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BGH, Urteil vom 22. September 1969 – II ZR 144/68

§ 181 BGB, § 1822 Nr 1 BGB, § 1822 Nr 3 BGB, § 47 GmbHG, § 66 Abs 1 GmbHG

a) Ein verbotenes Insichgeschäft liegt nicht vor, wenn bei einem Beschluß über die Auflösung einer GmbH ein Gesellschafter das Stimmrecht für sich und zugleich für einen anderen Gesellschafter ausübt.

Bei diesem Beschluß wirkte Ewald So. in doppelter Eigenschaft mit, nämlich einmal im eigenen Namen und zum andern als gesetzlicher Vertreter seiner beiden Töchter, deren Mutter seiner Stimmabgabe insoweit unstreitig zugestimmt hat. Hierin liegt kein Insichgeschäft im Sinne des § 181 BGB. Denn es handelt sich nicht um einen Vertragsabschluß oder ein sonstiges Rechtsgeschäft der Gesellschafter untereinander, sondern um den Sozialakt der körperschaftlichen Willensbildung durch Mehrheitsentscheid, bei dem jeder Gesellschafter sein Recht auf Mitverwaltung und -gestaltung der gesellschaftlichen Angelegenheiten wahrnimmt. Bei einem solchen Gesamtakt kann ein Gesellschafter das Stimmrecht grundsätzlich zugleich für sich selbst und als Vertreter eines anderen Gesellschafters ausüben, ohne damit gegen § 181 BGB zu verstoßen.

Das Berufungsgericht hat die Frage, ob ein nach § 181 BGB verbotenes Insichgeschäft vorliegt, noch aus einem anderen Gesichtswinkel geprüft. Es meint, an sich sei der Tatbestand des Selbstkontrahierens darum gegeben, weil die von Ewald So. abgegebenen Stimmen ihm gleichzeitig in seiner Eigenschaft als Geschäftsführer der beklagten GmbH zugegangen seien. Jedoch sei § 181 BGB bei Sozialakten der vorliegenden Art überhaupt unanwendbar. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Darin, daß ein Geschäftsführer einen Beschlußvorgang, an dem er mitgewirkt hat, gleichzeitig für die Gesellschaft zur Kenntnis nimmt, kann ein verbotenes Selbstkontrahieren schon deshalb nicht liegen, weil es gerade die Aufgabe eines Geschäftsführers ist, Gesellschafterbeschlüsse zur Kenntnis zu nehmen und, wenn nötig, auszuführen.

(BGH, Urteil vom 22. September 1969 – II ZR 144/68 –, BGHZ 52, 316-321)

b) Ist an einem solchen Beschluß ein minderjähriger Gesellschafter beteiligt, so bedarf es keiner vormundschaftsgerichtlichen Genehmigung.

c) Rechtliche Bedenken könnten aber dagegen bestehen, daß Ha. bei einem Beschluß mitgewirkt hat, durch den er selbst zum Liquidator bestellt wurde. Nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG hat ein Gesellschafter bei einem Beschluß, der die Vornahme eines Rechtsgeschäfts mit ihm betrifft, kein Stimmrecht. Diese Vorschrift hindert einen Gesellschafter nicht daran, bei seiner Wahl zum Vertretungsorgan persönlich mitzustimmen (BGHZ 18, 205, 210). Dagegen darf ein Testamentsvollstrecker, der einen GmbH-Anteil verwaltet, bei seiner Wahl zum Geschäftsführer oder, was nach §§ 69, 71 Abs. 2 GmbHG gleich zu beurteilen ist, zum Liquidator nur mitwirken, wenn der Erblasser oder die Erben ihm dies gestattet haben (BGHZ 51, 209, 213 ff). Ob in gleicher Lage auch einem nach § 1909 BGB bestellten Pfleger die Ausübung des Stimmrechts versagt ist, kann offenbleiben. Denn selbst wenn Ha. bei seiner Bestellung zum Liquidator das Stimmrecht für Ev. So. nicht hätte ausüben dürfen, wäre der Beschluß über seine Bestellung mit den Stimmen des Konkursverwalters Dr. Fa. und des anderen Pflegers Fl., also mit der nach § 47 Abs. 1 GmbHG notwendigen Mehrheit, zustande gekommen.

Schlagworte: Ausübung des Stimmrechts, Relevanz der Stimme, Relevanzlehre, Stimmrechtsausschluss, Verbot des Selbstkontrahierens, Vertretungsbefugnis