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BGH, Urteil vom 26. September 2018 – VIII ZR 187/17

§ 313 Abs 1 BGB, § 313 Abs 2 BGB, § 434 BGB, §§ 434ff BGB, § 453 Abs 1 Alt 1 BGB

1. Zur Mängelgewährleistung beim Rechtskauf nach § 453 BGB (hier: Kauf von Gesellschaftsanteilen).

2. Bei einem Kauf von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH, der als solcher ein Rechtskauf gemäß § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist, sind im Fall von Mängeln des von der GmbH betriebenen Unternehmens die Gewährleistungsrechte der §§ 434 ff. BGB anzuwenden, wenn Gegenstand des Kaufvertrags der Erwerb sämtlicher oder nahezu sämtlicher Anteile an dem Unternehmen ist und sich der Anteilskauf damit sowohl nach der Vorstellung der Vertragsparteien als auch objektiv bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Kauf des Unternehmens selbst und damit als Sachkauf darstellt (Fortführung von BGH, Urteile vom 27. Februar 1970, I ZR 103/68, WM 1970, 819 unter II; vom 12. November 1975, VIII ZR 142/74, BGHZ 65, 246, 248 f., 251; vom 24. November 1982, VIII ZR 263/81, BGHZ 85, 367, 370; vom 25. März 1998, VIII ZR 185/96, BGHZ 138, 195, 204 und vom 4. April 2001, VIII ZR 32/00, NJW 2001, 2163 unter II 1; jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF).

3. Ein solcher Erwerb sämtlicher oder nahezu sämtlicher Anteile an dem Unternehmen liegt nicht vor, wenn ein Käufer, der bereits 50 % der Mitgliedschaftsrechte an einer GmbH hält, weitere 50 % der Geschäftsanteile dieser Gesellschaft hinzuerwirbt.

4. Zur Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Geschäftsgrundlage
Störung der Geschäftsgrundlage
, wenn bei einem Anteilskauf beide Vertragsparteien irrtümlich von einer Solvenz der Gesellschaft ausgehen.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe – 13. Zivilsenat in Freiburg – vom 10. August 2017 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

Die Klägerin und die Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) – beide sind im Energiegeschäft tätige Handelsgesellschaften – waren seit dem Jahr 2001 im Wege eines sogenannten Joint Venture jeweils zu 50 % an der E.  E.         GmbH (im Folgenden: E.  GmbH) beteiligt. Nach Meinungsverschiedenheiten beabsichtigten die Parteien seit Ende des Jahres 2010, das „Joint Venture“ durch einen Verkauf der von der Beklagten gehaltenen Anteile an die Klägerin zu beenden.

Nach einem von der Klägerin bei einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in Auftrag gegebenen Gutachten, welches unter Berücksichtigung von Einwänden der Beklagten überarbeitet und um zwischen den Parteien in weiteren Verhandlungen abgestimmte Hinzurechnungen ergänzt wurde, belief sich der Gesamtwert der E.  GmbH zum Bewertungsstichtag am 31. Dezember 2010 auf 8.377.000 €. Dementsprechend veräußerte die Beklagte ihre Anteile an der E.  GmbH mit Wirkung zum 1. Oktober 2011 durch notariellen Vertrag vom 5. Oktober 2011 zu einem Kaufpreis von 4.188.000 € an die Klägerin. Der Kaufvertrag enthält in § 4.1 verschiedene Garantieabreden, die insbesondere das rechtswirksame Bestehen der Geschäftsanteile, deren nicht vorhandene Belastung mit Rechten Dritter, die Eigentümerstellung des Verkäufers sowie die hälftige Einzahlung der Einlagen auf den Geschäftsanteil betreffen; gesetzliche Gewährleistungsansprüche sind hingegen ausgeschlossen, „soweit dies rechtlich möglich ist“. Gemäß § 8.3 regelt der Vertrag im Hinblick auf dessen Gegenstand das Verhältnis der Parteien abschließend.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin von der Beklagten die Rückerstattung des gezahlten Kaufpreises sowie zunächst außerdem noch die Zahlung weiterer 4.897.000 € als Beitrag zur Sanierung der E.   GmbH verlangt und dies auf Ansprüche auf Vertragsanpassung wegen Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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sowie hilfsweise auf Gewährleistungsansprüche gestützt. Dabei hat sie sich auf einen von einer (anderen) Wirtschaftsprüfungsgesellschaft erstellten Prüfbericht zum Jahresabschluss der E.  GmbH für das Jahr 2011 berufen, welcher ein den Jahren 2008 bis 2010 zuzurechnendes Defizit in Höhe von 12.951.000 € ergeben und wonach insbesondere der für die Kaufpreisfindung maßgebliche Jahresabschluss 2009 infolge massiver Abgrenzungsfehler deutlich zu hohe Umsatzerlöse ausgewiesen habe. Bei Zugrundelegung der – von beiden Parteien irrtümlich verkannten – zutreffenden Unternehmenszahlen hätte sich eine deutliche Unterbilanz ergeben, so dass der Kaufpreis „auf allenfalls Null“ festgesetzt worden wäre.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen von der Klägerin eingelegte Berufung, mit der sie nur noch die Rückzahlung des Kaufpreises begehrt hat, ist ohne Erfolg geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Rückzahlungsbegehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung – soweit für das Revisionsverfahren von Interesse – im Wesentlichen ausgeführt:

Bei dem von der Klägerin behaupteten hohen negativen Eigenkapital der E.  GmbH handele es sich um eine Beschaffenheit dieses von der Klägerin erworbenen Unternehmens, so dass die von ihr geltend gemachten Ansprüche – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – nach Sachmängelgewährleistungsrecht (§§ 434 ff. BGB) und nicht nach den Grundsätzen der Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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(§ 313 BGB) zu beurteilen seien.

Nach allgemeiner Meinung sei der Kauf von Gesellschaftsanteilen („share deal“) zwar ein Rechtskauf im Sinne des § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB. Als solcher werde er im Hinblick auf die Gewährleistung aber – wie bereits nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes – jedenfalls dann wie ein Unternehmenskauf und damit wie ein Sachkauf („asset deal“) behandelt, wenn sich der Kaufvertrag auf den Erwerb sämtlicher Anteile der unternehmenstragenden Gesellschaft erstrecke oder die beim Verkäufer oder Dritten verbleibenden Anteile so geringfügig seien, dass sie die Verfügungsbefugnis des Erwerbers über das Unternehmen nicht entscheidend beeinträchtigten, sofern der Wille der Parteien auf den Kauf des Unternehmens als Ganzes gerichtet sei.

Dementsprechend sei auch vorliegend der Kauf von 50 % der Geschäftsanteile an der E.   GmbH als Kauf des ganzen Unternehmens einzuordnen, da die Klägerin mit dem Kauf bestimmungsgemäß sämtliche Geschäftsanteile dieser Gesellschaft auf sich vereint und als alleinige Geschäftsinhaberin nunmehr deren Geschicke allein bestimmt habe, so dass bei Mängeln der E.  GmbH das Sachmängelgewährleistungsrecht der §§ 434 ff. BGB einschlägig sei.

Der seit der Schuldrechtsreform für einen Sachmangel gemäß § 434 Abs. 1 BGB nunmehr maßgebende Begriff der „Beschaffenheit“ sei dabei weit auszulegen, so dass – anders als noch unter der Geltung der §§ 459 ff. BGB aF – nunmehr auch das Vorhandensein eines positiven Eigenkapitals und die damit verbundene Fortführungsfähigkeit der Gesellschaft als Beschaffenheit und spiegelbildlich deren Fehlen als Sachmangel des Unternehmens im Sinne von § 434 Abs. 1 BGB einzuordnen seien. Daneben kämen die subsidiären Grundsätze der Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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– entgegen der Auffassung der Klägerin – nicht zur Anwendung. Denn nach nahezu einhelliger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sei § 313 BGB nicht einschlägig, wenn die Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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auf einem Mangel der Kaufsache beruhe.

Im Ergebnis komme wegen der von ihr behaupteten Überschuldung und Insolvenzreife der E.  GmbH ein Rückzahlungsanspruch der Klägerin allerdings auch nach den §§ 434 ff. BGB nicht in Betracht, da § 4.1 des Kaufvertrags dahin auszulegen sei, dass die Haftung der Beklagten für jegliche über die vereinbarten Garantien hinausgehenden Gewährleistungsansprüche der Klägerin hinsichtlich einer etwaigen negativen Abweichung der E.  GmbH von der von beiden Seiten vertraglich vorausgesetzten Fortführungsfähigkeit (§ 434 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 BGB) ausgeschlossen sei. Eine von diesem Gewährleistungsausschluss nicht umfasste Beschaffenheitsvereinbarung (§ 434 Abs. 1 Satz 1 BGB) hinsichtlich des Eigenkapitals der E.  GmbH hätten die Parteien weder ausdrücklich noch konkludent geschlossen.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Vertragsanpassung – in Form der Rückzahlung des Kaufpreises – wegen Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gemäß § 313 Abs. 1, 2 BGB nicht verneint werden. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stünden bei Vorliegen der von ihr behaupteten Überschuldung und Insolvenzreife der E.  GmbH allein – gegenüber den vorbezeichneten Regeln des § 313 Abs. 1, 2 BGB vorrangige, vertraglich indes ausgeschlossene – Sachmängelgewährleistungsansprüche nach §§ 434 ff. BGB zu, weil sie durch den streitgegenständlichen Anteilserwerb das „ganze“ Unternehmen erworben habe, trifft nicht zu. Sie beruht auf einem Fehlverständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung des Sachmängelgewährleistungsrechts bei einem auf den Erwerb sämtlicher oder nahezu sämtlicher Geschäftsanteile beziehungsweise Mitgliedschaftsrechte eines Unternehmens gerichteten – und damit wie ein Unternehmenskauf zu behandelnden – (Rechts-)Kauf.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts sind diese Voraussetzungen, die auch nach dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes weiterhin gelten, nicht bereits dann erfüllt, wenn ein Käufer – wie hier die Klägerin -, der bereits 50 % der Geschäftsanteile hält, weitere 50 % der Geschäftsanteile eines Unternehmens hinzukauft. Denn Vertragsgegenstand eines solchen Kaufvertrags ist allein die Beteiligung in Höhe von 50 %, so dass es sich insoweit nicht um einen Unternehmenskauf, sondern um einen – nicht der Sachmängelhaftung unterliegenden – Anteilskauf handelt.

1. Das Berufungsgericht ist allerdings zutreffend davon ausgegangen, dass eine Anpassung des streitgegenständlichen Kaufvertrags nach § 313 Abs. 1, 2 BGB grundsätzlich auszuscheiden hätte, soweit aufgrund der von der Klägerin behaupteten Überschuldung sowie der daraus resultierenden Insolvenzreife der E.  GmbH der Anwendungsbereich des Sach- und Rechtsmängelgewährleistungsrechts der §§ 434 ff. BGB eröffnet wäre.

Denn nach § 313 Abs. 1, 2 BGB kommt die Anpassung eines Vertrags wegen wesentlicher Vorstellungen, die zur Grundlage des Vertrags geworden sind und sich als falsch herausstellen, nur in Betracht, wenn und soweit die Parteien den Vertrag nicht oder mit anderem Inhalt geschlossen hätten, wenn sie dieser Fehlvorstellung nicht erlegen wären (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 16. September 2008 – VI ZR 296/07, VersR 2008, 1648 Rn. 23; MünchKommBGB/Finkenauer, 7. Aufl., § 313 Rn. 58), und einem Vertragsteil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der vertraglichen oder gesetzlichen Risikoverteilung, das Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann. In diesem Verweis auf die gesetzliche Risikoverteilung kommt zum Ausdruck, dass eine Anwendung der Regeln über die Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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auszuscheiden hat, wenn und soweit es um Fehlvorstellungen geht, deren Auswirkungen auf den Vertrag der Gesetzgeber bereits durch Aufstellung bestimmter gesetzlicher Regeln zu erfassen versucht hat (vgl. Senatsurteil vom 18. November 2015 – VIII ZR 266/14, BGHZ 208, 18 Rn. 23).

Dementsprechend kann § 313 BGB im Anwendungsbereich der kaufrechtlichen Sach- und Rechtsmängelhaftung grundsätzlich nicht herangezogen werden, da andernfalls die den Bestimmungen der §§ 434 ff. BGB zugrunde liegende Risikoverteilung durch die Annahme einer Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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verändert werden würde (vgl. BGH, Urteile vom 30. September 2011 – V ZR 17/11, BGHZ 191, 139 Rn. 12; vom 7. Februar 1992 – V ZR 246/90, BGHZ 117, 159, 162 [mwN zu dem bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Schuldrecht]; vom 21. Februar 2008 – III ZR 200/07, NZM 2008, 462 Rn. 8 [zum Miet- und Pachtrecht]). Das gilt auch dann, wenn die Voraussetzungen einer Mängelhaftung im Einzelfall – etwa aufgrund eines wirksamen Haftungsausschlusses, wie ihn das Berufungsgericht vorliegend angenommen hat – nicht gegeben sein sollten (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2011 – V ZR 17/11, aaO).

2. Allerdings besteht dieser Vorrang des Gewährleistungsrechts nur insoweit, als der maßgebliche Umstand – hier also die (behauptete) Überschuldung und die daraus resultierende Insolvenzreife der E.  GmbH – überhaupt geeignet ist, entsprechende Mängelansprüche auszulösen (vgl. BGH, Urteil vom 30. September 2011 – V ZR 17/11, aaO Rn. 13 mwN). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

a) Soweit das Berufungsgericht die Anwendbarkeit des Sachmängelgewährleistungsrechts bejaht hat, weil der streitgegenständliche Kauf von 50 % der Geschäftsanteile an der E.   GmbH als Kauf des „ganzen“ Unternehmens einzuordnen sei und die Beklagte somit auch für Sachmängel desselben haften müsse, beruht dies auf einem Fehlverständnis der im Berufungsurteil insoweit in Bezug genommenen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

aa) Noch zutreffend ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass der Bundesgerichtshof bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, BGBl. I S. 3138) in ständiger Rechtsprechung den Kauf von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH zwar als Rechtskauf angesehen und die Gewährleistung gemäß den hierfür in § 433 Abs. 1 Satz 2, §§ 437 ff. BGB aF vorgesehenen Regelungen – die eine Haftung grundsätzlich nur für den Bestand des Rechtes (Verität) vorsahen – bemessen hat, auf Mängel des von der GmbH betriebenen Unternehmens jedoch die Vorschriften über die Sachmängelhaftung (§§ 459 ff. BGB aF) für die Fälle entsprechend herangezogen hat, in denen sich der Erwerb dieses Rechts sowohl nach der Vorstellung der Parteien als auch objektiv als Kauf des Unternehmens selbst und damit bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Sachkauf darstellte (vgl. nur BGH, Urteile vom 27. Februar 1970 – I ZR 103/68, WM 1970, 819 unter II; vom 12. November 1975 – VIII ZR 142/74, BGHZ 65, 246, 248 f., 251; vom 24. November 1982- VIII ZR 263/81, BGHZ 85, 367, 370; vom 25. März 1998 – VIII ZR 185/96, BGHZ 138, 195, 204; vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/00, NJW 2001, 2163 unter II 1; [jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF] sowie mwN).

Ein solcher Unternehmenskauf wurde insbesondere dann bejaht, wenn der Käufer von seinem Verkäufer sämtliche oder nahezu sämtliche Geschäftsanteile (vgl. hierzu Senatsurteile vom 2. Juni 1980 – VIII ZR 64/79, NJW 1980, 2408 unter II 2 a; vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/00, aaO [jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF]) erwarb und damit, ohne durch die Befugnisse von Mitgesellschaftern beeinträchtigt zu sein, uneingeschränkt über das Unternehmen verfügen konnte, obgleich formell die GmbH Trägerin des Unternehmens und Eigentümerin der Sachwerte desselben blieb (vgl. etwa BGH, Urteile vom 16. Oktober 1968 – I ZR 81/66, JZ 1969, 336 unter III 3 a; vom 12. November 1975 – VIII ZR 142/74, aaO S. 251 [jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF]).

bb) Ebenso wenig begegnet es in rechtlicher Hinsicht Bedenken, dass das Berufungsgericht diese Rechtsprechungsgrundsätze auf das nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes geltende Kaufvertragsrecht übertragen hat (so auch die allg. Meinung; vgl. etwa OLG KölnBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Köln
, ZIP 2009, 2063
, 2064; Grunewald, NZG 2003, 372; BeckOK-BGB/Faust, Stand 1. Mai 2018, § 453 Rn. 32; Staudinger/Beckmann, BGB, Neubearb. 2013, § 453 Rn. 101; jurisPK-BGB/Leible/Müller, 8. Aufl., § 453 Rn. 24; Palandt/Weidenkaff, BGB, 77. Aufl., § 453 Rn. 23; jeweils mwN).

Zwar sieht das Gesetz in § 453 Abs. 1 BGB die entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Kauf von Sachen nicht nur für den Kauf von Rechten (Alt. 1), sondern außerdem für den Kauf sonstiger Gegenstände (Alt. 2) – worunter nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers auch der Kauf von Unternehmen oder Unternehmensteilen fallen soll (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 242) – vor. Unberührt von dieser Regelungssystematik bleibt jedoch der Umstand, dass aufgrund des Wesens einer GmbH als einer juristischen Person und ihrer mithin personen- und vermögensrechtlichen Verselbstständigung gegenüber den sie tragenden Gesellschaftern beim Erwerb von Mitgliedschaftsrechten zunächst allein die betreffenden Gesellschaftsanteile den Vertragsgegenstand und damit zugleich den für die Anwendung von Gewährleistungsvorschriften maßgebenden Anknüpfungspunkt bilden (vgl. Senatsurteil vom 12. November 1975 – VIII ZR 142/74, aaO S. 250 [zu §§ 459 ff. BGB aF]). An dem von der GmbH betriebenen Unternehmen und den von diesem gehaltenen Sachwerten erwirbt ein Anteilskäufer mithin nach wie vor kein unmittelbares Recht, sondern kann vielmehr nur im Rahmen der ihm durch Gesetz und Satzung eingeräumten Befugnisse als Gesellschafter Einfluss nehmen.

Eine Haftung auch für Mängel des Unternehmens selbst ist aber weiterhin sach- und interessengerecht, wenn im Grunde das „gesamte“ Unternehmen verkauft wird, es sich bei dem betreffenden Anteilskauf also faktisch um einen Kauf des „ganzen“ Gesellschaftsvermögens und damit wirtschaftlich betrachtet um einen Sachkauf handelt (vgl. Grunewald, aaO S. 372 f.; BeckOK-BGB/Faust, aaO). Mithin bleibt es – in Fortführung der dargestellten bisherigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs – auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes dabei, dass bei einem Anteilskauf, der als solcher ein Rechtskauf gemäß § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB ist, im Fall von Mängeln des Unternehmens die Gewährleistungsrechte der §§ 434 ff. BGB (nur) dann anzuwenden sind, wenn der Käufer sämtliche oder nahezu sämtliche Anteile an einem Unternehmen erwirbt und sich der Anteilskauf damit sowohl nach der Vorstellung der Vertragsparteien als auch objektiv bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Kauf des Unternehmens selbst und damit als Sachkauf darstellt (vgl. hierzu bereits Senatsurteil vom 12. November 1975 – VIII ZR 142/74, aaO S. 248 f., 251 mwN [zu §§ 459 ff. BGB aF]).

cc) Allerdings hat das Berufungsgericht verkannt, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Anteilskauf, durch den die Klägerin lediglich 50 % der Mitgliedschaftsrechte der E.   GmbH erworben hat, weder nach der Vorstellung der Parteien noch objektiv um den Kauf des „ganzen“ Unternehmens handelt.

(1) Im Ausgangspunkt ist es zwar sachgerecht – und entspricht auch der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes -, den Anwendungsbereich der dargestellten Rechtsprechung zum Unternehmenskauf nicht von vornherein auf Fälle zu beschränken, in denen der Käufer vom Verkäufer sämtliche Gesellschaftsanteile erwirbt und damit, ohne durch Befugnisse von Mitgesellschaftern beeinträchtigt zu sein, uneingeschränkt über das Unternehmen verfügen kann. Denn dieselben Erwägungen gelten, wenn der Käufer zwar nicht alle Geschäftsanteile erwirbt, die bei dem Verkäufer oder einem Dritten verbleibenden Anteile aber so geringfügig sind, dass sie die Verfügungsbefugnis des Erwerbers über das Unternehmen nicht entscheidend beeinträchtigen, sofern nur der Wille der Vertragspartner auf den Kauf des Unternehmens als Ganzes gerichtet ist (vgl. BGH, Urteile vom 27. Februar 1970 – I ZR 103/68, aaO; vom 12. November 1975 – VIII ZR 142/74, aaO S. 251; vom 2. Juni 1980 – VIII ZR 64/79, aaO [jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF]).

(2) Ein solcher Fall liegt aber nicht vor, wenn der Käufer – wie hier die Klägerin – lediglich einen Anspruch auf Übertragung der Hälfte der Geschäftsanteile hat. Denn unter derartigen Umständen fehlt es nach der Parteivorstellung und der Verkehrsanschauung an einem – gemäß den dargestellten Grundsätzen für die entsprechende Anwendung der Sachmängelhaftung entscheidenden – auf den Erwerb des Unternehmens insgesamt gerichteten Ziel des Vertrags (vgl. Senatsurteile vom 12. November 1975 – VIII ZR 142/74, aaO S. 252; vom 2. Juni 1980 – VIII ZR 64/79, aaO unter II 3; vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/00, aaO [jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF]).

Die gegenteilige Auffassung des Berufungsgerichts beruht auf einem Missverständnis der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs. Es hat insoweit – unter Bezugnahme auf die dargestellte Rechtsprechung – als ausschlaggebend erachtet, dass die Klägerin mit dem Kauf bestimmungsgemäß sämtliche Geschäftsanteile der E.  GmbH auf sich vereinte und als alleinige Geschäftsinhaberin nunmehr die Geschicke der Gesellschaft allein bestimmte.

Dabei hat das Berufungsgericht allerdings aus den Augen verloren, dass allein maßgeblicher Anknüpfungspunkt des Mängelgewährleistungsrechts der §§ 434 ff. BGB und damit ausschlaggebend für die vorliegend zu beantwortende Frage, ob diese Vorschriften überhaupt zur Anwendung gelangen, nach der Regelungssystematik des Bürgerlichen Gesetzbuchs – wie sich bereits aus dem Wortlaut des § 433 Abs. 1 BGB ergibt – der jeweilige Kaufgegenstand ist. Die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Mängelgewährleistung kann deshalb nicht von Umständen außerhalb des von den Parteien übereinstimmend im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit gewählten Vertragsgegenstands abhängen. Die vom Berufungsgericht erörterte Frage, wie „weit“ der Beschaffenheitsbegriff des § 434 Abs. 1 BGB zu verstehen ist – ob also nicht nur Beziehungen der Sache zur Umwelt, die ihren Ursprung im Kaufgegenstand haben, umfasst sind, sondern sogar jeder tatsächliche Bezug zum Kaufgegenstand ausreicht (offen gelassen in BGH, Urteile vom 15. Juni 2016 – VIII ZR 134/15, NJW 2016, 2874 Rn. 13; vom 19. April 2013 – V ZR 113/12, NJW 2013, 1948 Rn. 15) – stellte sich erst, wenn das Sachmängelgewährleistungsrecht für den betreffenden Kaufgegenstand überhaupt einschlägig wäre.

Deshalb kann es entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bei der Beurteilung, ob sich ein Erwerb von Mitgliedschaftsrechten an einer GmbH bei wirtschaftlicher Betrachtung als Unternehmens- und damit Sachkauf darstellt, von vornherein nicht darauf ankommen, ob der Käufer in diesem Zeitpunkt bereits (weitere) Anteile an der Gesellschaft hält und aufgrund dessen im Ergebnis die alleinige Verfügungsbefugnis über das betreffende Unternehmen erhält (so auch OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Naumburg
, NJW-RR 1995, 799
, 800 [zu §§ 459 ff. BGB aF]; Erman/Grunewald, BGB, 15. Aufl., § 453 Rn. 21; MünchKommBGB/Westermann, aaO, § 453 Rn. 22; Staudinger/Beckmann, aaO Rn. 101; BeckOGK-BGB/Wilhelmi, Stand 1. Juli 2018, § 453 Rn. 325; Scholz/Seibt, GmbHG, 12. Aufl., § 15 Rn. 153; aA Schmidt in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 13. Aufl., § 453 Rn. 28). Zwar wird in einem solchen Fall der Wille des Käufers – regelmäßig auch mit Wissen des Verkäufers – darauf gerichtet sein, im Ergebnis die Unternehmensherrschaft zu erlangen, was sich möglicherweise auch im Kaufpreis niederschlägt (vgl. Schmidt in Prütting/Wegen/Weinreich, aaO). Der Erwerb als solcher hingegen betrifft sowohl nach der Parteiauffassung als auch nach der Verkehrsanschauung stets nur den im Kaufvertrag genannten Gegenstand, vorliegend mithin (nur) die Hälfte der Mitgliedschaftsrechte an der E.  GmbH. Inwieweit sich hiervon im Einzelfall Abweichungen ergeben können, wenn mehrere Anteilskäufe als einheitliches Geschäft im Sinne von § 139 BGB anzusehen sind, bedarf vorliegend keiner Entscheidung (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 23. November 1979 – I ZR 161/77, WM 1980, 284 unter III [Erwerb von Anteilen an einer Aktiengesellschaft] sowie OLG HammBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamm
, GmbHR 1994, 48
, 49 [jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF]; außerdem Erman/Grunewald, aaO mwN).

b) Da es sich im vorliegenden Fall mithin um einen reinen Anteilskauf – also einen Rechtskauf und nicht um einen Unternehmens- und damit Sachkauf – handelt, kommen Gewährleistungsansprüche der Klägerin wegen von ihr behaupteter Sachmängel der E.  GmbH von vornherein nicht in Betracht.

aa) Zwar wird in Teilen des Schrifttums, insbesondere seit Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, in verschiedenen Ausprägungen die Ansicht vertreten, die Sachmängelhaftung der §§ 434 ff. BGB gelte auch für Sachen und sonstige Gegenstände, auf die sich das verkaufte Recht lediglich beziehe, so dass namentlich auch bei einem bloßen Anteilskauf gemäß § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB – der nach den dargestellten Rechtsprechungsgrundsätzen nicht gleichzeitig ein Unternehmenskauf ist – (Sach-)Mängel einzelner Sachen, Rechte oder sonstiger Gegenstände beziehungsweise des Unternehmensvermögens als Gewährleistungsrechte auslösende Mängel des Anteils selbst anzusehen seien (vgl. BeckOGK-BGB/Wilhelmi, aaO Rn. 42 ff., 58 ff., 566 ff.; MünchKommHGB/Thiessen, 4. Aufl., § 25 Anhang Rn. 112; Wolf/Kaiser, DB 2002, 411, 416 f.; Gaul, ZHR 166 [2002], 35, 39; von Gierke/Paschen, GmbHR 2002, 457, 459; ähnlich auch Zimmermann, AcP 213 [2013], 652, 659 ff.). Es dürfe nicht übersehen werden, dass die zu erwerbenden Gesellschaftsanteile nicht um ihrer selbst willen existierten, sondern die Beteiligung an einem Unternehmen verkörperten, auf das es infolgedessen auch gewährleistungsrechtlich primär ankomme (MünchKommHGB/Thiessen, aaO Rn. 113; siehe auch Altmeppen in Roth/Altmeppen, GmbHG, 8. Aufl., § 15 Rn. 10).

bb) Diese vornehmlich von wirtschaftlichen Billigkeitserwägungen getragenen Auffassungen übergehen indes, dass der von den Parteien übereinstimmend und im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit bestimmte Kaufgegenstand eben keine Sache, sondern ein Recht ist (vgl. hierzu auch Huber, AcP 202 [2002], 179, 213 f.). Den Verkäufer eines Rechts trifft kraft Gesetzes aber auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes (und Entfallen der Vorschrift des § 437 Abs. 1 BGB aF) nach allgemeiner Auffassung (vgl. Staudinger/Beckmann, aaO Rn. 7 f.; BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 16 ff.; jeweils mwN) weiterhin nur eine Gewährleistung für den Bestand des Rechts (Verität), nicht aber für die Einbringlichkeit der Forderung (Bonität) und dementsprechend ebenso wenig für die Güte des Gegenstands, auf welchen sich das Recht bezieht. Eine solche Bonitätshaftung besteht vielmehr nur, wenn sie vertraglich besonders übernommen ist (Huber, aaO S. 214, 229 ff.; BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 20 ff.; MünchKommBGB/Westermann, aaO Rn. 11; jeweils mwN).

Zwar wird von Teilen der Literatur in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass auf den Rechtskauf nach § 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB die Vorschriften zum Sachkauf und damit nunmehr eben auch das Sach- und Rechtsmängelgewährleistungsrecht entsprechende Anwendung fänden. Weder dem Wortlaut des Gesetzes noch den Gesetzesmaterialien des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes sind aber auch nur Andeutungen zu entnehmen, dass der Gesetzgeber mit der Vorschrift des § 453 BGB den Unterschied zwischen dem Kauf eines Rechts und dem Kauf einer Sache, auf welche sich dieses Recht bezieht, aufzuheben beabsichtigte. Im Gegenteil ging der Gesetzgeber vielmehr davon aus, dass die Regelung des § 453 Abs. 1 BGB mit der darin vorgesehenen entsprechende Anwendung der Vorschriften über den Kauf von Sachen auf den Kauf von Rechten und sonstigen Gegenständen „im Einklang mit dem geltenden Recht“ stehe (BT-Drucks. 14/6040, S. 242).

Diese Auslegung wird bestätigt durch die Gesetzessystematik der in § 453 BGB enthaltenen Bestimmungen. Nach § 453 Abs. 3 BGB haftet der Verkäufer, sofern ein Recht verkauft ist, das zum Besitz an einer Sache berechtigt, dafür, dass die Sache frei von Sach- und Rechtsmängeln ist. Im Umkehrschluss zeigt diese für bestimmte Fälle des Rechtskaufs geltende Ausnahmeregelung, dass eine solche Gewährleistung in allen anderen Fällen des Rechtskaufs (§ 453 Abs. 1 BGB) gerade nicht besteht, da diese Vorschrift ansonsten überflüssig wäre (vgl. Grunewald, NZG 2003, 372, 373; NK-BGB/Büdenbender, 3. Aufl., § 453 Rn. 14; vgl. auch BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 21a).

Von alledem ist eine Ausnahme aus den oben (unter II 2 a aa, bb und cc) im Einzelnen dargestellten Gründen nur dann gerechtfertigt, wenn der Käufer sämtliche oder nahezu sämtliche Anteile an einem Unternehmen erwirbt und sich der Anteilskauf damit sowohl nach den Vorstellungen der Vertragsparteien als auch objektiv bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise als Kauf des Unternehmens selbst darstellt, da der Käufer mit den vorbezeichneten Anteilen – wirtschaftlich betrachtet – das Unternehmen als Ganzes erwirbt (vgl. nur Senatsurteil vom 12. November 1975 – VIII ZR 142/74, aaO S. 248 f., 251 mwN [zu §§ 459 ff. BGB aF]).

Insoweit hat der Senat bereits in der Vergangenheit darauf hingewiesen, dass es daneben unverändert dabei bleibt, dass der Erwerber von Mitgliedschaftsrechten an einer Gesellschaft eben kein unmittelbares Recht an dem von dieser betriebenen Unternehmen erwirbt, sondern auf dieses vielmehr nur mittelbar im Rahmen der ihm durch Gesetz und Satzung eingeräumten Befugnisse als Gesellschafter Einfluss nehmen kann (vgl. Senatsurteil vom 12. November 1975 – VIII ZR 142/74, aaO S. 250 [zu §§ 459 ff. BGB aF]). Diese Trennung ist auch kein leerer Formalismus, sondern beruht auf dem Wesen der juristischen Person – wie hier der E.  GmbH -, mithin auf ihrer personen- und vermögensrechtlichen Verselbständigung gegenüber den sie tragenden Gesellschaftern, die ihrerseits für die Verbindlichkeiten dieser juristischen Person auch nur begrenzt einzustehen haben (Senatsurteil vom 12. November 1975 – VIII ZR 142/74, aaO [zu §§ 459 ff. BGB aF]).

Überdies besteht auch kein zwingendes praktisches Bedürfnis für eine derartige – mit dem geltenden Recht nicht zu vereinbarende – Ausweitung der Gewährleistung beim Anteilskauf. Denn es bleibt den Parteien eines solchen Kaufvertrages unbenommen, entsprechend weitergehende Garantieabreden zu treffen. In Ermangelung solcher Vereinbarungen kommen außerdem eine Haftung nach § 280 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Nr. 2, § 241 Abs. 2 BGB (culpa in contrahendo) – bei einem Vertretenmüssen des Verkäufers – und eine – im Streitfall von der Klägerin auch begehrte – Vertragsanpassung wegen Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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nach § 313 Abs. 1, 2 BGB in Betracht (vgl. BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 22, 30 f.; Canaris in Festschrift Georgiades, 2006, S. 71, 78 ff.; BGH, Urteile vom 12. November 1975 – VIII ZR 142/74, aaO S. 252 f.; vom 23. November 1979 – I ZR 161/77, aaO unter IV; vom 2. Juni 1980 – VIII ZR 64/79, aaO unter III; vom 4. April 2001 – VIII ZR 32/00, aaO unter II 3 und 4; OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, aaO S. 800 und 802; [jeweils zu §§ 459 ff. BGB aF]; BT-Drucks. 14/6040, S. 242; aA wohl Huber, aaO S. 217 ff.).

c) Schließlich vermögen die von der Klägerin behauptete Überschuldung und die daraus resultierende Insolvenzreife der E.  GmbH – entgegen vereinzelter Auffassungen im Schrifttum – auch einen Rechtsmangel der von ihr erworbenen Anteile selbst nicht zu begründen.

aa) Aus der in § 453 Abs. 1 BGB enthaltenen Verweisung auf die Vorschriften zum Sachkauf ergibt sich für den – im vorliegenden Fall gegebenen – Kauf von Rechten (§ 453 Abs. 1 Alt. 1 BGB) nach dem Willen des Gesetzgebers des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes, dass der Verkäufer verpflichtet ist, dem Käufer das Recht „frei von Rechtsmängeln“ zu verschaffen (BT-Drucks. 14/6040, S. 242). Zwar wird unterschiedlich beurteilt, ob insoweit lediglich Rechtsmängel im Sinne des § 435 BGB in Betracht kommen (so etwa Grunewald, aaO S. 373; Erman/Grunewald, BGB, 15. Aufl., § 453 Rn. 10; Grigoleit/Herresthal, JZ 2003, 118, 125; Brink, WM 2003, 1355, 1357) oder ob sich die Haftung des Verkäufers darüber hinaus nicht vielmehr unter entsprechender Heranziehung des § 434 BGB außerdem danach bestimmt, ob das Recht die vertraglich vereinbarte Beschaffenheit aufweist, sich für die vertraglich vereinbarte Verwendung eignet oder bei Eignung für die gewöhnliche Verwendung die übliche und zu erwartende Beschaffenheit aufweist (so in unterschiedlichen Ausprägungen die wohl überwiegende Auffassung im Schrifttum, vgl. etwa BeckOK-BGB/Faust, aaO Rn. 10; NK-BGB/Büdenbender, aaO Rn. 10 f.; jurisPK-BGB/Leible/Müller, aaO Rn. 12 f.; Schmidt in Prütting/Wegen/Weinreich, aaO Rn. 8; Scholz/Seibt, aaO Rn. 149; wohl auch Staudinger/Beckmann, aaO Rn. 7; Palandt/Weidenkaff, aaO Rn. 18; jeweils mwN).

bb) Diese Rechtsfrage bedarf im Streitfall indes keiner näheren Beurteilung, da ein „Rechtsmangel“ der an die Klägerin verkauften Anteile nach beiden Auffassungen nicht in Betracht kommt. Denn weder den Feststellungen des Berufungsgerichts noch dem Vorbringen der Parteien ist zu entnehmen, dass die verkauften Geschäftsanteile mit Rechten Dritter belastet wären oder – etwa in Bezug auf Stimmrechte oder Gewinnansprüche – nicht der vereinbarten, vorausgesetzten oder üblichen Beschaffenheit entsprechen würden. Die von der Klägerin vorinstanzlich und im Rahmen ihrer Revisionsbegründung – in Bezug sowohl auf die von ihr angenommene Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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als auch auf die ihrer Auffassung nach getroffene (konkludente) Beschaffenheitsvereinbarung zur Solvenz der E.  GmbH – behaupteten falschen Vorstellungen beziehungsweise Mängel der Überschuldung und Insolvenzreife beziehen sich vielmehr allein auf die Gesellschaft beziehungsweise auf das von dieser betriebene Unternehmen, welches als solches aber – wie ausgeführt – gerade nicht Vertragsgegenstand war.

Zwar wird in der (gesellschaftsrechtlichen) Literatur teilweise die Auffassung vertreten, dass Überschuldung und Insolvenzreife einer Gesellschaft auch „Rechtsmängel“ von an dieser erworbenen Geschäftsanteilen begründen würden, weil hierdurch zugleich deren Bestand gefährdet sei (so Scholz/Seibt, aaO Rn. 145; Ebbing in Michalski/Heidinger/Leible/Schmidt, GmbH-Gesetz, 3. Aufl., § 15 Rn. 177; wohl auch Baumbach/Hueck/Fastrich, GmbH-Gesetz, 21. Aufl., § 15 Rn. 6). Dabei wird aber übersehen, dass die Überschuldung oder auch Insolvenzreife einer Gesellschaft für sich den rechtlichen Bestand eines vom Verkäufer abgetretenen Gesellschaftsanteils gerade noch nicht beeinträchtigen, da Stimmrechte und Gewinnansprüche wie vor Eintritt der Überschuldung bestehen (so bereits Senatsurteil vom 2. Juni 1980 – VIII ZR 64/79, aaO unter I 3; siehe außerdem OLG NaumburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, aaO S. 800 [jeweils zu § 437 BGB aF]). Somit wird die geschuldete Rechtsstellung auch bei Überschuldung und Insolvenzreife der Gesellschaft mangelfrei übertragen (vgl. Grunewald, NZG 2003, 372, 373 f.). Hieran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass diese Rechtsstellung für die Zukunft möglicherweise – etwa bei Auflösung der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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durch Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbHG – „gefährdet“ sein könnte. Andernfalls würde sich im Einzelfall stets die Frage anschließen, ab welcher Vermögenslage einer Gesellschaft von einer rechtsmängelbegründenden „Gefährdung“ in dem vorbezeichneten Sinne auszugehen wäre.

Dass bei Eintritt derartiger Umstände schließlich die tatsächliche Gewinnerwartung wegfallen und der wirtschaftliche Wert der Anteile gemindert sein kann (vgl. Senatsurteil vom 2. Juni 1980 – VIII ZR 64/79, aaO [zu § 437 BGB aF]), begründet ebenso wenig einen Rechtsmangel des Geschäftsanteils, da, wie bereits ausgeführt, den Verkäufer auch nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes keine Haftung für die Bonität des veräußerten Rechts trifft.

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO), da es zur Beurteilung der Frage, ob und inwieweit die Klägerin wegen einer Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Geschäftsgrundlage
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gemäß § 313 BGB Vertragsanpassung, namentlich in Form der mit der Klage geltend gemachten Rückzahlung des Kaufpreises, verlangen kann, weiterer Feststellungen bedarf.

1. Das Berufungsgericht hat zwar bereits ausdrücklich und von den Parteien im Revisionsverfahren nicht angegriffen festgestellt, dass beide Parteien davon ausgegangen seien, die E.  GmbH weise ein positives Eigenkapital auf und sei mithin nicht insolvenzreif, sondern vielmehr fortführungsfähig. Ob und in welchem Umfang sich diese wesentlichen Vorstellungen der Parteien, die nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zur (Geschäfts-)Grundlage des streitgegenständlichen Vertrags geworden sind, tatsächlich – wie von der Klägerin behauptet – als falsch herausstellten und ob ihr unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein Festhalten am unveränderten Vertrag nicht zugemutet werden kann (§ 313 Abs. 1, 2 BGB), hat es hingegen – von seinem Rechtsstandpunkt allerdings folgerichtig – bislang offen gelassen (vgl. hierzu auch BGH, Urteile vom 8. Februar 2006 – VIII ZR 304/04, NJW-RR 2006, 1037 Rn. 7 ff.; vom 1. Februar 2012 – VIII ZR 307/10, NJW 2012, 1718 Rn. 26 ff.; vom 26. April 2017 – IV ZR 126/16, VersR 2017, 741 Rn. 18, 21 ff.; vom 11. Januar 2018 – I ZR 85/17, NJW-RR 2018, 877 Rn. 16; jeweils mwN).

2. In diesem Zusammenhang weist der Senat außerdem darauf hin, dass vorliegend eine Anwendbarkeit des § 313 BGB auch nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil die Parteien im streitgegenständlichen Kaufvertrag umfassend den Ausschluss gesetzlicher Gewährleistungsansprüche und stattdessen abschließend bestimmte Garantien betreffend die zu übertragenden Geschäftsanteile vereinbart haben. Zwar ist § 313 BGB unanwendbar, wenn sich durch die Störung der GeschäftsgrundlageBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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ein Risiko verwirklicht, das nach den vertraglichen Vereinbarungen in den Risikobereich einer der Parteien fällt (vgl. BGH, Urteile vom 30. September 2011 – V ZR 17/11, BGHZ 191, 139 Rn. 15; vom 30. Juni 2017 – V ZR 248/16, WM 2017, 1937 Rn. 8; jeweils mwN). Der zwischen den Parteien geschlossene Anteilkaufvertrag enthält aber gerade – wie auch das Berufungsgericht mehrfach hervorgehoben hat – keine näheren Angaben zur wirtschaftlichen Lage der E.  GmbH und trifft dementsprechend auch keine Aussagen darüber, wer insoweit das Risiko einer Störung des angestrebten Äquivalenzverhältnisses zwischen Leistung und Gegenleistung tragen sollte.

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