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BGH, Urteil vom 24. Oktober 1968 – II ZR 216/66

§ 11 GmbHG, § 66 Abs 2 GmbHG     

                                                                                                                            

1. Eine gegründete, aber nicht eingetragene GmbH, die ein als Sacheinlage eingebrachtes vollkaufmännisches Handelsgeschäft fortführt, ist keine OHG, solange die Eintragung noch betrieben wird.

2. Wer ein von der werdenden GmbH übernommenes Handelsgeschäft in tätigem Zusammenwirken mit einem oder mehreren anderen Gründer-Gesellschaftern fortführt, haftet grundsätzlich für alle in diesem Rahmen vor Eintragung der GmbH abgeschlossenen Geschäfte ohne Rücksicht darauf, welcher von den mehreren Geschäftsführern gerade bei dem einzelnen Geschäft unmittelbar handelnd nach außen aufgetreten ist.

3. Wird die GmbH vor der Eintragung wieder aufgelöst, so haften die Gründer-Gesellschafter gesamtschuldnerisch für alle Verbindlichkeiten, die im Rahmen der Abwicklung durch sie oder einen von ihnen bestellten Abwickler begründet werden.

4. Für eine vor der Eintragung aufgelöste GmbH kann das Gericht keinen Liquidator bestellen.

Tatbestand

Der Kläger verlangt vom beklagten Land Ersatz des Schadens, der ihm infolge unrichtiger Auskunft eines Rechtspflegers entstanden sei.

Der Kläger vertrieb früher zunächst mit seiner Ehefrau und später allein unter der Firma H. & Co Elektrogeräte. Durch notariellen Vertrag vom 19. Juni 1958 gründete er zusammen mit W. und M. eine GmbH unter der Firma H. & Co GmbH, in die er sein Handelsgeschäft einbrachte. Die Gesellschaft nahm alsbald den Geschäftsbetrieb auf. Während die Einzelfirma im Handelsregister gelöscht wurde, unterblieb die beantragte Eintragung der GmbH, weil die Gesellschafter, die sich inzwischen entzweit hatten, die hierfür notwendigen Unterlagen nicht beibrachten. Durch Beschluß vom 8. April 1959 lösten die Gesellschafter die GmbH auf. Hierauf bat der Kläger den Rechtspfleger beim Registergericht um Auskunft, was zur Abwicklung der Vorgesellschaft zu tun sei. Er erhielt zur Antwort, die Vorgesellschaft sei rechtlich eine OHG und müsse daher, um abgewickelt zu werden, als solche zunächst in das Handelsregister eingetragen und dann alsbald wieder gelöscht werden. Daraufhin meldeten die Gesellschafter die „Offene Handelsgesellschaft H. & Co“ zum Handelsregister mit dem Bemerken an, die seit dem 19. Juni 1958 bestehende Gesellschaft sei aufgelöst und der Kläger sei zum Abwickler bestellt. Dementsprechend erfolgte am 12. Juni 1959 die Eintragung.

Nachdem der Kläger unter dem 19. Februar 1960 sein Amt als Liquidator niedergelegt hatte, bestellte das Amtsgericht durch Beschluß vom 30. August 1960 den Buchhalter L. zum Abwickler. Inzwischen hatte W. beantragt, die Eintragung der OHG als unzulässig zu löschen. Während Amtsgericht und Landgericht den Antrag zurückwiesen, hob das Oberlandesgericht auf weitere Beschwerde den landgerichtlichen Beschluß mit der Begründung auf, die Eintragung der Vorgesellschaft als OHG sei dann unzulässig gewesen, wenn die Gesellschafter niemals eine OHG hätten errichten wollen und mit ihrer Anmeldung zum Handelsregister lediglich den Zweck verfolgt hätten, die irrtümlich für eine OHG gehaltene Gründergesellschaft wieder abzuwickeln. Nach einer Beweisaufnahme wurde alsdann am 2. August 1961 die Eintragung gemäß § 142 FGG von Amts wegen gelöscht.

Der Kläger macht mit seiner Klage auf Zahlung von 20.000 DM das beklagte Land als Dienstherrn des Rechtspflegers unter dem Gesichtspunkt der Amtspflichtverletzung für einen Teil des Schadens haftbar, den er infolge der unrichtigen Rechtsbelehrung und der darauf beruhenden Registereintragung erlitten habe.

Beide Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Die Revision führte wegen eines Teilbetrages zur Aufhebung und Zurückverweisung.

Entscheidungsgründe

I. Nach der zutreffenden Auffassung des Berufungsgerichts hat der Rechtspfleger beim Registergericht gegenüber dem Kläger eine Amtspflicht im Sinne von § 839 Abs 1 BGB schuldhaft verletzt.

1. Wie das Berufungsgericht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats dargelegt hat, war die Auskunft des Rechtspflegers, zwischen dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern sei zunächst eine OHG entstanden, die, nachdem sie vorzeitig wieder aufgelöst worden sei, als solche zum Zweck der Abwicklung und anschließenden Löschung in das Handelsregister eingetragen werden müsse, unrichtig. Die werdende GmbH untersteht als ein Rechtsgebilde eigener Art einem Sonderrecht, das den gesetzlichen und vertraglichen Gründungsvorschriften und dem Recht der eingetragenen GmbH, soweit es nicht die Eintragung voraussetzt, zu entnehmen ist (BGHZ 21, 242, 246; 45, 338, 347; BAG NJW 1963, 680). Einer der Fälle, in denen die gegründete, aber nicht eingetragene GmbH die Voraussetzungen für die Entstehung einer offenen Handelgesellschaft erfüllt (vgl dazu BGHZ 22, 240; BGH WM 1965, 246; Kuhn, WM 1956 Sonderbeilage 5 S 15ff), lag nicht vor. Die gegründete GmbH war allerdings bereits werbend tätig geworden. Sie setzte aber ein als Sacheinlage eingebrachtes Handelsgeschäft fort, und ihre Gründer haben bis zum Auflösungsbeschluß die Eintragung der gegründeten Gesellschaft betrieben. Indem der Rechtspfleger ohne ausreichende Prüfung der Rechtslage dem Kläger und seinen Mitgesellschaftern eine falsche Auskunft erteilt und sie hierdurch dazu bewogen hat, einen der wirklichen Sach- und Rechts*-lage widersprechenden Eintragungsantrag zu stellen, hat er gegen seine Amtspflicht verstoßen, Auskünfte an das rechtsuchende Publikum richtig zu geben (BGHZ 14, 319, 321; BGH LM BGB § 839 (Ca) Nr 9 mw Nachw).

2. Dieser Verstoß war fahrlässig. (Wird ausgeführt).

II. Jedoch hat das Berufungsgericht eine Haftung des Staates gemäß § 839 Abs 1 BGB, Art 34 GG mit der Begründung verneint, keiner der vom Kläger geltend gemachten Schäden sei auf das fehlerhafte Verhalten des Rechtspflegers zurückzuführen.

1. Liquidationsaufwand

Den Anspruch auf Ersatz dieser Aufwendungen hält das Berufungsgericht für unbegründet, weil die Vorgesellschaft ohnehin hätte liquidiert werden müssen und darum die Aufwendungen auch dann entstanden wären, wenn der Rechtspfleger keine unrichtige Auskunft erteilt hätte und folglich die Eintragung der Vorgesellschaft als OHG unterblieben wäre. Hiergegen ist im Ergebnis nichts einzuwenden, soweit der Kläger seine Aufwendungen für die eigene Liquidationstätigkeit geltend macht.

a) Ob dem Kläger durch die unrichtige Auskunft des Rechtspflegers ein Schaden entstanden ist, beurteilt sich danach, wie die Dinge bei pflichtgemäßem Verhalten des Rechtspflegers verlaufen wären (BGH WM 1966, 229, 233). Hätte der Kläger nicht infolge jener Auskunft sich und die Mitgründer der GmbH irrtümlich als Gesellschafter einer OHG betrachtet, so wäre er gleichwohl nicht der Notwendigkeit enthoben gewesen, die schon geschäftlich tätig gewordene Gründergesellschaft nach ihrer Auflösung ordnungsgemäß abzuwickeln (vgl BGHZ 13, 320, 323f; BGH LM GmbHG § 11 Nr 12). Alsdann hätten er und die anderen Gründer gleichfalls für alle zum Zwecke der Liquidation eingegangenen Verbindlichkeiten zu haften. Das folgt, wenn die Gründergesellschaft von den Gesellschaftern gemeinschaftlich abgewickelt worden wäre, unmittelbar aus den §§ 427, 431 BGB und, wenn der Kläger von seinen Mitgesellschaftern zum alleinigen Liquidator berufen worden wäre, aus diesen Vorschriften in Verbindung mit § 164 BGB. Dagegen ist § 11 Abs 2 GmbHG unanwendbar, da er ein Handeln „im Namen des Gesellschaft“, dh der noch einzutragenden GmbH, voraussetzt. Rechtlich blieb es gleich, ob der Kläger und seine Mitgesellschafter aus § 128 HGB oder aus den §§ 427, 431 hafteten. Und in tatsächlicher Hinsicht hat das Berufungsgericht ohne Rechtsverstoß angenommen, daß die aufgelöste Gründergesellschaft unter der falschen Vorstellung, es sei das Recht der OHG anzuwenden, nicht anders liquidiert worden ist, als dies der Fall gewesen wäre, wenn die Rechtslage richtig erkannt worden wäre. …

Daher ist die Klage zum Verdienstausfall und zu den Kosten für Bürounterhaltung, Reisen und Verhandlungen mit Gläubigern unbegründet.

b) Dagegen rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht auch wegen der Vergütung von 1.400 DM, die der Kläger an den gerichtlich bestellten Liquidator L. gezahlt haben will, einen ursächlichen Zusammenhang mit der Amtspflichtverletzung verneint hat. Ohne die unrichtige Rechtsauskunft und den darauf beruhenden Antrag wäre die bereits aufgelöste Gründergesellschaft nicht als OHG in das Handelsregister eingetragen worden. Sofern dann der Antrag auf Bestellung eines Liquidators überhaupt noch gestellt worden wäre, hätte das Amtsgericht bei richtiger Beurteilung, auf die es für die Frage der Ursächlichkeit ankommt (BGH WM 1966, 1248; 1963, 60, 63), diesen Antrag ablehnen müssen, weil für ihn keine gesetzliche Grundlage bestand.

Die Bestimmung des § 66 Abs 2 GmbHG ist auf die Verhältnisse bei einer bereits eingetragenen GmbH, also einer juristischen Person, zugeschnitten, bei der die Abwicklung auch öffentlichen Belangen und insbesondere dem Gläubigerinteresse dient und darum durch zwingende Vorschriften geregelt ist. Sie ist infolgedessen ebenso wie § 66 Abs 1 GmbHG (BGH LM GmbHG § 11 Nr 12) unanwendbar, wenn eine Gründergesellschaft noch vor der Eintragung der GmbH wieder aufgelöst wird. Die Auffassung von Ganßmüller (GmbHRdsch 1963, 101), in diesem Fall liege schon eine Körperschaft vor, trifft nicht zu. Richtig ist allerdings der Gedanke des Bundesarbeitsgerichts (NJW 1963, 680), daß sich der Rechtscharakter der werdenden GmbH infolge der Auflösung nicht ändert. Aber hier geht es darum, wer dieses Rechtsgebilde zu liquidieren hat, und hierfür liegt der Gedanke des § 730 BGB näher als der des § 66 GmbHG. R

Das Berufungsgericht hätte daher prüfen müssen, ob den Gründer-Gesellschaften Unkosten in Höhe der an L. gezahlten Vergütung auch dann entstanden wären, wenn die gerichtliche Bestellung eines Abwicklers unterblieben wäre, und inwieweit der Kläger sich daran hätte beteiligen müssen.

2. …

3. Befriedigung von Gläubigern aus Bestellungen des Mitgesellschafters M. .

Das Berufungsgericht meint, der Kläger habe ohnehin für alle namens der Gesellschaft abgeschlossenen Geschäfte nach § 11 Abs 2 GmbHG gehaftet, weil er in die Geschäftseröffnung eingewilligt habe. Hierbei ist es von der seinerzeit auch in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (LM GmbHG § 11 Nr 6) vertretenen Auffassung ausgegangen, der Gründer einer GmbH hafte für die vor deren Eintragung vorgenommenen Geschäfte als „Handelnder“ gemäß § 11 Abs 2 GmbHG auch dann persönlich, wenn er lediglich der Geschäftseröffnung vorher allgemein zugestimmt habe. In seinem nach Erlaß des Berufungsurteils ergangenen Urteil BGHZ 47, 25 ist der erkennende Senat dieser Auffassung nicht gefolgt. Er hat vielmehr entschieden, daß das bloße Einverständnis mit der Eröffnung des Geschäftsbetriebs nicht ausreicht, um die Haftung aus § 11 Abs 2 GmbHG zu begründen.

Andererseits erfordert diese Bestimmung kein unmittelbares Handeln in eigener Person (BGHZ 47, 25, 28; vgl auch Fischer, GroßKomm AktG 2. Aufl § 34 Anm 22). Eine aktive Einflußnahme auf die konkrete Geschäftstätigkeit kann genügen. In dieser Hinsicht könnte hier von Bedeutung sein, daß der Kläger selbst das von der Gründergesellschaft betriebene Unternehmen eingebracht hat, und inwieweit er selber namens der Gesellschaft geschäftlich tätig gewesen ist, um dieses werbende Unternehmen zu erhalten und in die künftige GmbH überzuleiten. Nach Lage der Dinge kommt in Betracht, daß er neben einem oder beiden Mitgesellschaftern auf Grund ausdrücklicher oder stillschweigender Abmachungen laufend wie ein Geschäftsführer in Erscheinung getreten ist und hierbei auch den Abschluß konkreter Geschäfte wesentlich mitbestimmt hat. Sollte es sich so verhalten, dann hätte der Kläger auf Grund dieser tätigen Zusammenarbeit die Mitverantwortung für alle in dem vereinbarten Rahmen abgeschlossenen Geschäfte übernommen.

In einem solchen Fall kann die Haftung nach § 11 Abs 2 GmbHG nicht jeweils von dem mehr oder minder zufälligen Umstand abhängen, welcher von den mehreren Geschäftsführern gerade bei dem einzelnen Geschäft unmittelbar handelnd nach außen aufgetreten ist. Das wird besonders deutlich, wenn man an den Fall denkt, daß eine von den Geschäftsführern gemeinsam angestellte Hilfskraft im Rahmen ihrer Vertretungsmacht nach § 54 HGB ein Geschäft abgeschlossen hat; dann kann es für die Haftung nach § 11 Abs 2 GmbHG nicht darauf ankommen, welcher von den Geschäftsführern – und ob überhaupt einer von ihnen – den Angestellten gerade zu diesem Geschäft eigens ermächtigt hatte. Vielmehr sind dann grundsätzlich alle Gründer-Geschäftsführer infolge ihres fortwährenden aktiven Zusammenwirkens als Handelnde im Sinne von § 11 Abs 2 GmbHG anzusehen. Nur eine solche Lösung wird zugleich den Bedürfnissen des Rechtsverkehrs und den Belangen sowohl der Gläubiger als auch der beteiligten Gründer-Gesellschafter gerecht. Hiernach hätte der Kläger auch für die auf Bestellungen des Gesellschafters M. zurückgehenden Verbindlichkeiten nach § 11 Abs 2 GmbHG persönlich aufkommen müssen und könnte daher nicht mit Erfolg geltend machen, er habe diese Verbindlichkeiten nur beglichen, weil er sich im Vertrauen auf die Auskunft des Rechtspflegers irrtümlich als persönlich haftbar angesehen habe.

Ob die Sache so liegt, läßt sich nicht abschließend beurteilen, weil bisher weder der Gesellschaftsvertrag vorgetragen noch Näheres darüber festgestellt ist, auf Grund welcher sonstigen Absprachen und in welcher Weise der Kläger und seine Mitgesellschafter im einzelnen für die entstandene GmbH geschäftlich tätig geworden sind. Wegen des Betrages von 4.794,19 DM, den der Kläger zur Tilgung von Geschäftsschulden aus Bestellungen M.’s aufgewandt haben will, bedarf es daher einer weiteren Sachaufklärung.

4. Haftung für Geschäftsabschlüsse als Liquidator

Anders liegt es wieder bei den Geschäften, die der Kläger als Liquidator neu abgeschlossen hat. Wie oben zu 1a) dargelegt, haftete der Kläger für die hieraus erwachsenen Schulden in jedem Fall. Das klagabweisende Urteil ist daher in diesem Punkt nicht zu beanstanden.

                      

Schlagworte: Abwicklung der Vor-GmbH, Auflösung und Liquidation der Vor-GmbH, Entstehung der Vor-GmbH, Geltendmachung von Ersatzansprüchen aus Gründung oder Geschäftsführung gegen Geschäftsführer und Gesellschafter, Gründungshaftung, Haftung bei Gründung GmbH, Haftung der Gesellschafter der Vor-GmbH, Handelndenhaftung der Gesellschafter der Vor-GmbH, Liquidation der Vor-GmbH, Vor-GmbH, Vorgründungsgesellschaft