§ 250 AktG, § 241 Nr 3 AktG, § 139 BGB
Wird bei der Bestellung eines Aufsichtsratsmitglieds unter Verstoß gegen Vorschriften, die im öffentlichen Interesse gegeben sind, zugleich beschlossen, unter welchen Voraussetzungen es sein Amt wieder verliert, so ist nur dieser Teil des Beschlusses nichtig, falls feststeht, daß auch ohne ihn das Aufsichtsratsmitglied von den Gesellschaftern bestellt worden wäre.
Ein Beschluß der Gesellschafterversammlung, der – wie in diesem Falle – vorsieht, daß ein in den Aufsichtsrat nachgerücktes Ersatzmitglied wieder ausscheidet, falls für das Aufsichtsratsmitglied, dem es nachgefolgt ist, ein Nachfolger gewählt wird, verstößt nach der Rechtsprechung des Senats gegen Vorschriften, die im öffentlichen Interesse gegeben sind, falls die Satzung nicht abweichend von der gesetzlichen Regelung für die Bestellung und die Abberufung aller (und nicht nur der aus der Ersatzmitgliedschaft nachgefolgten) Aufsichtsratsmitglieder dieselbe Stimmenmehrheit vorschreibt. Fehlt eine dahingehende Satzungsbestimmung, so wären die aus der Ersatzmitgliedschaft nachgefolgten Aufsichtsratsmitglieder mittels Neuwahl, die mit einfacher Mehrheit erfolgt (§ 133 Abs. 1, § 101 Abs. 1 AktG), leichter abwählbar als die übrigen Mitglieder, die nur mit einer Mehrheit von 3/4 der abgegebenen Stimmen aus dem Amt entfernt werden können (§ 103 Abs. 1 Satz 2 AktG). Darin läge ein Verstoß gegen den Grundsatz der individuell gleichen Berechtigung und Verantwortung aller Aufsichtsratsmitglieder, der es erfordert, daß alle von den Anteilseignern zu wählenden Aufsichtsratsmitglieder die gleiche sichere Rechtsstellung haben, also nicht mit unterschiedlichen Mehrheiten abberufen werden können (vgl. Sen.Urt. v. 15. Dezember 1986 – II ZR 18/86, WM 1987, 206, 207). Folge des Verstoßes ist die Nichtigkeit einer solchen Regelung (vgl. Sen.Urt. v. 29. Juni 1987 – II ZR 242/86, WM 1987, 1070). Die von der Hauptversammlung der Beklagten beschlossene Möglichkeit, das nachgefolgte Ersatzmitglied durch Neuwahl aus dem Amt zu entfernen, verstößt gegen den genannten Grundsatz. Wie das Berufungsgericht zutreffend festgestellt hat, faßt die Hauptversammlung der Beklagten ihre Beschlüsse gemäß § 11 Abs. 3 der Satzung mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wenn gesetzlich nichts anderes vorgesehen ist. Da § 103 Abs. 1 Satz 2 AktG für die Abberufung eine andere Mehrheit vorsieht als § 133 Abs. 1 i.V.m. § 101 AktG für die Bestellung, können nicht beide Rechtsfolgen in einem Abstimmungsvorgang gleichzeitig beschlossen werden; da der Beschluß dergleichen zuläßt, ist er insoweit nichtig.
Das Berufungsgericht geht zwar auch von diesen rechtlichen Überlegungen aus; es hat aber gleichwohl nicht auf Nichtigkeit erkannt, weil nach seiner Meinung der Wahlbeschluß nicht in der Weise zerlegt werden kann, daß zwar die wahl der Ersatzmitglieder möglich, ihre Abberufung durch Neuwahl eines ordentlichen Aufsichtsratsmitglieds aber ausgeschlossen sei; wegen dieser Einheit und weil es alle Nichtigkeitsgründe des § 250 AktG ausgeschlossen hat, hat das Berufungsgericht der Berufung des Klägers insgesamt nicht stattgegeben. Seine Ansicht, eine Teilnichtigkeit sei zu verneinen, ist rechtlich nicht haltbar.
Schlagworte: Nichtigkeit von Beschlüssen nach § 241 AktG analog, Teilnichtigkeit nach § 139 BGB analog, Verletzung von Bestimmungen über den Schutz öffentlicher Interessen nach § 241 Nr. 3 Alt. 3 AktG analog