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BGH, Urteil vom 25. Mai 2010 – VI ZR 205/09

Bei der Verpflichtung des Auftraggebers, die von ihm gem. § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 1 VOB/B einbehaltene Sicherheit auf ein Sperrkonto einzuzahlen (§ 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 3 VOB/B), handelt es nicht um eine qualifizierte Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB.

Das Berufungsgericht stützt sich für seine Auffassung auf einen Beschluss des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 23.2.2006 – 2 Ws 22/06, NJW 2006, 2278). Andere Gerichte haben indessen gegenteilig entschieden (OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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OLG Köln
IBR 2010, 28 [LS]; LG Bonn BauR 2004, 1471; LG Ellwangen BauR 2009, 1788) oder zumindest Zweifel angemeldet (OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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v. 10.9.2008 – 7 U 272/07, NJW-RR 2009, 571; vgl. auch OLG Stuttgart, IBR 2010, 142 [LS]). Auch im Schrifttum sind die Auffassungen geteilt. Während Joussen in Ingenstau/Korbion, VOB, Teile A und B, 17. Aufl., § 17 Abs. 6 VOB/B, Rz. 25, Thierau in Kapellmann/Messerschmidt, VOB, Teile A und B, 3. Aufl., § 17 VOB/B, Rz. 214 und Hildebrandt, IBR 2009, 139 ohne nähere Begründung der Auffassung des OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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folgen und Rössler, IBR 2009, 384 das hier angefochtene Berufungsurteil wohl für zutreffend erachtet, wird die vertragliche Verpflichtung des Auftraggebers eines Bauvertrages zur Einzahlung eines Sicherheitseinbehalts auf ein Sperrkonto von anderen Autoren nicht als Vermögensbetreuungspflicht i.S.v. § 266 StGB angesehen (Dierlamm in MünchKomm/StGB, § 266 Rz. 65; Greeve/Garbuio in Handbuch des Baustrafrechts, § 27 Rz. 20 ff.; Greeve in FS Hamm, 2008, S. 121 ff.; Greeve/Müller, NZBau 2000, 239 ff.; Lang, IBR 2010, 28). Die letztgenannte Auffassung trifft zu.

Der Treuebruchtatbestand des § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB setzt das Bestehen einer (gesetzlichen oder vertraglichen) Vermögensbetreuungspflicht voraus. Den Täter muss eine inhaltlich herausgehobene Pflicht treffen, Vermögensinteressen eines Dritten zu betreuen, d.h. diesem drohende Vermögensnachteile abzuwenden. Er muss innerhalb eines nicht ganz unbedeutenden Pflichtenkreises im Interesse des Vermögensinhabers tätig und zur fremdnützigen Vermögensfürsorge verpflichtet sein. Allgemeine schuldrechtliche Verpflichtungen, insbesondere aus Austauschverhältnissen, reichen nicht aus, und zwar auch dann nicht, wenn sich hieraus Rücksichtnahme- oder Sorgfaltspflichten ergeben (BGH, Urt. v. 30.10.1985 – 2 StR 383/85, MDR 1986, 273 – NStZ 1986, 361 f.; v. 22.1.1988 – 2 StR 133/87, MDR 1988, 511 = NJW 1988, 2483 [2485]; v. 30.10.1990 – 1 StR 544/90, NJW 1991, 1069; Beschl. v. 11.8.1993 – 2 StR 309/93, NStZ 1994, 35; v. 3.8.2005 – 2 StR 202/05 – NStZ 2006, 38 f.; Lenckner/Perron in Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl., § 266 Rz. 23; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 266 Rz. 36 m.w.N.). Die Vermögensbetreuung muss sich als Hauptpflicht, d.h. als zumindest mitbestimmende und nicht nur „beiläufige” Pflicht darstellen (BGHSt 1, 186 [188 ff.]; BGHSt 4, 170 f.; BGHSt 24, 386 [388]; BGHSt 33, 244 [250 f.]). Diese Kriterien sind Anhaltspunkte, deren Gewichtung im Einzelfall Grundlage einer wertenden Gesamtbetrachtung sein muss. In der Regel wird sich eine Treuepflicht nur aus einem fremdnützig typisierten Schuldverhältnis ergeben, in welchem der Verpflichtung des Täters Geschäftsbesorgungscharakter zukommt (Lenckner/Perron, a.a.O., Rz. 23a; Fischer, a.a.O., Rz. 38). Bei rechtsgeschäftlicher Grundlage kommt es im Einzelfall auf die vertragliche Ausgestaltung des Rechtsverhältnisses an (Fischer, a.a.O., Rz. 39).

Unter Anwendung dieser Grundsätze hat der BGH die gesetzliche Regelung des § 550b Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. (jetzt: § 551 Abs. 3 BGB), wonach der Vermieter von Wohnraum eine ihm als Sicherheit überlassene Geldsumme bei einem Kreditinstitut getrennt von seinem eigenen Vermögen anlegen muss, wobei die Erträge dem Mieter zustehen, als eine Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB angesehen. Hierbei handelt es sich um eine durch Gesetz begründete Vermögensbetreuungspflicht, die vom Gesetzgeber erklärtermaßen (BT-Drucks. 9/2079, 10 f.) nach dem Vorbild der Vorschrift des § 27 Abs. 4 Satz 1 WEG a.F. (jetzt: § 27 Abs. 5 Satz 1 WEG) und in ausdrücklicher Anlehnung an die für die Anlegung von Mündelgeld geltenden Vorschriften der §§ 1806, 1807 Abs. 1 Nr. 5 BGB als Treuhandverhältnis gestaltet worden ist (BGH v. 23.8.1995 – 5 StR 371/95, BGHSt 41, 224 [228] = MDR 1996, 86). Dagegen scheidet eine durch Gesetz begründete Vermögensbetreuungspflicht in Bezug auf die Mietkaution bei der Gewerberaummiete aus, da sich die gesetzlichen Regelungen über die Anlage von Mietkautionen allein auf Mietverhältnisse über Wohnraum beziehen (BGHSt 52, 182 [185]). Zwar kommt grundsätzlich auch die rechtsgeschäftliche Begründung einer Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB in Betracht, doch begründet die bloße Vereinbarung einer Kaution als solche noch keine Vermögensbetreuungspflicht (BGHSt 52, 182 [185 f.]). Vertragliche Pflichten müssen, um eine Vermögensbetreuungspflicht begründen zu können, im besonderen Maße den interessen des Vertragspartners dienen und gerade deshalb vereinbart worden sein. Das bedeutet, dass sich die Vertragspartner bei einer Kautionsabrede nicht nur über die Zahlung einer Kaution an sich, sondern auch über deren besondere Anlageform geeinigt haben müssen. Vereinbaren die Parteien eines gewerblichen Mietverhältnisses eine besondere Sicherung nicht ausdrücklich und bringen dadurch nicht zum Ausdruck, dass der Vermieter im Hinblick auf die Kaution treuhänderische Pflichten zu übernehmen hat, kann deshalb nicht von der Annahme einer rechtsgeschäftlichen Vermögensbetreuungspflicht ausgegangen werden.

Treffen den Empfänger der Kaution keine besonderen, ihm vertraglich auferlegte Sicherungspflichten, ist die Einzahlung einer Kaution nicht anders zu beurteilen, als wenn der Mieter für einen künftigen Sicherungsfall vorleistet. Insoweit besteht an sich immer ein Sicherungsbedürfnis, das der vorleistende Mieter aber durch eine entsprechende Fassung der Vereinbarung minimieren kann. Einem gewerblichen Mieter ist die Durchsetzung einer entsprechenden vertraglichen Absicherung auch abzuverlangen. Ein gewisses Sicherungsbedürfnis wohnt im Übrigen letztlich jeder Vorleistung inne. Dieses dem Leistenden verbleibende Restrisiko reicht jedoch grundsätzlich nicht aus, den Empfänger der Vorleistung mit einer Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB zu belasten (BGHSt 28, 20 [23 f.]; BGHSt 52, 182 [187]). Gerade im Rahmen von Austauschverhältnissen bedarf es deshalb – sofern eine gesetzliche Bestimmung fehlt – einer ausdrücklichen Vereinbarung, die den Vertragsschließenden insoweit zu einer besonderen Vermögensfürsorge zugunsten des anderen Vertragspartners verpflichtet. Andernfalls erschöpft sich der Verstoß in einer Verletzung der Pflicht, sich vertragsgemäß zu verhalten. Dies begründet aber als solches noch keine Untreue (BGHSt 22, 190 f.; BGHSt 33, 244 [250]). Nach diesen Grundsätzen genügt die zwischen den Vertragspartnern vorliegend getroffene Vereinbarung über die Einzahlung der Sicherheitseinbehalte auf ein Sperrkonto nicht, um eine Vermögensbetreuungspflicht i.S.v. § 266 Abs. 1 StGB zu begründen. Die Parteien haben die Geltung der VOB/B vereinbart und vertraglich bestimmt, dass für sämtliche in § 17 VOB/B vorgesehenen Fälle ein Sperrkonto bei der H. Bank einzurichten ist. Diese Regelung verpflichtet den Auftraggeber nicht zu einer besonderen Vermögensfürsorge zugunsten des Auftragnehmers.

Diejenigen, die in § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 3 VOB/B eine Vermögensbetreuungspflicht des Auftraggebers sehen, stützen ihre Auffassung letztlich darauf, dass nur hierdurch ein angemessener AusgleichBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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der wechselseitigen Sicherungsinteressen gewährleistet werde. Der Sicherungseinbehalt diene der Absicherung eventueller Gewährleistungskosten für die Dauer der Gewährleistungsfrist und sichere damit ausschließlich den Auftraggeber vor dem Risiko der Insolvenz des Werkunternehmers, setze aber zugleich umgekehrt diesen hinsichtlich des einbehaltenen Restwerklohns dem Risiko der Insolvenz des Auftraggebers aus. Dieses Risiko müsse zur Herstellung eines gerechten Interessenausgleichs ebenfalls abgesichert werden. Deshalb müsse der Auftraggeber jedenfalls dann, wenn zwischen den Vertragsparteien die Geltung der VOB/B vereinbart sei, nach deren § 17 Nr. 6 Abs. 1 Satz 3 den einbehaltenen Betrag dem Auftragnehmer mitteilen und binnen 18 Tagen nach dieser Mitteilung auf ein Sperrkonto einzahlen. Diese Regelung sei dahin zu verstehen, dass der Auftraggeber nicht berechtigt sei, das einbehaltene Geld weiterhin als zu seinem eigenen Vermögen gehörend zu betrachten und damit zu arbeiten. Vielmehr gelte dieser Betrag ab dem Tag der Sicherheitsleistung als Fremdgeld. Diese Regelung diene ausschließlich dem Schutz des Unternehmers vor dem Risiko einer Insolvenz des Auftraggebers. Aufgrund dieses ausschließlichen Schutzcharakters ggü. dem Unternehmer stelle bereits die Verpflichtung des Auftraggebers, den Sicherungseinbehalt auf ein Sperrkonto einzubezahlen, eine vertragliche Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 Alt. 2 StGB dar. Dem stehe auch nicht entgegen, dass es sich bei dieser Verpflichtung lediglich um eine vertragliche Nebenpflicht handele. Denn durch Einbehalt des zu bezahlenden Werklohns aufgrund der Regelung der VOB/B werde der Sicherungseinbehalt Teil einer vertraglichen Hauptpflicht. Der Werklohn sei grundsätzlich mit Stellung der Schlussrechnung fällig, lediglich im Umfang eines vereinbarten Sicherungseinbehaltes verschiebe sich die Auszahlungsfälligkeit in der Regel um die Dauer der Gewährleistungsfrist (vgl. OLG MünchenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a.a.O.).

Diese Erwägungen können nicht überzeugen. Anders als bei der Kaution handelt es sich bei dem anzulegenden Geld nämlich nicht um dem Auftraggeber anvertrautes Fremdgeld, dessen Geber in besonderem Maße schutzwürdig ist, sondern um einbehaltenen Werklohn. Hinsichtlich des einbehaltenen Betrages besteht keine fällige Forderung, da die Fälligkeit durch die getroffene Vereinbarung für die Dauer der Gewährleistungsfrist hinausgeschoben ist. Im Gegensatz zu der in § 551 Abs. 3 BGB im Einzelnen vorgezeichneten Pflicht zur Anlage der Mietkaution besteht zu keinem Zeitpunkt ein einklagbarer Anspruch auf Einzahlung des Sicherheitseinbehalts auf das Sperrkonto (Greeve, FS Hamm, S. 131). Zwar wird der Werkunternehmer, wenn die Sicherheit einbehalten wird und deren Einzahlung auf das Sperrkonto unterbleibt, dem Risiko der Insolvenz des Auftraggebers ausgesetzt, doch ist der Auftragnehmer in hinreichender Weise dadurch geschützt, dass er die Fälligkeit des Sicherheitseinbehaltes nach § 17 Nr. 6 Abs. 3 VOB/B herbeiführen kann, indem er dem Auftraggeber eine angemessene Nachfrist zur Einzahlung auf ein Sperrkonto setzt. Kommt der Auftraggeber dem nicht nach, so kann der Auftragnehmer die Auszahlung des einbehaltenen Betrages verlangen, ohne Sicherheit leisten zu müssen (vgl. OLG FrankfurtBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a.a.O.; OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, a.a.O.). Hinzu kommt, dass der Auftraggeber mit der Einzahlung auf ein Sperrkonto auch keine Leistung an den Auftragnehmer vornimmt. Der Einbehalt durch Zahlung auf ein Sperrkonto bedeutet nämlich keine Zahlung an den Auftragnehmer zum Zwecke der endgültigen Vergütung (Greeve, a.a.O., S. 134).

Schlagworte: Haftung wegen Untreue gem. § 266 StGB