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BGH, Urteil vom 26. März 1984 – II ZR 229/83

Wettbewerbsklauseln Geschäftsführer

§ 35 Abs 1 GmbHG, § 74 Abs 2 HGB, § 138 Abs 1 BGB, Art 2 Abs 1 GG, Art 12 Abs 1 GG

Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats unterliegen die von einer GmbH mit ihren Geschäftsführern vereinbarten Wettbewerbsklauseln im Sinne des § 74 Abs. 1 HGB nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen der §§ 74 ff. HGB, weil der Geschäftsführer nicht Handlungsgehilfe, sondern Organmitglied ist (vgl. Sen.Urt. v. 7.1.1965 – II ZR 187/63, WM 1965, 310; Sen.Urt. v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, NJW 1968, 1717 = LM BGB § 138Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 138
(Cf) Nr. 5). Das Bundesarbeitsgericht hat zwar ausgesprochen, daß die zwingenden Vorschriften der §§ 74 ff. HGB nicht nur für die dort erwähnten Handlungsgehilfen gelten, sondern – mit Rücksicht auf die gleiche Schutzbedürftigkeit – auf Arbeitnehmer jeder Art, insbesondere auch auf die Angestellten freiberuflich Tätiger (und damit auf Angestellte der hier in Frage stehenden Wirtschaftsprüfer und Steuerberater) zu erstrecken sind (vgl. BAG 22, 6, 125, 324; BAG Urt. v. 26.11.1971, BB 1972, 447; BAG Urt. v. 9.8.1974, BB 1974, 1531). Damit kann jedoch nicht gerechtfertigt werden, daß § 74 HGB auch auf Organmitglieder von Kapitalgesellschaften zu beziehen ist.

Hiernach verbietet es sich, auf Vereinbarungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer allgemein die Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB anzuwenden, wonach jede Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit als unzulässig anzusehen ist, sofern dem keine Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung gegenübersteht. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß Organmitglieder in gleicher Weise wie beispielsweise leitende Angestellte wirtschaftlich abhängig sein können; das gilt insbesondere für den Fremdgeschäftsführer, um den es im vorliegenden Falle geht. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß auch ihm gegenüber die Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich zurückzutreten haben und den mit der Stellung eines Organmitglieds verbundenen Besonderheiten jede Bedeutung abzusprechen ist; denn bei der Anwendung des § 74 HGB kommt es nicht allein auf die wirtschaftliche Abhängigkeit an, von wesentlicher Bedeutung sind, wie dargelegt, auch die Stellung und die Wirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft selbst. Die gebotene Interessenabwägung führt dementsprechend zur Ablehnung der Auffassung, daß in den Fällen der wirtschaftlichen Abhängigkeit die Grundsätze der §§ 74 ff. HGB auch auf Organmitglieder anzuwenden sind. Angesichts des Umstandes, daß nicht nur die Interessen des Organmitgliedes, sondern auch die des Unternehmens zu berücksichtigen sind, erscheint eine generalisierende Betrachtung und Einordnung im Rahmen der §§ 74 ff. HGB nicht möglich. Das ist auch nicht notwendig; denn die Grenzen können in angemessener Weise aus § 138 BGB – i.V.m. Art. 2 und 12 GG – und der hierzu ergangenen Rechtsprechung ermittelt werden. Der erkennende Senat hat an die Zulässigkeit von Vereinbarungen, die den Geschäftsführer einer GmbH für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses in seiner gewerblichen Betätigung beschränken, strenge Anforderungen gestellt (so ausdrücklich das o.a. Sen.Urt. v. 7.1.1965). Unter Heranziehung der in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgrundsätze hat er Wettbewerbsverbote nur als zulässig erachtet, wenn sie dem Schutze eines berechtigten Interesses des Gesellschaftsunternehmens dienen und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren (Sen.Urt. v. 9.5.1968 aaO; vgl. auch Sen. Urt. v. 19.11.1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74 zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eines ausgeschiedenen Gesellschafters).

Für die Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtsprechung des Senats spricht auch, daß die GmbH-Novelle 1980 mit dem § 85 GmbHG eine Norm in das Gesetz eingefügt hat, die (nur) solche Personen mit Strafe bedroht, die ein Geheimnis der Gesellschaft, das ihnen in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer, Mitglieder des Aufsichtsrats oder Liquidator bekannt geworden ist, unbefugt offenbaren. Hiernach wird für den Geschäftsführer – nicht aber für „normale“ Angestellte – ein (durch bestimmte Merkmale eingeschränktes) Wettbewerbsverbot ohne zeitliche Einschränkung und Entschädigung begründet, das auch für die Zeit nach Ablauf des Dienstverhältnisses Geltung beansprucht (vgl. Scholz/Tiedemann, GmbHG 6. Aufl. § 85 Anm. 1). Der Gesetzgeber hat damit erneut zum Ausdruck gebracht, daß zwischen einem Organmitglied und einem „normalen“ Angestellten ein wesentlicher Unterschied besteht, soweit es um die Verwertung der im Unternehmen erworbenen Kenntnisse und Beziehungen geht.

Unter dem Blickpunkt des § 138 BGB ist die Mandantenschutzklausel des § 7 Abs. 1 jedenfalls insoweit als wirksam anzusehen, als dem Beklagten verboten wird, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Dienstverhältnisses Mandate von solchen Auftraggebern zu übernehmen, die während der letzten drei Jahre vor seinem Ausscheiden zur Klientel der Klägerin gehörten. Der erkennende Senat hat in seinem oben angeführten Urteil vom 9. Mai 1968 zwar ausgesprochen, daß sich örtliche, zeitliche und gegenständliche Beschränkungen der Berufsausübung nur in begrenztem Umfange mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers (vertragen) und der Grundsatz der freien Berufsausübung durch Vereinbarung unter Wirtschaftsprüfern nur eingeengt werden darf, soweit besondere Umstände vorliegen, die ein anerkennenswertes Bedürfnis begründen, den Vertragspartner vor illoyaler Verwertung des Erfolges seiner Arbeit zu schützen. Als zulässig sind danach jedoch Schutzklauseln anzusehen, mit denen unter angemessenen Bedingungen verhindert werden soll, daß ein vorübergehend in die Praxis aufgenommener Wirtschaftsprüfer nach seinem Ausscheiden Mandanten abzieht, zu denen er nur aufgrund seiner Tätigkeit in der Praxis Verbindung gewinnen konnte. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Danach ist der hier entscheidende Teil der Mandantenschutzklausel des § 7 Abs. 1 als wirksam anzusehen, weil keine unzulässige über die schützenswerten Interessen der Klägerin hinausgehende Beschränkung der Berufsausübung des Beklagten vorliegt. Der gegenständliche Bereich des Wettbewerbsverbots ist insoweit eng auf solche Auftraggeber begrenzt, die während der letzten drei Jahre zum Kundenkreis der Klägerin gehörten. Der Zeitraum von zwei Jahren, für den diese Beschränkungen der Berufsausübung gelten sollen, ist ebenfalls als angemessen anzusehen; er berücksichtigt das berechtigte Interesse der Klägerin an der Fernhaltung des Beklagten und schränkt diesen in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nicht unbillig ein.

Leitsatz

Wettbewerbsklauseln zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer, die diesen für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses in der beruflichen Tätigkeit beschränken, unterliegen nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen des HGB § 74 Abs 2.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 9. Juni 1983 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Zahlungsantrag (Klageantrag zu 1) abgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft. Der Beklagte war in der Zeit vom 1. Oktober 1977 bis Mitte 1981 ihr Geschäftsführer. Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin gegen den Beklagten aus einer zwischen ihnen vereinbarten nachvertraglichen Mandantenschutzklausel einen Anspruch auf Schadensersatz (Vertragsstrafe) und Unterlassung hat. In dem Dienstvertrag vom 21. September 1977 heißt es hierzu:

 
§ 7
1) Herr C (der Beklagte) verpflichtet sich,
nach der Beendigung des Dienstverhältnisses
ohne die ausdrückliche schriftliche Zustimmung
der Gesellschaft für die Dauer von 2 Jahren
keine Mandate von solchen Auftraggebern zu
übernehmen, die während der letzten 3 Jahre
vor seinem Ausscheiden zur Klientel der Gesellschaft
und/oder der Sozietät Dres.
R, S, F und/oder der
„D“ gehörten.
Für den Fall des Verstoßes zahlt Herr C
eine Vertragsstrafe in Höhe des zweifachen
Jahreshonorars, das die Gesellschaft und/oder
die Sozietät Dres. R, S, F
und/oder die „D“ zuletzt von dem Mandanten
erhalten hat. Außerdem verpflichtet sich Herr
C für die Dauer des Verbots in O
weder selbständig noch unselbständig noch
beratend, auch nicht gelegentlich oder mittelbar,
auf Gebieten tätig zu werden, die zum Aufgabenbereich
der Gesellschaft gehören.
2) Herr C verpflichtet sich weiter, jede Einflußnahme
auf Mandanten der Gesellschaft zu
unterlassen, die darauf hinzielt, daß diese
einen anderen Angehörigen der wirtschaftsprüfenden
und steuerberatenden Berufe mit
Aufgaben betrauen, die zum Aufgabenbereich der
Gesellschaft gehören. Für jeden Fall des Verstoßes
ist Herr C verpflichtet, Schadensersatz
zu leisten. Die Höhe des Schadensersatzes
bemißt sich – ohne daß weitere Erfordernisse
an den Nachweis der Höhe gestellt werden –
nach Absatz 1).
§ 8
Sollten einzelne Bestimmungen dieses Vertrags
nichtig oder unwirksam sein oder werden, so
wird die Gültigkeit des Vertrages im übrigen
hiervon nicht berührt.
Die ungültige Bestimmung ist in der Weise umzudeuten
oder gilt in der Weise als ersetzt, daß
der beabsichtigte wirtschaftliche Zweck bestmöglich
erreicht wird.

Nach seinem Ausscheiden bei der Klägerin wurde der Beklagte Gesellschafter und Geschäftsführer der Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft C und Sch. in N.

Mit der Begründung, der Beklagte habe gegen die Mandantenschutzklausel des § 7 Abs. 1 und gegen das Abwerbungsverbot des § 7 Abs. 2 des Dienstvertrages verstoßen, indem er nach Beendigung des Dienstverhältnisses insbesondere Mandate der Su-Gruppe, der So-Gruppe und der Re AG, die ihr ein Jahreshonorar von 161.082,40 DM erbracht hätten, an sich gebracht habe, hat die Klägerin – soweit es für die Revisionsinstanz noch interessiert – beantragt, den Beklagten zu verurteilen,

 
1. an die Klägerin 100.000 DM nebst Zinsen zu zahlen,
2. es zu unterlassen, Mandanten der Klägerin wirtschaftsprüfende,
wirtschafts- oder steuerberatende
Tätigkeit anzubieten.

Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin die vorstehenden Anträge weiter. Der Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.

I. Die Revision ist begründet, soweit sie den Zahlungsantrag weiterverfolgt.

Nach Ansicht des Berufungsgerichts kann die Klägerin den Zahlungsanspruch deshalb nicht auf die Mandantenschutzklausel des § 7 Abs. 1 des Dienstvertrages stützen, weil diese wegen Verstoßes gegen § 74 Abs. 2 HGB nichtig sei. Dem kann nicht zugestimmt werden.

1. Nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats unterliegen die von einer GmbH mit ihren Geschäftsführern vereinbarten Wettbewerbsklauseln im Sinne des § 74 Abs. 1 HGB nicht den für Handlungsgehilfen geltenden Beschränkungen der §§ 74 ff. HGB, weil der Geschäftsführer nicht Handlungsgehilfe, sondern Organmitglied ist (vgl. Sen.Urt. v. 7.1.1965 – II ZR 187/63, WM 1965, 310; Sen.Urt. v. 9.5.1968 – II ZR 158/66, NJW 1968, 1717 = LM BGB § 138 (Cf) Nr. 5). Das Bundesarbeitsgericht hat zwar ausgesprochen, daß die zwingenden Vorschriften der §§ 74 ff. HGB nicht nur für die dort erwähnten Handlungsgehilfen gelten, sondern – mit Rücksicht auf die gleiche Schutzbedürftigkeit – auf Arbeitnehmer jeder Art, insbesondere auch auf die Angestellten freiberuflich Tätiger (und damit auf Angestellte der hier in Frage stehenden Wirtschaftsprüfer und Steuerberater) zu erstrecken sind (vgl. BAG 22, 6, 125, 324; BAG Urt. v. 26.11.1971, BB 1972, 447; BAG Urt. v. 9.8.1974, BB 1974, 1531). Damit kann jedoch nicht gerechtfertigt werden, daß § 74 HGB auch auf Organmitglieder von Kapitalgesellschaften zu beziehen ist.

Seit Erlaß der vorstehend angeführten Urteile des erkennenden Senats hat sich allerdings in Rechtsprechung und Rechtswissenschaft immer mehr die Überzeugung durchgesetzt, daß soziale Schutzvorschriften, die der Gesetzgeber für Arbeitnehmer vorgesehen hat, unter Umständen auf Organmitglieder juristischer Personen, insbesondere auf Geschäftsführer der GmbH, anzuwenden sind. Der Senat hat dementsprechend in einer Vielzahl von Rechtsbereichen Organmitgliedern Rechte zuerkannt, die ursprünglich nur für Arbeitnehmer vorgesehen waren, die keine Unternehmerfunktion hatten (vgl. im einzelnen die Nachweise bei Fleck, Das Organmitglied – Unternehmer oder Arbeitnehmer ?, in der Festschr. f. Hilger und Stumpf S. 197, 209 ff.). Diese Grundsätze können jedoch nicht auf die Schutzvorschriften der §§ 74 ff. HGB übertragen werden.

Die Norm des § 74 Abs. 2 HGB ist das Ergebnis einer Abwägung zwischen den berechtigten geschäftlichen Interessen des Arbeitgebers, daß die in seinem Betrieb erlangten Kenntnisse und geschäftlichen Beziehungen nicht zu seinem Schaden ausgenutzt werden, und dem berechtigten Interesse des Arbeitnehmers, nach Beendigung des Dienstverhältnisses seine Arbeitskraft frei nutzen zu können und in der Freiheit seiner Betätigung nicht beschränkt zu werden. Eine allgemeine Übertragung dieser Grundsätze auf Organmitglieder scheitert schon daran, daß diese im Geschäftsverkehr in weit stärkerem Maße – auch im Verhältnis zum leitenden Angestellten – mit dem von ihnen geleiteten Unternehmen gleichgesetzt werden und die Tätigkeiten und Leistungen des Unternehmens im wesentlichen ihnen zuzuschreiben sind. Der Geschäftsführer steht zwar im Verhältnis zur Gesellschaft in einem Anstellungsverhältnis, das ihn wie den Arbeitnehmer verpflichtet, seine Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung zu stellen. Er repräsentiert aber weit mehr als der Angestellte das Gesellschaftsunternehmen, und die geschäftlichen Beziehungen konzentrieren sich auf seine Person. Eine Konkurrenztätigkeit, die er nach seinem Ausscheiden aufnimmt, begründet dementsprechend auch in viel stärkerem Maße als bei einem Arbeitnehmer die Gefahr, daß das Unternehmen Schaden erleidet. Er ist im allgemeinen leichter in der Lage, sowohl in den Kundenkreis des Unternehmens einzubrechen und dessen Geschäftspartner an sich zu binden als auch Bezugsquellen des Unternehmens auszunutzen. Demgemäß gehen auch seine nachwirkenden Treuepflichten weiter.

Hiernach verbietet es sich, auf Vereinbarungen über nachvertragliche Wettbewerbsverbote zwischen einer GmbH und ihrem Geschäftsführer allgemein die Vorschrift des § 74 Abs. 2 HGB anzuwenden, wonach jede Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit als unzulässig anzusehen ist, sofern dem keine Verpflichtung zur Zahlung einer Entschädigung gegenübersteht. Es ist zwar nicht zu verkennen, daß Organmitglieder in gleicher Weise wie beispielsweise leitende Angestellte wirtschaftlich abhängig sein können; das gilt insbesondere für den Fremdgeschäftsführer, um den es im vorliegenden Falle geht. Daraus kann jedoch nicht geschlossen werden, daß auch ihm gegenüber die Interessen des Arbeitgebers grundsätzlich zurückzutreten haben und den mit der Stellung eines Organmitglieds verbundenen Besonderheiten jede Bedeutung abzusprechen ist; denn bei der Anwendung des § 74 HGB kommt es nicht allein auf die wirtschaftliche Abhängigkeit an, von wesentlicher Bedeutung sind, wie dargelegt, auch die Stellung und die Wirkungsmöglichkeiten in der Gesellschaft selbst. Die gebotene Interessenabwägung führt dementsprechend zur Ablehnung der Auffassung, daß in den Fällen der wirtschaftlichen Abhängigkeit die Grundsätze der §§ 74 ff. HGB auch auf Organmitglieder anzuwenden sind. Angesichts des Umstandes, daß nicht nur die Interessen des Organmitgliedes, sondern auch die des Unternehmens zu berücksichtigen sind, erscheint eine generalisierende Betrachtung und Einordnung im Rahmen der §§ 74 ff. HGB nicht möglich. Das ist auch nicht notwendig; denn die Grenzen können in angemessener Weise aus § 138 BGB – i.V.m. Art. 2 und 12 GG – und der hierzu ergangenen Rechtsprechung ermittelt werden. Der erkennende Senat hat an die Zulässigkeit von Vereinbarungen, die den Geschäftsführer einer GmbH für die Zeit nach Beendigung des Anstellungsverhältnisses in seiner gewerblichen Betätigung beschränken, strenge Anforderungen gestellt (so ausdrücklich das o.a. Sen.Urt. v. 7.1.1965). Unter Heranziehung der in den §§ 74 ff. HGB zum Ausdruck gekommenen Rechtsgrundsätze hat er Wettbewerbsverbote nur als zulässig erachtet, wenn sie dem Schutze eines berechtigten Interesses des Gesellschaftsunternehmens dienen und nach Ort, Zeit und Gegenstand die Berufsausübung und wirtschaftliche Betätigung des Geschäftsführers nicht unbillig erschweren (Sen.Urt. v. 9.5.1968 aaO; vgl. auch Sen. Urt. v. 19.11.1973 – II ZR 52/72, WM 1974, 74 zum nachvertraglichen Wettbewerbsverbot eines ausgeschiedenen Gesellschafters).

Für die Aufrechterhaltung der bisherigen Rechtsprechung des Senats spricht auch, daß die GmbH-Novelle 1980 mit dem § 85 GmbHG eine Norm in das Gesetz eingefügt hat, die (nur) solche Personen mit Strafe bedroht, die ein Geheimnis der Gesellschaft, das ihnen in ihrer Eigenschaft als Geschäftsführer, Mitglieder des Aufsichtsrats oder Liquidator bekannt geworden ist, unbefugt offenbaren. Hiernach wird für den Geschäftsführer – nicht aber für „normale“ Angestellte – ein (durch bestimmte Merkmale eingeschränktes) Wettbewerbsverbot ohne zeitliche Einschränkung und Entschädigung begründet, das auch für die Zeit nach Ablauf des Dienstverhältnisses Geltung beansprucht (vgl. Scholz/Tiedemann, GmbHG 6. Aufl. § 85 Anm. 1). Der Gesetzgeber hat damit erneut zum Ausdruck gebracht, daß zwischen einem Organmitglied und einem „normalen“ Angestellten ein wesentlicher Unterschied besteht, soweit es um die Verwertung der im Unternehmen erworbenen Kenntnisse und Beziehungen geht.

Demgemäß kann die Mandantenschutzklausel nach § 7 Abs. 1 des Dienstvertrages, auf die die Klägerin den Zahlungsanspruch in erster Linie stützt, nicht deshalb als unverbindlich angesehen werden, weil sich die Klägerin nicht zur Zahlung einer Entschädigung verpflichtet hat (§ 74 Abs. 2 HGB).

2. Unter dem Blickpunkt des § 138 BGB ist die Mandantenschutzklausel des § 7 Abs. 1 jedenfalls insoweit als wirksam anzusehen, als dem Beklagten verboten wird, für die Dauer von zwei Jahren nach Beendigung des Dienstverhältnisses Mandate von solchen Auftraggebern zu übernehmen, die während der letzten drei Jahre vor seinem Ausscheiden zur Klientel der Klägerin gehörten. Der erkennende Senat hat in seinem oben angeführten Urteil vom 9. Mai 1968 zwar ausgesprochen, daß sich örtliche, zeitliche und gegenständliche Beschränkungen der Berufsausübung nur in begrenztem Umfange mit dem Beruf des Wirtschaftsprüfers (vertragen) und der Grundsatz der freien Berufsausübung durch Vereinbarung unter Wirtschaftsprüfern nur eingeengt werden darf, soweit besondere Umstände vorliegen, die ein anerkennenswertes Bedürfnis begründen, den Vertragspartner vor illoyaler Verwertung des Erfolges seiner Arbeit zu schützen. Als zulässig sind danach jedoch Schutzklauseln anzusehen, mit denen unter angemessenen Bedingungen verhindert werden soll, daß ein vorübergehend in die Praxis aufgenommener Wirtschaftsprüfer nach seinem Ausscheiden Mandanten abzieht, zu denen er nur aufgrund seiner Tätigkeit in der Praxis Verbindung gewinnen konnte. An dieser Auffassung ist festzuhalten. Danach ist der hier entscheidende Teil der Mandantenschutzklausel des § 7 Abs. 1 als wirksam anzusehen, weil keine unzulässige über die schützenswerten Interessen der Klägerin hinausgehende Beschränkung der Berufsausübung des Beklagten vorliegt. Der gegenständliche Bereich des Wettbewerbsverbots ist insoweit eng auf solche Auftraggeber begrenzt, die während der letzten drei Jahre zum Kundenkreis der Klägerin gehörten. Der Zeitraum von zwei Jahren, für den diese Beschränkungen der Berufsausübung gelten sollen, ist ebenfalls als angemessen anzusehen; er berücksichtigt das berechtigte Interesse der Klägerin an der Fernhaltung des Beklagten und schränkt diesen in seiner wirtschaftlichen Bewegungsfreiheit nicht unbillig ein.

3. Dagegen ist die Klausel des Dienstvertrages nichtig, die den Beklagten verpflichtet, „für die Dauer des Verbotes in O weder selbständig noch unselbständig noch beratend, auch nicht gelegentlich oder mittelbar, auf Gebieten tätig zu werden, die zum Aufgabenbereich der Gesellschaft gehören“ (§ 7 Abs. 1 letzter Satz). Dadurch soll der Beklagte für die Dauer von zwei Jahren als Wettbewerber der Klägerin ausgeschaltet werden. Für eine solche Regelung besteht kein berechtigtes Interesse der Klägerin. Sie ist auch mit dem öffentlichen Interesse an der Freiheit der Berufsausübung im Berufsstand der Wirtschaftsprüfer unvereinbar (vgl. auch dazu im einzelnen das o.a. Sen.Urt. v. 9. Mai 1968). Ob dies auch gilt, soweit dem Beklagten die Verpflichtung auferlegt wurde, für die Dauer von zwei Jahren keine Mandate von solchen Auftraggebern zu übernehmen, die während der letzten drei Jahre vor seinem Ausscheiden zur Klientel der Sozietät Dres. R, S, F und/oder der „D“ gehörten, kann beim gegenwärtigen Prozeßstand nicht abschließend beurteilt werden. Für das vorliegende Verfahren kann jedoch zu Gunsten des Beklagten von der Nichtigkeit dieser Regelung ausgegangen werden. Die Klägerin hat den hier in Frage stehenden Anspruch auf Zahlung von 100.000 DM allein darauf gestützt, daß der Beklagte Aufträge von Kunden der Klägerin übernommen hat.

Es erhebt sich allerdings die Frage, ob aus der teilweisen Nichtigkeit des § 7 Abs. 1 geschlossen werden kann, daß die Bestimmungen über die Beschränkung der Berufsausübung des Beklagten insgesamt nichtig sind, also auch der Teil, auf den die Klage gestützt ist. Das ist nicht der Fall. § 8 des Dienstvertrages legt insoweit in zulässiger Weise fest, daß die Nichtigkeit einzelner Bestimmungen die Gültigkeit des Vertrages im übrigen nicht berühren soll. Es liegen auch keine Anhaltspunkte für die Annahme vor, daß der hier entscheidende von dem Nichtigkeitsgrund nicht betroffene Teil der Mandantenschutzklausel von dem nichtigen Teil nicht mit der Folge abtrennbar ist, daß er für sich allein bestehen kann.

4. Das den Beklagten treffende Wettbewerbsverbot scheitert auch nicht an § 1 GWB. Soweit die Mandantenschutzklausel unter dem Blickpunkt des § 74 Abs. 2 und des § 138 BGB als wirksam anzusehen ist, dient sie allein dem anzuerkennenden Interesse der Klägerin, vor illoyaler Verwertung der Kenntnisse und geschäftlichen Beziehungen geschützt zu werden, die der Beklagte als Organmitglied während seiner Tätigkeit in dem Gesellschaftsunternehmen erlangt hat. Eine Abwägung der durch § 1 GWB geschützten Wettbewerbsfreiheit und der Güter und Interessen, denen die Mandantenschutzklausel dient, muß dazu führen, das eng begrenzte Wettbewerbsverbot anzuerkennen. Nach der Rechtsprechung des Kartellsenats des Bundesgerichtshofs ist der erkennende Senat in einem Falle der vorliegenden Art nicht gehindert, diese Frage selbst zu entscheiden (vgl. BGHZ 30, 186; 64, 342, 346).

5. Das angefochtene Urteil ist hiernach aufzuheben, soweit der Zahlungsantrag abgewiesen worden ist. Zur Feststellung der Höhe des der Klägerin entstandenen Anspruchs ist die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

II. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich dagegen wendet, daß der Unterlassungsantrag der Klägerin abgewiesen worden ist. Das Berufungsgericht hält einen Unterlassungsanspruch mit der Begründung für nicht gegeben, es liege keine Wiederholungsgefahr vor. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen.

1. Die Klägerin stützt diesen Antrag auf die Bestimmung des § 7 Abs. 2, wonach der Beklagte verpflichtet ist, jede Einflußnahme auf Mandanten der Klägerin zu unterlassen, die darauf hinzielt, daß diese einen anderen Angehörigen der wirtschaftsprüfenden und steuerberatenden Berufe mit Aufgaben betrauen, die zum Aufgabenbereich der Klägerin gehören. Das Berufungsgericht hält nach dieser Klausel nur ein solches Verhalten für verboten, das standeswidrig ist, insbesondere das „unaufgeforderte Anbieten“ von Diensten zum Gegenstand hat. Dem ist im Ergebnis zuzustimmen.

Aus den unter I dargelegten Gründen kann dem Berufungsgericht allerdings nicht gefolgt werden, soweit es ausführt, ein weitergehender Inhalt der Klausel sei als unzulässig anzusehen, weil keine Entschädigungsverpflichtung der Klägerin im Sinne des § 74 Abs. 2 HGB vereinbart worden sei. Die – letztlich unbegrenzte – Verpflichtung, Einflußnahmen auf Mandanten der Gesellschaft zu unterlassen, erweist sich jedoch unter dem Gesichtspunkt des § 138 BGB mit Rücksicht darauf als nichtig, daß sie zeitlich unbeschränkt gelten soll. Dies ist mit dem öffentlichen Interesse und dem Interesse des Beklagten an der Freiheit der Berufsausübung unvereinbar und kann auch nicht mit einem schützenswerten Interesse der Klägerin begründet werden (vgl. die vorstehenden Darlegungen zu I 2 und 3).

2. Eine Wiederholungsgefahr sieht das Berufungsgericht als nicht gegeben an, weil die Klägerin nicht bewiesen habe, daß der Beklagte bislang standeswidrig geworben habe. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision greifen nicht durch.

a) Die Klägerin hat ihr Unterlassungsbegehren auf die Behauptung gestützt, der Beklagte habe die Spedition So, die Su.-Gruppe, die I-A GmbH und die Re. AG abgeworben. Das Berufungsgericht kam demgegenüber nach Vernehmung der von der Klägerin benannten Zeugen und aufgrund einer umfassenden Würdigung des Ergebnisses der Beweisaufnahme und der von der Klägerin vorgebrachten weiteren Tatsachen zu dem Ergebnis, daß in keinem dieser Fälle der Beweis für eine unzulässige Abwerbung des Beklagten als erbracht angesehen werden könne.

Die Revision erhebt keine Angriffe, soweit das Berufungsgericht es als nicht erwiesen erachtet hat, daß der Beklagte die Spedition So. in unzulässiger Weise abgeworben habe. Im übrigen erhebt sie nur Verfahrensrügen. Soweit sie sich gegen die Beweiswürdigung wendet, versucht sie jedoch lediglich, in revisionsrechtlich unzulässiger Weise die Würdigung des Berufungsgerichts durch eine eigene zu ersetzen. Die weiter erhobenen Verfahrensrügen hat der Senat geprüft, aber nicht für durchgreifend erachtet (§ 565 a ZPO).

b) Muß hiernach davon ausgegangen werden, daß der Klägerin der Beweis für unzulässige Abwerbungshandlungen des Beklagten nicht gelungen ist, so ist es aus Rechtsgründen auch nicht zu beanstanden, daß das Berufungsgericht eine Wiederholungsgefahr verneint hat.

Da es an einem vorangegangenen rechtswidrigen Eingriff fehlt, kann die Klägerin nicht geltend machen, daß eine tatsächliche Vermutung dafür bestehe, der Beklagte werde den unzulässigen Eingriff wiederholen (vgl. hierzu BGB-RGRK 12. Aufl., vor § 823, Rdn. 125 und § 1004, Rdn. 179 m.w.N.).

Ein Unterlassungsanspruch kann allerdings auch dann gegeben sein, wenn ein rechtswidriger Eingriff noch nicht stattgefunden hat. Es genügt die ernsthafte Besorgnis, daß ein Angriff (erstmals) bevorsteht. Dies kann aber nicht schon aufgrund der bestehenden Möglichkeit eines Eingriffs und der damit verbundenen Rechtsbeeinträchtigung begründet werden. Die Besorgnis muß sich vielmehr auf Tatsachen gründen, die die Vorbereitung und die Absicht eines Eingriffs erkennen lassen (vgl. die Nachweise in BGB-RGRK vor § 823 Rdn. 128). In dieser Richtung hat die Klägerin jedoch nichts vorgetragen. Hierfür liegen auch sonst keine Anhaltspunkte vor.

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Wettbewerbsklauseln Geschäftsführer

Schlagworte: Abgeleitetes Wettbewerbsverbot, Haftung nach § 43 GmbHG, Mandatsschutzklausel, Nachvertraglich, Nachvertragliches Wettbewerbsverbot, Pflichtverletzung nach § 43 Abs. 2 GmbHG, Sittenwidrigkeit hinsichtlich Ort Zeit und Gegenstand, Wettbewerbsklauseln zwischen GmbH und Geschäftsführer, Wettbewerbsverbot, Wettbewerbsverbot der Gesellschafter, Wirtschaftsprüfer