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BGH, Urteil vom 25. Januar 2018 – IX ZR 299/16

§ 129 Abs 1 InsO, § 131 Abs 1 Nr 1 InsO, § 131 Abs 1 Nr 2 InsO

Tilgt der Schuldner eine gegen ihn gerichtete Darlehensforderung durch Barzahlung, wird die darin liegende Gläubigerbenachteiligung beseitigt, wenn der Darlehensgeber dem Schuldner erneut Barmittel zu gleichen Bedingungen wieder zur Verfügung stellt.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird der Beschluss des 14. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 23. November 2016 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Beklagte zur Zahlung von mehr als 7.000 € verurteilt wurde.

Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Der Kläger ist Verwalter in dem auf den Eigenantrag vom 17. Juli 2015 über das Vermögen des M.   H.    (nachfolgend: Schuldner) am 10. August 2015 eröffneten Insolvenzverfahren.

Der Schuldner erteilte der Beklagten, seiner Schwester, in einer mit „Rückzahlungsvereinbarung“ überschriebenen Urkunde vom 23. März 2012 die Bestätigung, ihr insgesamt 23.500 € zu schulden und diesen Betrag bis zum 31. Dezember 2015 zu erstatten. Am 11. Juni 2015 erhielt der Schuldner aus einer Lebensversicherung eine Banküberweisung in Höhe von 25.000 €. Den am 12. Juni 2015 von seinem Konto abgehobenen Barbetrag von 23.500 € händigte der Schuldner am selben Tag der Beklagten aus. Diese behauptet, unter Verwendung der erhaltenen Scheine am 13. Juni 2015 einen Barbetrag von 16.500 € an den Schuldner zurückbezahlt zu haben.

Der Kläger nimmt die Beklagte im Wege der Insolvenzanfechtung auf Erstattung von 23.500 € in Anspruch. Nach Stattgabe der Klage durch das Erstgericht hat das Oberlandesgericht die Berufung der Beklagten gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgt – entsprechend der beschränkten Revisionszulassung durch den Senat – ihr Klageabweisungsbegehren weiter, soweit sie zur Zahlung von 16.500 € verurteilt wurde.

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat – soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung – zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Im Blick auf die behauptete Rückzahlung von 16.500 € durch die Beklagte sei die Gläubigerbenachteiligung nicht entfallen. Hiervon könne nur ausgegangen werden, wenn der Anfechtungsgegner mit der Rückzahlung den Zweck verfolge, den individuellen Rückgewähranspruch vorweg zu befriedigen. Dies setze voraus, dass der Anfechtungsgegner das Entstehen eines Rückgewähranspruchs zumindest für möglich erachte, was aber nach dem Vortrag der Beklagten gerade nicht der Fall gewesen sei.

In rechtlicher Hinsicht sei das ursprüngliche Darlehen durch die Zahlung des Schuldners vom 12. Juni 2015 erloschen. Wenn danach derselbe Betrag darlehensweise an den Schuldner zurückgegeben werde, um wirtschaftlich den Zustand vor der Zahlung wiederherzustellen, werde rechtlich ein Darlehen zu den bisherigen Konditionen neu begründet, nicht aber das getilgte Altdarlehen unverändert fortgeführt. Die Tilgung des Altdarlehens sei insolvenzrechtlich anfechtbar, während der Rückzahlungsanspruch aus dem Neudarlehen eine bloße Insolvenzforderung bilde.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung nicht stand. Der auf § 131 Abs. 1 Nr. 2 InsO gestützte Anspruch scheitert nach dem revisionsrechtlich zugrunde zu legenden Sachverhalt daran, dass es als Voraussetzung jeder Insolvenzanfechtung an einer Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) fehlt.

1. Eine Gläubigerbenachteiligung ist gegeben, wenn die Rechtshandlung entweder die Schuldenmasse vermehrt oder die Aktivmasse verkürzt und dadurch den Zugriff auf das Vermögen des Schuldners vereitelt, erschwert oder verzögert hat, mithin wenn sich die Befriedigungsmöglichkeiten der Insolvenzgläubiger ohne die Handlung bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise günstiger gestaltet hätten (BGH, Urteil vom 29. September 2011 – IX ZR 74/09, WM 2011, 2293 Rn. 6; vom 19. September 2013 – IX ZR 4/13, WM 2013, 2074 Rn. 12; vom 10. Juli 2014 – IX ZR 280/13, WM 2014, 1868 Rn. 12). Die von dem Schuldner zugunsten der Beklagten bewirkten Barzahlungen haben infolge des Vermögensabflusses eine objektive Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) bewirkt (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2016 – IX ZR 188/15, WM 2016, 1701 Rn. 9 mwN; vom 15. September 2016 – IX ZR 250/15, WM 2016, 2312 Rn. 11; vom 7. September 2017 – IX ZR 224/16, WM 2017, 1910 Rn. 11).

2. Eine zunächst eingetretene Gläubigerbenachteiligung kann nachträglich dadurch wieder behoben werden, dass der Anfechtungsgegner den anfechtbar erhaltenen Gegenstand oder dessen vollen Wert in das Vermögen des Schuldners zurückführt. In dieser Weise verhält es sich nach den bisherigen Feststellungen des Berufungsgerichts im Streitfall.

a) Die Beseitigung der Gläubigerbenachteiligung setzt voraus, dass die entsprechende Rückgewähr des Anfechtungsgegners eindeutig zu dem Zweck erfolgt, dem Schuldner den entzogenen Vermögenswert wiederzugeben und damit die Verkürzung der Haftungsmasse ungeschehen zu machen. Von der Zweckbestimmung her muss es sich um eine vorweggenommene Befriedigung des individuellen Rückgewähranspruchs handeln (BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 – IX ZR 235/03, ZIP 2007, 2084 Rn. 19; Beschluss vom 7. Februar 2013 – IX ZR 175/12, ZInsO 2013, 670 Rn. 3; Urteil vom 4. Juli 2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 Rn. 18; vom 10. September 2015 – IX ZR 215/13, WM 2015, 1996 Rn. 15 mwN). Eine solche Rückführung kann etwa dann anzunehmen sein, wenn ein abgetretenes Recht an den Schuldner rückabgetreten oder eine erhaltene Zahlung an ihn zurückgewährt wird (BGH, Urteil vom 10. September 2015, aaO mwN).

b) Soweit nach der Zweckbestimmung der Erstattungsleistung eine vorweggenommene Befriedigung des Rückgewähranspruchs verlangt wird (BGH, Urteil vom 12. Juli 2007, aaO; vom 10. September 2015, aaO), bedeutet dies entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht, dass dem Anfechtungsgegner die Anfechtbarkeit der an ihn bewirkten Zahlung bewusst gewesen sein muss. Vielmehr genügt es, wenn der Anfechtungsgegner dem Schuldner Vermögenswerte zukommen lässt, welche bestimmungsgemäß die angefochtene Leistung vollständig ausgleichen und dem Gläubigerzugriff offenstehen (BGH, Urteil vom 16. August 2007 – IX ZR 63/06, BGHZ 173, 328 Rn. 57; Beschluss vom 7. Februar 2013, aaO).

aa) Die Kenntnis der Anfechtbarkeit wird bei dem Anfechtungsgegner vielfach ausscheiden, wenn es sich – wie hier – um eine an rein objektive Voraussetzungen geknüpfte Anfechtung einer inkongruenten Deckung in der kritischen Zeit (§ 131 Abs. 1 Nr. 1, 2 InsO) handelt. Dieser Umstand schließt indessen eine vorweggenommene Tilgung des Anfechtungsanspruchs durch den Anfechtungsgegner vor Verfahrenseröffnung nicht aus. Es ist kein tragfähiger Grund dafür ersichtlich, einen Anfechtungsgegner, der ohne Kenntnis der Anfechtbarkeit eine erhaltene Leistung dem Schuldner zurückgewährt, schlechter zu stellen als einen Anfechtungsgegner, der im Wissen um die Anfechtbarkeit das Empfangene dem Schuldner erstattet. Vielmehr ist allein ausschlaggebend, ob der Anfechtungsgegner die bei dem Schuldner vor Vollzug der anfechtbaren Handlung bestehende Vermögenslage tatsächlich wiederherstellt. Dies ist anzunehmen, wenn die von dem Anfechtungsgegner vorgenommene Leistung allein zur Vorwegbefriedigung des Anfechtungsanspruchs dienen kann, weil sonstige Forderungen des Schuldners, auf welche die Leistung angerechnet werden könnte, nicht bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 – IX ZR 235/03, ZIP 2007, 2084 Rn. 19; Kreft, KTS 2012, 405, 415 f).

bb) Demgemäß wird eine eingetretene Gläubigerbenachteiligung ausgeglichen, indem die Beteiligten die benachteiligende Rechtshandlung einverständlich wieder aufheben oder der Begünstigte unter Verzicht auf den ihm durch das Geschäft erwachsenen Vorteil das Empfangene in das Vermögen des Schuldners zurückführt (RGZ 14, 311, 313). Dadurch wird der alleinige Zweck der Anfechtung erfüllt, das von dem Schuldner aufgegebene Vermögensobjekt als noch zur Masse gehörig zu behandeln und an sie zurückzuführen (RGZ, aaO). Eine Anfechtung und eine Rückgewährpflicht scheidet folglich aus, wenn der Anfechtungsgegner das Empfangene an den Schuldner zurückgegeben hat (RGZ 69, 44, 48). Damit ist der benachteiligende Erfolg der angefochtenen Rechtshandlung wieder beseitigt (RGZ 37, 97, 100). Aus dieser Erwägung entfällt im Falle der Erstattung eines Gesellschafterdarlehens durch die Gesellschaft im letzten Jahr vor dem Insolvenzantrag (§ 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) an den Gesellschafter die damit verbundene objektive Gläubigerbenachteiligung, wenn der Gesellschafter die empfangenen Zahlungen noch vor Verfahrenseröffnung an die Gesellschaft zurückzahlt. Die mit der Wiederherstellung der ursprünglichen Vermögenslage einhergehende Verhinderung der Entstehung eines Anspruchs ist anfechtungsrechtlich dessen Erfüllung gleichzustellen (BGH, Urteil vom 4. Juli 2013 – IX ZR 229/12, BGHZ 198, 77 Rn. 18).

c) Trifft die Darstellung der Beklagten zu, wurde durch die von ihr bewirkte teilweise Rückzahlung der empfangenen Barmittel die zuvor bei dem Schuldner bestehende Vermögenslage teilweise wiederhergestellt und folglich die eingetretene Gläubigerbenachteiligung (§ 129 Abs. 1 InsO) insoweit ausgeglichen.

aa) Im Streitfall würde nach dem im Revisionsverfahren zugrunde zu legenden Sachverhalt die in der Barzahlung des Schuldners über 23.500 € liegende Gläubigerbenachteiligung teilweise gutgemacht, indem die Beklagte als Empfängerin einen Barbetrag über 16.500 € dem Schuldner erstattet hat. Dieser Barbetrag stand den Gläubigern, ohne dass es auf eine – hier behauptete – Identität der empfangenen mit den zurückgezahlten Geldnoten ankäme, in gleicher Weise wie vor der Zahlung an die Beklagte zur Vollstreckung offen. Da gegen die Beklagte keine sonstigen Zahlungsforderungen des Schuldners bestanden, ist ihre Zahlung dem Anfechtungsanspruch zuzuordnen und folglich gutzubringen (vgl. BGH, Urteil vom 26. Januar 2009 – II ZR 217/07, BGHZ 179, 285 Rn. 11). Bei dieser Sachlage hat die Beklagte die durch die an sie bewirkte Barzahlung ausgelöste Gläubigerbenachteiligung insoweit beseitigt, als sie danach einen entsprechenden Bargeldbetrag dem Schuldner überlassen hat.

bb) Grundsätzlich genügt es, wenn der empfangene Gegenstand dem Werte nach wieder in das Vermögen des Schuldners gebracht wird (RGZ 37, 97, 100). Allerdings wird die durch eine Überweisung ausgelöste Gläubigerbenachteiligung seitens des Empfängers nicht mit Hilfe einer zuvor einvernehmlich abgesprochenen Barrückzahlung rückgängig gemacht, weil den Gläubigern durch diese Maßnahme der Zugriff auf das Schuldnervermögen erschwert wird (BGH, Urteil vom 10. September 2015, aaO Rn. 16). Eine solche Gestaltung ist im Streitfall indessen nicht gegeben. Der Schuldner hat aus eigenem Antrieb eine Barabhebung über 23.500 € vorgenommen und daraus den hier noch streitigen Betrag von 16.500 € der Beklagten zur Verfügung gestellt. Zweck der Zahlung des Schuldners war nach den Feststellungen der Vordergerichte die Begleichung der Forderung der Beklagten und nicht etwa die Vornahme einer Scheinzahlung, die dem Schuldner alsbald erstattet werden sollte. Bei dieser Sachlage wurde die Gläubigerbenachteiligung beseitigt, weil die Beklagte an sie in bar ausgehändigte Geldbeträge dem Schuldner ebenfalls in bar erstattet hat. Es fand mithin durch die Rückführung der anfechtbaren Barzahlung im Wege einer Barrückzahlung bei dem Schuldner eine Wiederherstellung der ursprünglichen Vermögenslage und keine Vermögensumschichtung statt. Ein Ausgleich der Gläubigerbenachteiligung ist jedenfalls anzunehmen, wenn der entstandene Nachteil – wie hier – in seiner konkreten Form wiedergutgemacht wird.

3. Die Anfechtung hat nicht deshalb Erfolg, weil in der Zahlung der Beklagten an den Schuldner anstelle der Erfüllung des Anfechtungsanspruchs die Gewährung eines neuen Darlehens zu erkennen wäre. Die von dem Schuldner im Wege der Begleichung eines Darlehensbetrages an den Darlehensgeber veranlasste Gläubigerbenachteiligung entfällt, wenn der Darlehensgeber den Betrag sodann zu gleichen Bedingungen dem Schuldner wieder zur Verfügung stellt (RG JW 1905, 184 Nr. 33). Auch hier wurde durch die Rückgewähr der Zahlung seitens der Beklagten der ursprüngliche Darlehensvertrag wiederhergestellt.

III.

Die angefochtene Entscheidung kann damit nicht bestehen bleiben. Sie ist teilweise aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, um abschließende Feststellungen zu treffen, ob die Beklagte, die insoweit die Beweislast trägt (BGH, Urteil vom 13. Januar 2011 – IX ZR 13/07, ZIP 2011, 440 Rn. 12), den empfangenen Bargeldbetrag tatsächlich dem Schuldner in Höhe von 16.500 € zurückgewährt hat.

Schlagworte: Gläubigerbenachteiligung, Gläubigerbenachteiligungsvorsatz