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BGH, Urteil vom 24. September 1979 – II ZR 95/78

§ 8 ApoG, § 134 BGB, § 705 BGB, § 335 HGB

1. Eine typische stille Beteiligung eines Nichtapothekers an einer Apotheke verstößt dann gegen das Bundesapothekengesetz und ist deshalb nach BGB § 134 nichtig, wenn der Erlaubnisinhaber durch unangemessene wirtschaftliche Bedingungen in eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit gebracht wird.

2. In einem solchen Fall finden die Grundsätze über die fehlerhafte GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
fehlerhafte Gesellschaft
Gesellschaft
keine Anwendung. (Vergleiche BGH, 1974-03-25, II ZR 63/72, BGHZ 62, 234).

Nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 15. November 1971 (II ZR 130/69, LM ApothG § 8 Nr 1) ist davon auszugehen, daß eine stille Beteiligung an einer Apotheke grundsätzlich nicht gegen § 8 – oder andere Bestimmungen – des Apothekengesetzes verstößt, wenn sie sich im Rahmen der gesetzlichen Regelung der §§ 335ff HGB hält. Nach § 8 ApothG können zwar mehrere Personen zusammen eine Apotheke nur in der Rechtsform einer bürgerlich-rechtlichen Gesellschaft oder einer offenen Handelsgesellschaft betreiben, und das auch nur dann, wenn alle Gesellschafter im Besitz einer Erlaubnis sind. Ein stilles Gesellschaftsverhältnis mit einem Nichtapotheker hat der Senat aber deshalb als zulässig erachtet, weil es nach dem ApothG insoweit allein darauf ankommt, daß der Betrieb der Apotheke in der Hand von (approbierten) Apothekern liegt, der typische stille Gesellschafter aber das Handelsgewerbe des Geschäftsinhabers nicht mitbetreibt. Nach § 335 HGB betreibt das Handelsgewerbe allein der Geschäftsinhaber. Eine stille Beteiligung ist deshalb regelmäßig – gemessen am Sinn und Zweck der Vorschriften des ApothG, nach denen die Ordnungsmäßigkeit der Arzneimittelversorgung durch qualifizierte Betriebsinhaber gewährleistet werden soll – apothekenrechtlich „neutral“. Daraus folgt jedoch nicht, wie die Revision meint, daß ein stiller Gesellschaftsvertrag in allen Fällen, in denen er ganz an den §§ 335ff HGB ausgerichtet ist, in dem dargelegten Sinne „neutral“ ist. Das Apothekengesetz (§ 7) verpflichtet den Erlaubnisinhaber zur persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung. Diese Voraussetzungen sind nicht schon dann erfüllt, wenn er alle wesentlichen Entscheidungen trifft und den Betrieb, soweit er nicht unmittelbar tätig wird, laufend überwacht. Seine berufliche Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit darf auch nicht mittelbar – durch unangemessene wirtschaftliche Bedingungen – mit der Folge beeinträchtigt werden, daß die Gefahr begründet wird, er werde seine gesetzliche öffentliche Aufgabe, eigenverantwortlich an der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung mitzuwirken, nicht mehr sachgerecht erfüllen (§§ 1, 7, 9 Abs 2 Satz 2 ApothG).

Der erkennende Senat hat in dem erwähnten Urteil vom 15. November 1971 die hier entscheidende Frage offengelassen, ob Gewinnverteilungsabreden diese apothekenrechtlichen Grundsätze verletzen und deshalb nichtig sein können. Sie ist zu bejahen:

Aus Wortlaut, Sinn und Zweck der Vorschriften der §§ 1, 7, 8, 9 ApothG ergibt sich, daß der Nichtigkeitstatbestand jedenfalls dann gegeben wäre, wenn der stille Gesellschafter einen Einfluß auf die Betriebsführung hätte. Der Erlaubnisinhaber kann aber auch dadurch in der Führung der Apotheke und der Erfüllung der für die Volksgesundheit wichtigen Aufgabe (vgl BVerfGE 17, 232, 239f) in einer – gemessen am Sinn und Zweck dieser Vorschriften – nicht mehr hinnehmbaren Weise behindert werden, daß er in eine wirtschaftliche Abhängigkeit gebracht wird. Sie kann in gleicher Weise wie ein Weisungsrecht oder ein sonstiges unmittelbares Eingriffsrecht dazu führen, daß die Erfüllung der mit der Erlaubnis verbundenen Pflicht, die Apotheke persönlich und eigenverantwortlich zu leiten, nicht mehr gewährleistet ist.

Ob dies allgemein schon dann bejaht werden kann, wenn dem stillen Gesellschafter eine überhöhte Gewinnbeteiligung eingeräumt wird, bedarf hier keiner Entscheidung. Im vorliegenden Falle ist der Gewinnverteilungsschlüssel so extrem zu Lasten des Apothekers gestaltet worden, daß diese Voraussetzungen als gegeben angesehen werden müssen. Nach § 11 des Gesellschaftsvertrages erhält der Kläger neben einem Gewinnvoraus (Tätigkeitsvergütung) in einer Höhe, die monatlich nur 2.000 DM (nach einer im Jahre 1973 vorgenommenen Änderung 2.500 DM) über dem des Beklagten liegt, 10% des Jahresgewinnes, der Beklagte aber 90%. Eine derart einseitig zugunsten des stillen Gesellschafters gestaltete Gewinnverteilungsabrede führt zu einer so weitgehenden Einengung der wirtschaftlichen und persönlichen Bewegungsfreiheit, daß grundsätzlich – sofern nicht besondere Tatsachen eine andere Beurteilung erfordern – angenommen werden muß, daß die Freiheit des Apothekers, im Rahmen der Leitung der Apotheke die insbesondere zur Erfüllung der für die Volksgesundheit wichtigen Aufgaben notwendigen Entscheidungen eigenständig und eigenverantwortlich zu treffen, wesentlich beeinträchtigt ist. Sie bringt den Apotheker in eine persönliche und wirtschaftliche Abhängigkeit, daß von einer persönlichen Leitung der Apotheke in eigener Verantwortung (§ 7 ApothG) nicht mehr gesprochen werden kann. Der stille Gesellschafter macht sich damit die Arbeitskraft des Erlaubnisinhabers in weitgehendem Umfange dienstbar und stellt damit dessen persönliche und wirtschaftliche Entschließungsfreiheit in Frage. Der individuelle Spielraum, der dem einzelnen bei der Entscheidung darüber verbleibt, in welcher Weise und in welchem Umfange er seine Arbeitskraft und seine geistigen Fähigkeiten einsetzt, wird in nicht unwesentlichem Umfange davon bestimmt, in welchem Maße ihm die Früchte seiner Arbeit zugute kommen. Auch der Anreiz, der daraus entsteht, daß dem Apotheker der Lohn seiner Tätigkeit jedenfalls in nicht unwesentlichem Umfange selbst zukommt, und der die Eigenverantwortlichkeit stärkt, geht in weitem Maße verloren, wenn 90% der Früchte seiner Arbeit an ihm vorübergehen. Damit wird nicht nur die Gefahr begründet, daß der Apotheker seine Arbeitskraft nicht mehr voll dem Unternehmen zur Verfügung stellt, sondern auch den tragenden Grundsätzen des ApothG zuwider das öffentliche Interesse an einer ordnungsgemäßen und sachgemäßen Arzneimittelversorgung verletzt.

Schlagworte: Apotheker, fehlerhafte Gesellschaft, Stille Beteiligung an Apotheken, stille Gesellschaft