacta sunt servanda” darstellen, sind enumerativ und abschließend geregelt (§ 355 Abs. 1 Satz 1 BGB) und knüpfen an bestimmte gesetzliche Merkmale an (siehe insoweit auch BGH, Urteile vom 6. Dezember 2011 – XI ZR 401/10, ZIP 2012, 262 Rn. 17 und – XI ZR 442/10, juris Rn. 24).

c) Das Recht zur fristlosen Kündigung der Beteiligung, das dem unter Verletzung einer Aufklärungspflicht oder sogar unter arglistiger Täuschung zur Beteiligung veranlassten Anleger zusteht, unterliegt nur der Verwirkung (st. Rspr.; siehe nur BGH, Urteil vom 21. Juli 2003 – II ZR 387/02, BGHZ 156, 46, 53).

d) Die außerordentliche Kündigung einer Beteiligung führt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats zur Anwendung der Grundsätze über die fehlerhafte GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
fehlerhafte Gesellschaft
Gesellschaft
und zur Ermittlung des Wertes des Geschäftsanteils des fehlerhaft beigetretenen Gesellschafters im Zeitpunkt seines Ausscheidens (siehe nur BGH, Urteil vom 21. Juli 2003 – II ZR 387/02, BGHZ 156, 46, 53; Beschluss vom 5. Mai 2008 – II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 Rn. 9, 14 – FRIZ I, jeweils m. w. N.).

e) Mit Zugang der außerordentlichen Kündigung scheidet der Gesellschafter mit Wirkung “ex nunc” aus der Gesellschaft aus, mit (u.a.) der Folge, dass der Gesellschafter zur Zahlung rückständiger, noch nicht erbrachter (Einlage-)Leistungen an die Gesellschaft verpflichtet bliebe (st. Rspr., siehe nur BGH, Beschluss vom 5. Mai 2008 – II ZR 292/06, ZIP 2008, 1018 Rn. 9 m. w. N. – FRIZ I). Diesen Anspruch kann die Gesellschafterin jedoch nicht mehr isoliert geltend machen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats unterliegen sowohl die Ansprüche des Gesellschafters gegen die Gesellschaft als auch die der Gesellschaft gegen die Gesellschafter zum Stichtag des Ausscheidens einer Durchsetzungssperre; die gegenseitigen Ansprüche werden zu unselbständigen Rechnungsposten der Auseinandersetzungsrechnung (siehe nur BGH, Urteil vom 15. Mai 2000 – II ZR 6/99, ZIP 2000, 1208, 1209; Urteil vom 2. Juli 2001 – II ZR 304/00, BGHZ 148, 201, 207 f.; Urteil vom 12. Juli 2010 – II ZR 492/06, BGHZ 186, 167 Rn. 12 – FRIZ II; Urteil vom 17. Mai 2011 – II ZR 285/09, ZIP 2011, 1359 Rn. 14, 17).

f) Nach der Rechtsprechung des Senats enthält eine Klage im ordentlichen Verfahren, die unter Verkennung der Durchsetzungssperre auf Zahlung gerichtet ist, ohne weiteres ein Feststellungsbegehren, das darauf gerichtet ist, dass die entsprechende Forderung in die Auseinandersetzungsrechnung eingestellt wird; eines entsprechenden (ausdrücklichen) Hilfsantrags der klagenden Partei bedarf es nicht (siehe nur BGH, Urteil vom 9. März 1992 – II ZR 195/90, NJW 1992, 2757, 2758; Urteil vom 15. Mai 2000 – II ZR 6/99, ZIP 2000, 1208, 1210; Urteil vom 18. März 2002 – II ZR 103/01, NZG 2002, 519).

Schlagworte: Beitritt, Durchsetzungssperre, fehlerhafte Gesellschaft, Kündigung, Publikumspersonengesellschaft, unselbständiger Rechnungsposten, Verwirkung, Wichtiger Grund, Widerruf