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BGH, Urteil vom 28. April 1977 – II ZR 208/75

§ 34 GmbHG, § 810 BGB

Zwar ist es richtig, daß unter Umständen auch für die Zeit nach dem Ausscheiden eines GesellschaftersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Ausscheiden
Ausscheiden eines Gesellschafters
aufgestellte Unterlagen, insbesondere Folgebilanzen, wichtige Hinweise für die Bewertung der Beteiligung zum Stichtag geben und so eine zuverlässigere Feststellung des Entgelts ermöglichen könne. Das gilt, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, vor allem für die Ermittlung des Ertragswerts. Da sich dieser nach den in der Zukunft erzielbaren Einnahmeüberschüssen richtet, lassen sich aus späteren Ergebnissen Rückschlüsse auf den Unternehmenswert auch zu einem früher liegenden Stichtag ziehen. Es kann daher angebracht sein, die während des Bewertungszeitraums erkennbare Entwicklung des Unternehmens noch in die Bewertung einzubeziehen, soweit ihre Ursachen nicht erst nach dem Bewertungsstichtag eingetreten sind (Urt d BGH v 17.1.73 – IV ZR 142/70, LM BGB § 2311 Nr 10 aE; vgl auch BGHZ 65, 230, 236 mwN).

Die Zulässigkeit einer solchen Ausdehnung der Bewertungsunterlagen in die Zukunft hinein besagt indessen noch nicht, daß ein ausgeschiedener GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
ausgeschiedener Gesellschafter
Gesellschafter
grundsätzlich auch einen Rechtsanspruch auf Einsichtnahme in solche Geschäftsunterlagen haben müsse, die sich auf die Zeit nach seinem Ausscheiden beziehen. Sein etwaiges Interesse daran, diese Unterlagen bei der Ermittlung seines Guthabens mit berücksichtigt zu sehen, ist vielmehr gegen das Interesse der Gesellschaft und der verbliebenen Gesellschafter abzuwägen, einem nunmehr Außenstehenden nicht mehr als unbedingt nötig Einblick in die Geschäftspapiere zu geben. Eine solche Offenlegung in die betrieblichen Verhältnisse und die damit möglicherweise verbundene Belastung des Geschäftsbetriebs sind einer Gesellschaft um so weniger zuzumuten, je länger das Ausscheiden des Gesellschafters zurückliegt. Hinzu kommt, daß bei einem zeitlich unbegrenzten Vorlageanspruch des Ausgeschiedenen die Höhe seiner Entschädigung unter Umständen von dem mehr oder weniger zufälligen Umstand abhinge, wann die Bewertung des Anteils tatsächlich abgeschlossen ist. Das könnte die eine oder andere Seite dazu verleiten, diesen Zeitpunkt durch Einwendungen oder Beanstandungen hinauszuzögern, je nachdem, ob sich eine günstige Geschäftsentwicklung abzeichnet oder nicht. Diese Überlegungen führen dazu, einem ausgeschiedenen Gesellschafter das Einsichtsrecht jedenfalls für einen späteren Zeitraum als das Jahr seines Ausscheidens auch unabhängig davon, ob sich dieses Recht begrifflich mit § 810 BGB überhaupt noch vereinbaren ließe, grundsätzlich zu versagen.

Ob dem Ausgeschiedenen ein solches Recht in dem zur Feststellung seines Anspruchs unerläßlichen Umfang ausnahmsweise zum Beispiel dann zuzubilligen ist, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine ungewöhnliche Entwicklung sprechen, die sich vor dem Bewertungsstichtag bereits angebahnt hatte und über die ein klares Bild nur aus späteren Unterlagen zu gewinnen ist, bedarf hier keiner Entscheidung. Solche bestimmten Anhaltspunkte hat der Kläger nicht vorgetragen; seine Bedenken gegen die bislang vorliegenden Bilanzen und Schätzungen gehen in eine andere Richtung.

Es bleibt die Frage, ob der Kläger nicht wenigstens für das Geschäftsjahr 1968, in dessen Verlauf der Gesellschafter L. ausgeschieden ist, die Vorlage des Jahresabschlusses verlangen kann. Für den Regelfall ist auch ein solches Recht zu verneinen, weil das Guthaben des ausgeschiedenen Gesellschafters mit Hilfe einer auf den Tag des Ausscheidens abgestellten Bilanz zu ermitteln und durch die Vorlage einer solchen Bilanz mit den dazugehörigen Belegen den schutzwürdigen Belangen des Gläubigers im allgemeinen Genüge getan ist. Hier liegen aber besondere Umstände vor, die ein berechtigtes Interesse des Klägers an einer Einsichtnahme in den Jahresabschluß zum 31. Dezember 1968 begründen. Die Beklagte hat es nämlich versäumt, rechtzeitig eine Bilanz zum 29. März 1968 aufzustellen, wozu sie dem Kläger gegenüber verpflichtet war. Ein Versuch, dies heute nachzuholen, würde nach ihrer Behauptung auf große Schwierigkeiten stoßen. Insbesondere ist es nach Ansicht der Beklagten unmöglich, nachträglich die an jenem Stichtag vorhandenen Materialbestände und halbfertigen Arbeiten genau zu ermitteln und zu bewerten (Schriftsätze v 18.5.74 S 2, v 27.11.74 S 6 u v 13.5.75 S 6). Infolge dieser von der Beklagten zu vertretenden Sachlage läßt sich nicht ausschließen, daß ein Sachverständiger bei seinen auf einen Teil des Geschäftsjahres 1968 begrenzten Feststellungen weitgehend auf Schätzungen angewiesen sein wird und daß ihm die Kenntnis auch der Bilanz und der Gewinnrechnung und Verlustrechnung zum 31. Dezember 1968 diese Aufgabe erleichtern könnte, so daß insoweit auch die für eine Anwendung des § 810 BGB ausreichende unmittelbare objektive Beziehung zu dem Rechtsverhältnis, aus dem der Kläger seinen Anspruch herleitet, gegeben ist (vgl Urt d BGH v 15.12.65 – VIII ZR 306/63, WM 1966, 255). Unter diesen Umständen kann der Kläger den Einblick mindestens in diese Unterlagen fordern.

Besondere Gründe, aus denen sich ein diesem Verlangen entgegenstehendes dringendes Geheimhaltungsinteresse ergeben könnte, hat die hierfür beweispflichtige Beklagte nicht darzulegen vermocht (vgl Urt d BGH v 6.6.63 – VII ZR 230/61, WM 1963, 990 u v 10.7.75 – II ZR 154/75, WM 1975, 927 zu II 2 mwN).

Schlagworte: Abfindung des ausgeschiedenen Gesellschafters, Abfindung zum Verkehrswert, Einziehung, Einziehung des Geschäftsanteils, Rechtsfolgen für Geschäftsanteil, Rechtswahrung, Wirkung der Einziehung