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BGH, Urteil vom 27. April 1970 – II ZR 24/68

§ 3 Abs 1 Nr 3 GmbHG, § 3 Abs 1 Nr 4 GmbHG

Zu den Grenzen der Stimmrechtsausübung eines GmbH-Gesellschafters bei Kapitalerhöhungen.

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 7. Dezember 1967 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Tatbestand

Die Klägerin und ihr Bruder, der bisherige Beklagte (im folgenden: Beklagter), setzten sich nach dem Tode ihres Vaters in einem notariellen Vertrag vom 3. Februar 1939 über den Nachlaß auseinander. Der Erblasser war Inhaber des Gipswerks A. & F. P und Alleingesellschafter der Gipswerk P GmbH, die keine eigene Fabrik betrieb, sondern ihre Anlagen an die vorgenannte Einzelfirma verpachtet hatte. Außerdem war er Mitgesellschafter der K GmbH, die elektrische Kraft erzeugt. In dem Auseinandersetzungsvertrag wurde das Gipswerk A. & F. P dem Beklagten allein zugewiesen, während die Alleinbeteiligung an der Gipswerk P GmbH und die Geschäftsanteile des Erblassers an der K GmbH zu 49 % der Klägerin und zu 51 % dem Beklagten zufielen. Hinsichtlich der von ihr erworbenen Anteile bevollmächtigte die Klägerin den Beklagten unwiderruflich zu ihrer Vertretung bei der Ausübung des Stimmrechts (§ 4 I). Der Beklagte verpflichtete sich, der Klägerin als Ertrag aus diesen Anteilen (mit gewissen Einschränkungen für den Fall, daß der Gewinn eine bestimmte Grenze unterschritt) einen festen Betrag von jährlich 5.000 RM zu zahlen; diese Gewinnpauschale wurde später auf 12.000 DM jährlich festgesetzt. Im Anschluß an die Gewinnregelung heißt es in dem Vertrag weiter (§ 4 II Abs. 4 und 7):

„Dabei ist vorausgesetzt, daß das derzeit bestehende Pachtverhältnis zwischen der Pächterfirma und der P GmbH. nicht zum Nachteil der Tochter Julie E (Klägerin) geändert werden darf.

Ebenso dürfen die zwischen den Gesellschaftern der K GmbH. geschlossenen Verträge nicht zum Nachteil der Tochter Julie E geändert werden.“

Am 20. Januar 1956 beschlossen der Beklagte und die Mitgesellschafterin K & Co. KG gegen die Stimme der Klägerin, das Stammkapital der K GmbH von 84.800 DM auf 254.400 DM zu erhöhen. Auf das erhöhte Kapital übernahmen die K & Co. KG (die bislang mit etwa 62 % beteiligt gewesen war) eine neue Stammeinlage von 104.800 DM und der Beklagte eine solche von 64.800 DM.

Hierin erblickt die Klägerin eine Verschlechterung ihrer Stellung in der Gesellschaft und damit einen Verstoß des Beklagten gegen § 4 II des Auseinandersetzungsvertrags, der ihn verpflichte, ihr als Schadenersatz von dem neu erworbenen Geschäftsanteil unentgeltlich einen Teilbetrag von 32.000 DM zu überlassen. Sie hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, von seiner durch die Kapitalerhöhung bei der K GmbH erworbenen neuen Stammeinlage von 64.800 DM einen Teilbetrag von 32.000 DM an sie zu übertragen, hilfsweise, diese Übertragung Zug um Zug gegen ihr Anerkenntnis vorzunehmen, im Falle einer Liquidation oder einer Veräußerung von Geschäftsanteilen dem Beklagten einen Betrag bis zu 32.000 DM zu erstatten. Weitere Hilfsanträge der Klägerin gehen auf Feststellung, daß sie bei einer Liquidation der K GmbH an einem Liquidationsgewinn innerhalb der Stammanteile der Parteien mit 49 % zu beteiligen sei, sowie darauf, den Beklagten zu verurteilen, von seinem neuen Geschäftsanteil hinsichtlich eines Teilbetrages von 32.000 DM nicht zu ihrem Nachteil Gebrauch zu machen.

Der Beklagte hat mit seinem Antrag auf Klagabweisung eingewandt, die Kapitalerhöhung sei notwendig gewesen, um mit einem zum Teil aus öffentlichen Mitteln bestrittenen Millionenaufwand zur besseren Stromgewinnung einen Staudamm im K errichten und auf diese Weise die Rentabilität des Unternehmens erhöhen zu können. Er habe der Klägerin Gelegenheit gegeben, sich mit eigenen Mitteln an der Kapitalerhöhung zu beteiligen. Das habe sie abgelehnt. Erst nach dem Jahresabschluß für 1965, der erstmals wieder einen Gewinn ausgewiesen habe, sei sie mit ihren Forderungen hervorgetreten.

Das Landgericht hat unter Abweisung der weitergehenden Klage den Beklagten verurteilt, von dem neuen Geschäftsanteil hinsichtlich eines Teilbetrages von 32.000 DM nicht zum Nachteil der Klägerin Gebrauch zu machen. Das Oberlandesgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage auch insoweit abgewiesen und die Berufung der Klägerin zurückgewiesen.

Während des Revisionsverfahrens ist der bisherige Beklagte verstorben. Der Testamentsvollstrecker hat das Verfahren aufgenommen. Mit der Revision, die der Beklagte zurückzuweisen bittet, verfolgt die Klägerin ihre Anträge weiter.

Entscheidungsgründe

I. Rechtlich fehlerfrei verneint das Berufungsgericht eine Schadenersatzpflicht des Beklagten wegen Verletzung des Auseinandersetzungsvertrags vom 3. Februar 1939.

1. Es verkennt nicht, daß die 1956 beschlossene Kapitalerhöhung die Stellung der Klägerin in der K GmbH verschlechtert hat, obschon die Klägerin am Gewinn unverändert in Höhe der vereinbarten Pauschale von jährlich 12.000 DM beteiligt geblieben ist. Diese Verschlechterung sieht es zutreffend in dem verhältnismäßigen Rückgang des Geschäftsanteils von etwa 18 % auf etwa 6 % des Gesellschaftsvermögens und dem damit verbundenen Stimmenverlust, der zur Folge hat, daß die Klägerin ihre Minderheitenrechte vor allem aus § 50 GmbHG eingebüßt hat.

2. Gleichwohl erblickt das Berufungsgericht darin, daß der Beklagte in der Gesellschafterversammlung vom 20. Januar 1956 der Kapitalerhöhung zugestimmt und selbst eine neue Stammeinlage übernommen hat, keinen zum Schadenersatz verpflichtenden schuldhaften Verstoß gegen § 4 II des Auseinandersetzungsvertrags. Diese Klausel habe die Klägerin lediglich vor einer ungleichen Behandlung innerhalb der Gesellschaft schützen, aber nicht ihr die Möglichkeit geben sollen, notwendige Entwicklungsmaßnahmen zu unterbinden. Durch die Zufuhr neuen Eigenkapitals in Verbindung mit der Aufnahme von Krediten habe die Rentabilität des Gesellschaftsunternehmens erhöht werden sollen. Der angestrebte Erfolg sei auch wirklich eingetreten und habe nachträglich das Vorgehen des Beklagten gerechtfertigt, wie die Klägerin selbst durch ihr Verlangen nach Beteiligung im früheren Verhältnis anerkenne.

Allerdings sei der Beklagte nach der angezogenen Vertragsbestimmung verpflichtet gewesen, der Klägerin einen ihrer bisherigen Beteiligung entsprechenden Teil der neuen Stammeinlage anzubieten. Jedoch lasse sich auch insoweit eine vertragswidrige Schädigung der Klägerin selbst dann nicht feststellen, wenn der Vortrag des Beklagten, er habe der Klägerin vor dem Kapitalerhöhungsbeschluß vergeblich einen solchen Anteilserwerb mit dem darauf entfallenden Gewinnbezug vorgeschlagen, unrichtig wäre. Denn die Klägerin habe in der Gesellschafterversammlung vom 20. Januar 1956 ebenso wie im vorliegenden Rechtsstreit unmißverständlich zum Ausdruck gebracht, daß sie nicht bereit sei, die mit einer neuen Stammeinlage verbundenen Pflichten zu übernehmen, also insbesondere einen Gegenwert zu zahlen.

3. Diese Ausführungen halten den Revisionsangriffen stand.

a) Zwar durfte der Beklagte grundsätzlich keine Änderung des GmbH-Vertrags zum Nachteil der Beklagten zulassen; eine Vertragsänderung liegt auch in der Erhöhung des Stammkapitals (vgl. § 3 Abs 1 Nr. 3, 4 GmbHG). Dieses Verbot bedeutet aber entgegen der Auffassung der Revision nicht, daß der Beklagte immer dann, wenn die Rechte der Klägerin mit im Spiel sind, bei der Ausübung seines Stimmrechts jede Rücksicht auf die Interessen der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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außer acht lassen dürfte und müßte. Es hat vielmehr seine Grenzen an der gesellschaftlichen Treuepflicht, die sich die Klägerin als Gesellschafterin entgegenhalten lassen muß. Wenn auch ein Gesellschafter seine eigenen Interessen im allgemeinen nicht hinter die der Gesellschaft zu stellen braucht (BGHZ 14, 25, 38), ist es ihm doch andererseits verwehrt, eine gesunde und vernünftige kaufmännische Planung zum Wohl des Unternehmens aus eigennützigen Gründen zu vereiteln oder, wie hier, einen Mitgesellschafter dafür haftbar zu machen, daß er solche Pläne durch seine Stimme unterstützt hat.

b) Zu Unrecht vermißt die Revision ausreichende Feststellungen, inwiefern die Kapitalerhöhung für die Entwicklung des Unternehmens notwendig gewesen sei. Das Berufungsgericht hat rechtlich einwandfrei aus dem tatsächlichen Verlauf rückschließend gefolgert, daß die von der Klägerin beanstandeten Maßnahmen vom Standpunkt verantwortlicher Unternehmensführung aus im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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gerechtfertigt gewesen seien. Das genügt, um gegenüber dem Beklagten den Vorwurf unrechtmäßiger Stimmabgabe zum Nachteil der Klägerin insoweit auszuschließen, zumal die infolge jener Maßnahmen erhöhte Ertragskraft des Unternehmens wenigstens in der Weise der Klägerin mit zugute kommt, daß ihr Geschäftsanteil, mag er auch im Nennwert gleichgeblieben und damit im Verhältnis zum Gesamtkapital geringer geworden sein, in seinem inneren Wert gestärkt und die Sicherheit für ihr festes Gewinnbezugsrecht erhöht worden ist.

c) Auf das Vorbringen der Klägerin, die Investitionen hätten sich, anstatt im Wege der Kapitalerhöhung, auch allein mit Hilfe von Darlehen der an der Stromerzeugung der K interessierten Gesellschafter finanzieren lassen, brauchte das Berufungsgericht kein Gewicht zu legen, da es wirtschaftlichen Erfahrungsregeln widerspricht. Unstreitig hat die Gesellschaft für ihr Bauvorhaben neben den neuen Kapitaleinlagen und den zusätzlich gegebenen Gesellschafterdarlehen hohe Kredite von dritter Seite in Anspruch genommen. Die Kreditwürdigkeit eines Unternehmens hängt aber wesentlich davon ab, in welchem Verhältnis das Eigenkapital zum Fremdkapital steht und inwieweit das Anlagevermögen durch Eigenmittel gedeckt ist; je größer der Anteil des Eigenkapitals, desto besser die Aussicht, für produktive Investitionen Kredit zu erhalten.

d) Läßt sich somit eine Schadenersatzpflicht des Beklagten nicht schon wegen seiner Zustimmung zur Kapitalerhöhung, sondern allenfalls dann begründen, wenn er es Unterlassen hätte, der Klägerin eine verhältnismäßige Beteiligung an dem erhöhten Kapital zu verschaffen, so ist dem Berufungsgericht auch darin zuzustimmen, daß die Klägerin diese Beteiligung jedenfalls nicht unentgeltlich beanspruchen durfte. Denn hierdurch wären nicht nur die ihr durch die Kapitalerhöhung drohenden Nachteile abgewendet, sondern sie wäre darüber hinaus wirtschaftlich besser gestellt worden, als sie vor der Kapitalerhöhung gestanden hatte. Sie würde dann nämlich an dem durch die Kapitalaufwendungen ihrer Mitgesellschafter geschaffenen Vermögenszuwachs ohne eigene Leistung teilhaben. Eine solche Bereicherung auf Kosten des Beklagten kann die Klägerin auch unter dem Gesichtspunkt des Schadenersatzes nicht verlangen. Denn die Ersatzleistung soll den Geschädigten nicht ärmer, aber auch nicht reicher machen (BGHZ 30, 29, 31, 33).

II. Aus denselben Erwägungen hat das Berufungsgericht die weitere Frage, ob die Klägerin schon nach § 4 II des Auseinandersetzungsvertrags, unabhängig von einem etwaigen Schadenersatzanspruch, noch heute vom Beklagten die Wiederherstellung des früheren Beteiligungsverhältnisses fordern könne, zutreffend dahin beantwortet, daß jedenfalls eine Anteilsübertragung ohne Gegenleistung auch unter diesem Gesichtspunkt nicht in Betracht komme. Da die Klägerin einen entgeltlichen Erwerb ablehnt, durfte das Berufungsgericht offenlassen, wie hoch das Entgelt zu bemessen wäre und ob der Beklagte der Klägerin nicht mit der Übertragung eines neuen Geschäftsanteils zugleich eine erhöhte Gewinnbeteiligung einräumen müßte.

III. Mit Recht hat das Berufungsgericht hiernach nicht nur den Hauptantrag der Klägerin auf Übertragung eines Teilbetrags der neuen Stammeinlage von 32.000 DM für unbegründet erachtet, sondern auch den Hilfsantrag auf Feststellung, daß die Klägerin an einem Liquidationsgewinn innerhalb der Stammanteile der Parteien mit 49,4 % zu beteiligen sei. Denn mit beiden Anträgen erstrebt die Klägerin einen unentgeltlichen Anteilserwerb, der ihr nicht zusteht.

Der weitere Hilfsantrag auf Überlassung des Anteils Zug um Zug gegen das Anerkenntnis der Klägerin, den darauf entfallenden Betrag bei einer Liquidation oder Anteilsveräußerung zu erstatten, scheitert nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts daran, daß die Klägerin eine sofortige Abtretung, wenn überhaupt, dann nur gegen sofortige Übernahme der entsprechenden Pflichten verlangen könnte.

IV. Obwohl das Berufungsgericht den Beklagten gemäß § 4 II des Vertrags als verpflichtet ansieht, von der durch die Kapitalerhöhung erlangten Rechtsstellung nicht zum Nachteil der Klägerin Gebrauch zu machen, hält es eine Verurteilung des Beklagten mit diesem unbestimmten Inhalt, wie das Landgericht sie vorgenommen hat, für unzulässig; ein statt dessen mögliches Urteil, das eine bestimmte, ernstlich drohende Verletzungshandlung verbiete, habe die Klägerin nicht beantragt. Dem ist ebenfalls zuzustimmen.

Die Klage und das Urteil des Landgerichts laufen in diesem Punkt praktisch darauf hinaus, in abstrakter Fassung die Rechtslage wiederzugeben, wie sie nach Auffassung der Vorinstanzen (und im wesentlichen auch des Beklagten selbst) hinsichtlich des vom Beklagten neu erworbenen Geschäftsanteils aus § 4 II des Vertrags zu entnehmen ist. Wie auch die Klägerin eingeräumt hat (Schriftsatz vom 11. September 1967 S. 9), könnte der Beklagte daraus nicht ersehen, welches konkrete Handeln oder Unterlassen ihm auferlegt werden soll. Die Revision möchte zwar den Antrag jetzt dahin verstanden wissen, daß der Beklagte insoweit, als die Kapitalerhöhung für ihn einen Stimmenzuwachs zum Nachteil der Klägerin ergeben hat, mit dem zusätzlichen Stimmanteil nicht gegen die Klägerin stimmen dürfe, so daß namentlich deren Minderheitenrechte nach § 50 GmbHG gewahrt blieben; es mag sein, daß dieses Anliegen als berechtigt anzuerkennen wäre. In den Tatsacheninstanzen hat die Klägerin aber weder einen solchen Antrag gestellt noch sonstwie zu erkennen gegeben, daß sie ein entsprechendes Urteil wünsche. Nach ihrem damaligen Vorbringen ging es ihr vielmehr allgemein darum, daß der Beklagte ihr unentgeltlich eine Rechtsstellung einräumt, die dem früheren Beteiligungsverhältnis entspricht. Der Streit, inwieweit dieses Verlangen berechtigt ist, könnte durch eine Verurteilung des Beklagten gemäß dem Erkenntnis des Landgerichts nicht weiter geklärt werden.

Das Berufungsurteil besteht daher auch in diesem Punkt zu Recht.

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