§ 138 Abs 1 BGB, § 161 Abs 2 HGB, § 105 HGB
Zur Frage, inwieweit eine Kündigungsklausel im Vertrag einer Kommanditgesellschaft, die ausgeschiedenen Kommanditisten lediglich einen Anspruch auf ihr Buchguthaben zuweist, Sittenwidrig ist.
Das Berufungsgericht legt die Bestimmung des § 6 des Gesellschaftsvertrages dahin aus, daß sie den Beklagten das Recht gebe, ihre beiden Brüder als Kommanditisten unter Einhaltung einer einjährigen Kündigungsfrist jederzeit zum Ende eines Geschäftsjahres auch ohne Vorliegen eines wichtigen Grundes aus der Gesellschaft auszuschließen. Entgegen der Annahme der Revision kann diese Bestimmung allein für sich betrachtet noch nicht als Sittenwidrig angesehen werden. Das gilt auch dann, wenn man die weitere Bestimmung des Gesellschaftsvertrages berücksichtigt, daß die Brüder als Kommanditisten bei ihrer Ausschließung nur die Zahlung ihres buchmäßigen Guthabens verlangen können.
Es ist der Revision durchaus zuzugeben, daß bei einer solchen gesellschaftsvertraglichen Bestimmung die Stellung der Kommanditisten außerordentlich schwach ist und daß sie in der Freiheit ihrer Entschließungen überaus eingeengt sind. Aber gleichwohl ist kein durchschlagender Grund ersichtlich, warum der Vater der Parteien eine solche Gestaltung der Gesellschaftsverhältnisse nicht hätte wirksam herbeiführen können. Der erkennende Senat hat bereits eine gesellschaftsvertragliche Bestimmung gebilligt, die dem Vater gegenüber seinen Kindern ein einseitiges Ausschließungsrecht gegen Zahlung des buchmäßigen Guthabens einräumte, nachdem der Vater zuvor seine Kinder unentgeltlich unter Zuweisung eines entsprechenden Kommandit-Kapitalanteils in sein Einzelhandelsgeschäft aufgenommen hatte (BGH 34, 83). Nicht viel anders ist es bei einer gesellschaftsvertraglichen Bestimmung der vorliegenden Art. Es kann keinem Zweifel unterliegen, daß der Vater mit den Beklagten, ohne gegen die Vorschrift des § 138 Abs. 1 BGB zu verstoßen, in dem Gesellschaftsvertrag hätte vereinbaren können, daß im Fall seines Todes seinen Erben, soweit sie nicht Gesellschafter sind, der auf sie entfallende Kapitalanteil nach seinem buchmäßigen Wert auszuzahlen sei. Eine derartige Gestaltungsfreiheit muß einem einzelnen Gesellschafter zugebilligt werden, wobei es für die Frage nach einer Anwendung des § 138 Abs. 1 BGB ohne Bedeutung ist, ob eine solche gesellschaftsvertragliche Bestimmung zu einem Teil eine Enterbung pflichtteilsberechtigter Abkömmlinge zur Folge hat. Wenn der Vater mit den Beklagten eine solche gesellschaftsvertragliche Bestimmung hätte treffen können, ohne gegen die Vorschrift des § 138 Abs. 1 BGB zu verstoßen, dann kann es auch nicht als Sittenwidrig angesehen werden, wenn der Vater mit den Beklagten die hier in Betracht kommenden Bestimmungen über das Ausschließungsrecht und seine Folgen festlegte.
Trotz dieser allgemeinen Beurteilung muß jedoch bei den hier gegebenen Verhältnissen die Sittenwidrigkeit dieser Bestimmungen bejaht werden. Entscheidende Bedeutung hat im vorliegenden Fall die Tatsache, daß der Vater der Parteien seine vier Söhne hinsichtlich seines Kapitalanteils im wesentlichen gleichbehandeln wollte. Dies konnte der Vater der Parteien mit den getroffenen Bestimmungen aber gerade nicht erreichen. Denn bei der außerordentlich günstigen wirtschaftlichen Entwicklung, die das neu gegründete Unternehmen schon im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses genommen hatte, mußte eine Auszahlung nach dem buchmäßigen Wert eine Auszahlung erheblich unter dem wahren Wert darstellen. Das war für die Beklagten als Leiter des Unternehmens auch klar erkennbar. Dabei mußte die Diskrepanz zwischen dem Buchwert und dem wirklichen Wert bei der schon damals ersichtlichen weiteren günstigen Entwicklung des Unternehmens im Laufe der Zeit noch immer größer werden. Denn die Steuervergünstigungen, die damals im Interesse eines Wiederaufbaus der wirtschaft gewährt wurden, nötigten verständige Kaufleute zu entsprechenden Investitionen, Abschreibungen und anderen Maßnahmen, die sich vielfach nicht in einer nominellen Erhöhung der Kapitalanteile niederschlagen. Bei dieser Sachlage führte die wirtschaftliche Tragweite der hier in Betracht kommenden Ausschließungsbestimmung zu einer erheblichen Schlechterstellung des Klägers und seines Bruders Max, die nach der Feststellung des Berufungsgerichts vom Vater der Parteien nicht gewollt war. Das nötigt zu dem Schluß, daß sich der Vater in seinem hohen Alter angesichts der neuen Verhältnisse nach der Währungsreform über die wirtschaftliche Bedeutung dieser Bestimmung und über die mit ihr verbundene Benachteiligung seiner beiden anderen Söhne nicht im klaren war; denn anderenfalls hätte er sich bei seiner vom Berufungsgericht festgestellten Willensrichtung mit dieser Ausschließungsbestimmung nicht einverstanden erklärt. Andererseits kann die wirtschaftliche Bedeutung dieses Ausschließungsrechts den Beklagten nicht unbekannt geblieben sein, wie sie auch von diesem Recht gegenüber ihrem Bruder Max sofort nach dem Tode des Vaters Gebrauch gemacht haben. Bei dieser Sachlage stellt die Ausschließungsbestimmung gegenüber dem Kläger eine sittenwidrige Schädigung dar, die von der Rechtsordnung nicht anerkannt werden kann. Denn es widerspricht dem Rechtsgefühl anständig denkender Menschen, daß der Kläger aus seiner Gesellschaftsstellung gegen Zahlung eines unverhältnismäßig geringen Entgelts verdrängt werden könnte, obwohl der Vater seine vier Söhne hinsichtlich seines Gesellschaftsanteils im wesentlichen – nämlich vom wirtschaftlichen Standpunkt aus – gleichstellen wollte.
Schlagworte: anfänglich unwirksame Abfindungsklauseln, Ausschluss des Gesellschafters, Beschränkung der Abfindung, Buchwert, Buchwertklausel, Hinauskündigungsklausel