§ 319 BGB, § 286 ZPO
Bei der Beurteilung der Frage, ob ein Schiedsgutachten offenbar unrichtig und damit unverbindlich ist, ist der Sachstand und Streitstand zugrunde zu legen, der dem Schiedsgutachter unterbreitet worden ist.
Das Berufungsgericht geht davon aus, daß sich die Parteien durch den Vertrag vom 12. Januar/21. Februar 1968 verpflichtet haben, das danach einzuholende Schiedsgutachten als verbindlich anzuerkennen, daß sie dabei allerdings nicht auf das Recht verzichtet haben, für den Fall offenbarer Unrichtigkeit des Schiedsgutachtens dessen Unverbindlichkeit geltend zu machen, soweit ihnen dieses Recht nach dem Gesetz zusteht.
Rechtlich bedenkenfrei leitet das Berufungsgericht die Befugnis der Vertragsparteien, sich gegebenenfalls auf die Unverbindlichkeit des Schiedsgutachtens zu berufen, aus § 319 Abs 1 BGB her, wonach die von einem Dritten vorzunehmende Bestimmung einer vertraglich zugesagten Leistung nicht verbindlich ist, sofern die Bestimmung offenbar unbillig ist. Zutreffend und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist auch die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, daß im Falle der Leistungsbestimmung durch ein Schiedsgutachten § 319 Abs 1 BGB anwendbar ist, daß jedoch bei offenbarer Unrichtigkeit die Unverbindlichkeit geltend gemacht werden kann (RGZ 96, 60; 152, 204; BGHZ 6, 339; BGH LM § 317 BGB Nr 7).
Das Berufungsgericht unterscheidet zwischen den Erkenntnismöglichkeiten des zur Entscheidung der Frage der offenbaren Unrichtigkeit eines Schiedsgutachtens aufgerufenen Richters und denen eines auf dem Fachgebiet, auf das sich das Schiedsgutachten bezieht, bewanderten Sachverständigen. Es geht an sich zutreffend davon aus, daß diese verschieden sein können und daß diese Verschiedenheit auch zu Unterschieden in der Beurteilung führen kann. Nicht zu billigen ist die von dem Berufungsgericht daran geknüpfte Auffassung, als offenbar unrichtig sei ein Schiedsgutachten erst dann zu beurteilen, wenn es der Partei, die sich darauf beruft, gelinge, die offenbare Unrichtigkeit dem Gericht klarzumachen, nicht aber schon dann, wenn ein (weiterer) Sachverständiger das Schiedsgutachten als offenbar unrichtig beurteile. Diese Ansicht macht die Entscheidung darüber, ob ein Schiedsgutachten als offenbar unrichtig keine Verbindlichkeit besitzt, letztlich davon abhängig, ob der Richter im Zeitpunkt seiner Entscheidung auf dem Fachgebiet, welches das Schiedsgutachten betrifft, soviel eigene Sachkunde besitzt, daß er zu einer selbständigen Beurteilung der Frage in der Lage ist. Handelt es sich beispielsweise um tatsächlich einfache Probleme, die das Schiedsgutachten behandelt, oder besitzt der Richter, über sein berufliches und allgemeines Wissen hinaus, spezielle Kenntnisse auf dem betreffenden Gebiet, dann mag er im Einzelfall in der Lage sein, dasjenige, was sich einem sachkundigen Beobachter aufdrängt, selbst zu beurteilen. Insbesondere bei schwierigen und entlegenen Gebieten der Technik aber kann von dem Richter nicht erwartet werden, daß er die in dem Schiedsgutachten behandelten Probleme so sicher überblickt, daß er aus eigener Kenntnis ein objektives Urteil darüber fällen kann, ob das Schiedsgutachten unrichtig und ob diese Unrichtigkeit offenbar ist. Die Entscheidung darüber, ob ein Schiedsgutachten offenbar unrichtig ist, darf deshalb nicht davon abhängig gemacht werden, ob es gelingt, dem Richter die offenbare Unrichtigkeit auch in tatsächlich schwierig gelagerten Sachen so klar darzulegen, daß er sie jedenfalls auch ohne Hinzuziehung eines Sachverständigen beurteilen kann. Vielmehr liegt eine offenbare Unrichtigkeit dann vor, wenn sie sich einem sachkundigen Beobachter sofort aufdrängt (BGH LM § 317 BGB Nr 8; § 319 BGB Nr 13; BGH BB 1963, 281; BGH Betrieb 1970, 827). Im Einzelfall mag der Richter selbst über genügend Sachkunde verfügen, so daß er ohne Unterstützung durch einen Sachverständigen entscheiden kann, ob ein Schiedsgutachten offenbar unrichtig ist oder nicht; sofern ihm aber die nötige Sachkunde nicht zu Gebote steht, muß er, sofern das Vorbringen der Partei, die die Unverbindlichkeit geltend macht, dazu Veranlassung gibt, Beweis erheben (RGZ 69, 168; 96, 92).
Der Begriff der offenbaren Unrichtigkeit eines Schiedsgutachtens darf nicht auf seinen engen Wortsinn beschränkt werden. Führen schon in dem Gutachten ausdrücklich niedergelegte Erwägungen, die von einem Fachmann auf den ersten Blick als unrichtig erkannt werden, zu der Feststellung, daß das Gutachten unverbindlich ist, dann gilt dies erst recht, wenn die Ausführungen des Gutachtens so lückenhaft sind, daß der Fachmann das Ergebnis aus dem Gesamtzusammenhang des Schiedsgutachtens überhaupt nicht überprüfen kann (BGH NJW 1977, 801, 802).
Der von dem Berufungsgericht hinzuzuziehende Sachverständige wird dabei von dem Sachstand und Streitstand auszugehen haben, den die Parteien den Schiedsgutachtern zur Beurteilung unterbreitet haben. Neuer Sachvortrag der Parteien, der nach der Abgabe des Schiedsgutachtens, zum Beispiel während des Rechtsstreits, vorgebracht worden ist, ist dagegen nicht zu berücksichtigen, da es für die Entscheidung über die Frage, ob das Schiedsgutachten offenbar unrichtig ist, nur darauf ankommen kann, ob den Schiedsgutachtern bei der Beurteilung des ihnen vorgelegten Materials offenbare Fehler unterlaufen sind.
Ergibt dagegen die Beweisaufnahme, daß das Schiedsgutachten offenbar unrichtig ist, dann scheidet es als Anspruchsgrundlage für die Klageforderung aus. In diesem Falle obliegt es dem Gericht – gegebenenfalls nach Einholung eines weiteren, die zwischen den Parteien streitigen Sachfragen betreffenden Gutachtens – die Entscheidung darüber zu treffen, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe dem Kläger wegen unberechtigter Benutzung seiner Patente durch die Beklagte Ansprüche zustehen (vgl Palandt, BGB, 37. Aufl 1978 § 317 Anm 2b dd mit Nachweisen).
Schlagworte: Ergebnis des Gutachtens, Offenbare Unrichtigkeit, Schiedsgutachter, Schwerwiegende Begründungsmängel, Verbindlichkeitsgrundsatz