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BGH, Urteil vom 27. August 2010 – 2 StR 111/09

GmbHG § 43; AktG § 93Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
AktG
AktG § 93
; StGB § 266

a) Ein Geschäftsführer einer GmbH und ein Vorstand einer AG können sich wegen Untreue strafbar machen, wenn sie unter Verstoß gegen § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 AktG und unter Verletzung von Buchführungsvorschriften eine schwarze Kasse im Ausland einrichten (Fortführung von BGH, 29. August 2008, 2 StR 587/07, BGHSt 52, 323).

Die Sorgfaltspflichten der § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG umfassen nach allgemeiner Auffassung zum einen die Pflicht, für die Legalität des Handelns der Gesellschaft, insbesondere auch für die Erfüllung der ihr aufgetragenen buchführungs- und steuerrechtlichen Pflichten Sorge zu tragen (Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 43 Rn. 8; Spindler in MünchKomm-AktG, § 93 Rn. 63 ff.; Mertens/Cahn in KK-AktG, § 93 Rn. 71 ff.; jew. mwN). Verstöße gegen die Legalitätspflicht können auch im Verhältnis zur Gesellschaft selbst nicht mit dem Vorbringen gerechtfertigt werden, sie lägen in deren Interesse (Kleindiek aaO, Rn. 9; Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 19. Aufl., § 43 Rn. 22; Hopt in Hopt/Wiedemann, AktG, 4. Aufl., § 93 Rn. 99; jew. mwN). Die – sei es auch profitable – Pflichtverletzung liegt nicht im Handlungsspielraum des geschäftsführenden Organs; die Bindung an gesetzliche Vorschriften hat vielmehr Vorrang (vgl. Rönnau in FS für Tiedemann S. 713, 725 mwN). Zum anderen begründet der Pflichtenmaßstab des § 43 Abs. 1 GmbHG, § 93 Abs. 1 S. 1 AktG auch die Pflicht zur Loyalität gegenüber den übrigen Gesellschaftsorganen. Dies bedeutet insbesondere, dass das Geschäftsleitungsorgan durch Information und Beratung dafür zu sorgen hat, dass die anderen Organe die ihnen zugewiesenen Aufgaben erfüllen können (Kleindiek aaO, Rn. 10; Hopt aaO, Rn. 137; jew. mwN).

Die Einrichtung und Unterhaltung einer „Kriegskasse“ im Ausland verletzte in gravierender Weise die von T. zu beachtende Sorgfalt in beiderlei Hinsicht. Er verschleierte die von ihm vorgenommenen Vermögensverschiebungen durch das Auslassen tatsächlicher und Hinzufügen fingierter Vorfälle in den Geschäftsbüchern nicht nur zur Täuschung des Finanzamts, sondern auch um Abweichungen gegenüber den unter Beteiligung der Mitgesellschafterin aufgestellten Jahreswirtschaftsplänen zu verhindern, den Scheincharakter der Rechnungen gegen kritische Fragen und Kontrollen von Organvertretern der Mitgesellschafterin abzusichern (UA 41/42, 51) und die Speisung seiner „Kriegskasse“ zu ermöglichen. Damit unterlief T. gleichzeitig die der Mitgesellschafterin von Gesetzes wegen eingeräumten Minderheitsrechte, insbesondere das Recht auf Einberufung der Gesellschafter- bzw. der Hauptversammlung nach § 50 GmbHG, § 122 AktG, das Recht auf Auskunftserteilung und Einsicht in die Bücher und Schriften nach § 51a GmbHG sowie die Aktionärsrechte auf Auskunftserteilung und auf Einleitung einer Sonderprüfung durch gerichtlich bestellte Prüfer nach § 131, § 142 Abs. 2 AktG.

b) Ein den Untreuetatbestand ausschließendes Einverständnis der Mehrheit der Gesellschafter einer GmbH setzt voraus, dass auch die Minderheitsgesellschafter mit der Frage der Billigung der Pflichtwidrigkeit befasst waren.

Da die Pflichtwidrigkeit des Handelns Merkmal des Untreuetatbestands ist, schließt das Einverständnis des Inhabers des zu betreuenden Vermögens bereits die Tatbestandsmäßigkeit aus (BGHSt 50, 331, 342; 52, 323, 335; jew. mwN). Bei juristischen Personen tritt an die Stelle des Vermögensinhabers dessen oberstes Willensorgan für die Regelung der inneren Angelegenheiten (vgl. BGHSt 9, 203, 216; BGH, Urteil vom 24. Juni 2010 – 3 StR 90/10 – Rn. 15). Eine erklärte Einwilligung ist nur dann unwirksam, wenn sie gesetzwidrig oder erschlichen ist, auf sonstigen Willensmängeln beruht oder – wie bei der Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz einer juristischen Person – ihrerseits pflichtwidrig ist (Perron in Schönke/Schröder, StGB, 28. Aufl., § 266 Rn. 21 ff.; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 266 Rn. 90 ff.).

Oberstes Willensorgan der GmbH ist die Gesamtheit ihrer Gesellschafter (BGHSt 9, 203, 216; vgl. auch Rönnau in FS für Amelung S. 256 f.; Hoffmann, Untreue und Unternehmensinteresse, 2010 S. 72 f.). Dies ergibt sich insbesondere aus deren Befugnis zur Erteilung von Weisungen gegenüber den Geschäftsführern gemäß § 37 Abs. 1 GmbHG und zu Abänderungen des Gesellschaftsvertrags gemäß § 53 Abs. 1 GmbHG (Wolff in Münch., Hdb. d. GesR, 3. Aufl. Bd. 3, § 36 Rn. 3; Bayer in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 17. Aufl., § 45 Rn. 4; K. Schmidt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl., § 45 Rn. 5; anders Zöllner in Baumbach/Hueck, GmbHG, 17. Aufl., § 45 Rn. 4: Organstellung nicht der Gesamtheit der Gesellschafter, sondern der Gesellschafterversammlung). Ein die Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 266 StGB ausschließendes Einverständnis der Gesellschafter kommt auch dann in Betracht, wenn die Vermögensverfügung des Geschäftsführers unter Verstoß gegen Buchführungsvorschriften erfolgt (BGHSt 35, 333, 335 ff.; dazu Rönnau in FS für Tiedemann S. 713, 718 Fn. 25; Weimann, Die Strafbarkeit der Bildung sog. schwarzer Kassen gem. § 266 StGB, 1996 S. 78, 84; Hoffmann aaO S. 97 ff.; anders noch BGHSt 34, 379, 384 ff.).

Nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt jedoch nur dem Einverständnis sämtlicher Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft oder einem (Mehrheits-)Beschluss des die Gesamtheit der Gesellschafter repräsentierenden Gesellschaftsorgans (so BGHSt 50, 331, 342 betr. die Aktiengesellschaft; noch enger Krekeler/Werner, Unternehmer und Strafrecht, 2006: stets Einverständnis aller GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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erforderlich) tatbestandsausschließende Wirkung zu. Ob nur Mehrheitsentscheidungen der Gesellschafter tatbestandsausschließende Wirkung beigemessen werden kann, die im Wege eines förmlichen Beschlusses herbeigeführt worden sind (kritisch Ransiek NJW 2006, 814, 815 f.; Dierlamm in MüKo-StGB, § 266 Rn. 136), oder ob tatbestandsausschließende Wirkung auch solchen Mehrheitsentscheidungen zukommt, die nicht unter Einhaltung der Formalien der §§ 47 ff. GmbHG getroffen worden sind (so BGH, Urteil vom 18. Oktober 1956 – 2 StR 434/56 -; vgl. zusammenfassend zum Streitstand Hoffmann aaO S. 190 ff.), bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung. Voraussetzung der Erteilung eines tatbestandsausschließenden Einverständnisses durch eine Gesellschaftermehrheit ist jedenfalls stets die inhaltliche Befassung auch der Minderheitsgesellschafter mit der Frage der Billigung der betreffenden Pflichtwidrigkeit.

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