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BGH, Urteil vom 29. Juni 1981 – II ZR 142/80

§ 171 Abs 1 Halbs 2 HGB, § 172 HGB, § 15 HGB

Wer einen Kommanditanteil durch Abtretung erworben hat, haftet, sofern der Rechtsvorgänger die Haftsumme eingezahlt hat, den Gesellschaftsgläubigern auch dann nicht, wenn im Handelsregister kein auf die Rechtsnachfolge hinweisender Vermerk eingetragen ist; es haftet der Rechtsvorgänger.

Tatbestand

Der Kläger macht als Verwalter des Vermögens der am 13. September 1976 in Konkurs gefallenen Kommanditgesellschaft SB Selbstbedienungs-, Groß- und Einzelhandels GmbH & Co. Großvertrieb in O gegen den Beklagten als im Handelsregister eingetragenen Kommanditisten einen Teilbetrag der für ihn im Handelsregister mit 1,43 Mio. DM eingetragenen Haftsumme mit der Begründung geltend, er habe seine Einlage nicht erbracht. Dem Streit liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Unter den etwa 140 im Handelsregister eingetragenen Kommanditisten befindet sich die I Anstalt V mit einer Haftsumme von 1,3 Mio. DM. Die I, die den Kommanditanteil treuhänderisch gehalten hatte, trat ihn im September 1972 ihren Treugebern, der Personengruppe B, ab. Diese übertrugen den Anteil durch Vertrag vom 22./28. August 1975 treuhänderisch auf den Beklagten. Der Zwischenerwerb der Gruppe B ist dem Handelsregister nicht angezeigt worden. Die Geschäftsführung der Komplementär- GmbH der Kommanditgesellschaft meldete am 22. Dezember 1975 zum Handelsregister lediglich an, daß die I mit einer Kommanditeinlage von 1,3 Mio. DM aus der Gesellschaft ausgeschieden und der Beklagte – neben zehn weiteren Kommanditisten – mit einer Einlage von 1,3 Mio. DM in die Gesellschaft eingetreten sei. Das Ausscheiden der I ist, weil der Registerrichter förmliche Bedenken erhob, bisher nicht eingetragen worden. Den Beklagten hat das Registergericht am 25. März 1976 eingetragen, ebenso am 2. April 1976 eine Erhöhung seiner Haftsumme von 1,3 auf 1,43 Mio. DM.

Die I hatte 1,3 Mio. DM in bar eingelegt. Zusätzlich einen Betrag in dieser Höhe zu bezahlen, was der Kläger verlangt, hält sich der Beklagte nicht für verpflichtet, weil ihm wie er meint, die Einlageleistung der I zuzurechnen sei. Ob er den Erhöhungsbetrag von 130.000 DM erbracht hat, wie er behauptet, ist streitig.

Das Landgericht hat den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung des mit der Klage geltend gemachten Teilbetrages von 100.000 DM verurteilt. Das Oberlandesgericht hat seine Berufung zurückgewiesen und seinen im zweiten Rechtszuge gestellten Widerklageantrag festzustellen, daß dem Kläger auch über die Klageforderung hinaus kein Anspruch bis zu einem Betrage von 200.000 DM zustehe, abgewiesen. Mit der Revision, die der Kläger zurückzuweisen beantragt, verfolgt der Beklagte seinen Antrag, die Klage abzuweisen, sowie den Widerklageantrag weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet.

Das Berufungsgericht hat den Beklagten zur Zahlung der im Streit befindlichen 200.000 DM gemäß § 171 Abs. 1 und 2 HGB für verpflichtet gehalten, weil dieser auf den ursprünglich als Haftsumme eingetragenen Betrag von 1,3 Mio. DM unstreitig selbst nichts ins Gesellschaftsvermögen gezahlt habe und sich auch nicht darauf berufen könne, daß eine Einlage in dieser Höhe von der früheren Inhaberin seines Kommanditanteils, der I Anstalt V, erbracht (und niemals zurückgezahlt) worden sei. Dem ist nicht zu folgen.

1.

Der Gesellschafter einer Personengesellschaft kann seinen Gesellschaftsanteil („die Mitgliedschaft“) mit Zustimmung der übrigen Gesellschafter auf einen Mitgesellschafter oder auf eine dritte Person durch Verfügungsgeschäft mit der Wirkung übertragen, daß der Erwerber, wenn nichts anderes geregelt ist, ohne weiteres in die Rechtsstellung eintritt, die bis dahin der Veräußerer innehatte. Für die Kommanditgesellschaft bedeutet das unter anderem, daß mit der Abtretung eines Kommanditanteils der neue Kommanditist auch hinsichtlich der Einlageschuld gegenüber der Gesellschaft sowie hinsichtlich der Haftung gegenüber den Gesellschaftsgläubigern diejenige Rechtsposition übernimmt, die bis zur Abtretung der frühere Kommanditist innegehabt hatte: Hatte dieser seine Einlage ganz oder teilweise noch nicht erbracht und haftete er deshalb den Gläubigern wegen des offenstehenden Betrages bis zur Höhe der eingetragenen Haftsumme, so haftet nun der neue Kommanditist den Gläubigern mit seinem Privatvermögen in gleicher Weise; hatte der frühere Kommanditist dagegen seine Einlage voll erbracht und damit jede weitere Haftung ausgeschlossen (§ 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB), so kommt auch eine unmittelbare Haftung des neuen Kommanditisten nicht mehr in Betracht. Das alles entspricht den Haftungsregeln des Gesetzes (§§ 171, 172 HGB) und den Grundsätzen einer jeden Rechtsnachfolge. Die vom Berufungsgericht in diesem Zusammenhang als wesentlich angesehene Frage, ob „die lediglich gesellschaftsinterne Umbuchung (der Einlage) von dem alten auf den neuen Gesellschafter nach außen hin als Leistung der Einlage (des neuen Gesellschafters) angesehen werden“ könne, hat es zwar zutreffend verneint, weil dieser rein buchungstechnische Vorgang keine eigenständige rechtsgeschäftliche Bedeutung hat; aber darauf kommt es nicht an, sondern auf die Rechtswirkung des zugrundeliegenden Verfügungsgeschäfts, und dieses wirkt nach innen und außen. Infolgedessen ergibt sich im vorliegenden Falle aus der Übertragung des Kommanditanteils durch die I über die Gruppe B auf den Beklagten, daß sich dieser auf die von der I geleisteten 1,3 Mio. DM berufen und insoweit vom Kläger als Konkursverwalter nicht in Anspruch genommen werden kann.

2.

Aus der Verkehrs- und Vertrauensschutzwirkung des Handelsregisters ist zu Lasten des Beklagten nichts anderes herzuleiten. Im Schrifttum wird zwar für den ähnlichen Fall, daß bei Abtretung eines Kommanditanteils das Ausscheiden des alten und der Beitritt des neuen Kommanditisten eingetragen, aber kein auf die Rechtsnachfolge hinweisender Vermerk beigefügt worden ist, die Meinung vertreten, es hafte der neue Kommanditist kraft Rechtsscheins auf die für ihn eingetragene Haftsumme, auch wenn sein Rechtsvorgänger die Einlage bezahlt habe: Da es sich um seine Beteiligung und Haftung handele, müsse der neue Kommanditist dafür sorgen, daß das Nachfolgeverhältnis im Handelsregister zum Ausdruck komme. Ohne einen solchen von der Rechtsprechung geforderten Vermerk (RG GSZ DNotZ 1944, 195 = WM 1964, 1130) erwecke er den Anschein, ohne rechtlichen Zusammenhang mit dem Ausscheiden eines anderen mit einer neuen Einlage in die Gesellschaft eingetreten zu sein. Mangelhaft sei der Registereintrag (nur) hinsichtlich der Entstehung der Beteiligung des Neueingetretenen. Also müsse er – mindestens gegenüber den Neugläubigern – so haften, „wie wenn er wirklich mit einer neuen Einlage eingetreten sei“ (Weipert, DR 1943, S. 270 ff.; Schilling in Großkomm. HGB, 3. Aufl. Anm. 27 zu § 173; Schlegelberger/Geßler, 4. Aufl. Anm. 10 zu § 173 HGB; Richert, NJW 1958, S. 1472, 1475; zweifelnd Karsten Schmidt, Einlage und Haftung des Kommanditisten, S. 110/111). Dem ist jedoch nicht beizupflichten.

Allerdings ist in dem dort behandelten wie im vorliegenden Fall aus dem Register nicht ersichtlich, daß der neue Kommanditist (hier der Beklagte) nicht auf Grund eines rechtlich selbständigen Beitrittsvertrages mit den übrigen Gesellschaftern, sondern kraft Anteilsabtretung als Rechtsnachfolger eines ausgeschiedenen Kommanditisten (I) der Gesellschaft angehört. Durch diese Unvollständigkeit, die hier durch die unveränderte Eintragung der I als der Gesellschaft noch angehörende Kommanditistin noch erweitert ist, wird im Rechtsverkehr der Eindruck vermittelt, hier sei zu der früheren Kommanditistin mit der Haftsumme von 1,3 Mio. DM (und zu den übrigen Kommanditisten) ein weiterer Kommanditist mit einer weiteren Haftsumme von 1,3 Mio. DM hinzugekommen. Genauer ausgedrückt stellt sich die Rechtslage für den vorliegenden Fall wie folgt dar: Die I kann, weil ihr Ausscheiden nicht eingetragen worden ist, den vor der Abtretung mit der Gesellschaft in Geschäftsverbindung getretenen (Alt-)Gläubigern nicht entgegenhalten, daß sie ausgeschieden und seither die Frist zur Verjährung der Ansprüche gelaufen sei (§ 159 Abs. 2 HGB). Gegenüber den Neugläubigern gilt die I gemäß § 15 Abs. 1 HGB als der Gesellschaft noch angehörende Kommanditistin, „deren Einlage durch den in der Eintragung angegebenen Betrag (1,3 Mio. DM) bestimmt“ wird (§ 172 Abs. 1 HGB). Die Haftsumme des Beklagten wird im Verhältnis zu Neugläubigern (gemäß § 171 Abs. 1) und gegenüber den Altgläubigern (gemäß § 173 Abs. 1 HGB) – der wahren Rechtslage entsprechend – ebenfalls durch den eingetragenen Betrag von 1,3 Mio. DM „bestimmt“ (§ 172 Abs. 1 HGB).

Darin erschöpft sich jedoch der Registerschutz. Die aus dem Register zu beantwortende Frage, ob sich die Gesellschaftsgläubiger in dem angegebenen Umfange auf die im Widerspruch zur Rechtswirklichkeit stehende Gesellschaftszugehörigkeit zweier Kommanditisten und auf die doppelte Haftsumme berufen können, ist von der anderen, hier entscheidenden Frage zu unterscheiden, wer von den beiden Kommanditisten für den der wahren Rechtslage nicht entsprechenden zusätzlichen Betrag von den Gläubigern in Anspruch genommen werden kann. Hierfür gibt das Handelsregister nichts her. Die I und der Beklagte haften – wie jeder andere Kommanditist – nach dem Gesetz den Gläubigern unmittelbar bis zur Höhe ihrer Haftsumme, wenn und soweit die Einlagen tatsächlich noch nicht geleistet worden sind (§ 171 Abs. 1 HGB). Ob und auf welche Weise diese tatsächlich erbracht worden sind, ist keine im Handelsregister eintragungsbedürftige oder auch nur eintragungsfähige Tatsache. Der Inhalt des Handelsregisters kann daher folgerichtig, auch wenn er falsch oder unvollständig ist, niemals den Anschein erwecken, auf eine eingetragene Haftsumme sei noch eine (in Wahrheit erbrachte) Zahlung zu erbringen. Mit dem Rechtsnachfolgevermerk ist das nicht anders. Wäre die I als ausgeschieden und die Rechtsnachfolge I/Beklagter im Handelsregister eingetragen worden, könnten sie beide den Gesellschaftsgläubigern gemäß § 15 Abs. 2 HGB entgegenhalten, daß sich die Haftsumme nicht verdoppelt habe; ob aber von dem einen, von dem anderen oder von keinem von ihnen die darauf zu zahlende Einlage erbracht worden ist, kommt nicht zum Ausdruck. Infolgedessen kann aus dem Fehlen des Rechtsnachfolgevermerks kein Gläubiger den berechtigten Schluß ziehen, einer der beiden (oder beide) Kommanditisten hätten auf die für sie eingetragene Haftsumme noch nichts geleistet. Wie in allen anderen kommanditgesellschaftsrechtlichen Haftungsfällen muß der Gesellschaftsgläubiger auch hier die Abweisung seiner Haftungsklage hinnehmen, wenn der Kommanditist nachweist, daß auf seine Haftsumme tatsächlich die „Einlage“ erbracht worden ist. Das aber ist, wie oben dargelegt, im vorliegenden Falle unstreitig, da die I 1,3 Mio. DM ins Gesellschaftsvermögen gezahlt hat und der Beklagte sich als Rechtsnachfolger darauf berufen kann. Auf die Frage, ob diese Einlage im Zeitpunkt der Abtretung etwa schon durch Verluste der Gesellschaft aufgezehrt war, kommt es nicht an; die I hätte sich auch in diesem Falle auf die vollzogene Leistung berufen können, und zu der Rechtsposition, die der Beklagte von ihr durch die Abtretung übernommen hat, gehört auch die so erworbene Haftungsbefreiung.

3.

Im angeführten Schrifttum wird schließlich noch geltend gemacht, billigerweise müsse der neue Kommanditist bei fehlendem Rechtsnachfolgevermerk wenigstens deshalb haften, weil er die unvollständige Eintragung (mit) zu verantworten habe und der Gläubiger sonst überhaupt nicht zu dem aus dem Register ersichtlichen Mehrbetrag komme: Denn der alte Kommanditist könne nach dem Gesetz nicht in Anspruch genommen werden, weil er seine Einlage geleistet habe, seine Haftung damit gemäß § 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB ausgeschlossen sei und diese nach § 172 Abs. 4 HGB nur wiederaufleben könne, wenn ihm seine Einlage zurückbezahlt oder ihm nicht zustehender Gewinn gutgebracht werde; ein solcher Fall liege bei einer Abtretung nicht vor, weil hierbei das Gesellschaftsvermögen nicht, insbesondere auch nicht zu seinen Gunsten, vermindert werde.

Auch diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden. Die Haftung des früheren Kommanditisten lebt im Abtretungsfall wieder auf, weil mit der Übertragung der Rechtsposition auf den neuen Kommanditisten auf diesen auch das Recht übergegangen ist, sich auf die Einlageleistung seines Rechtsvorgängers und die Wirkung des § 171 Abs. 1 Halbs. 2 HGB zu berufen, so daß die im Handelsregister weiter eingetragene Haftsumme des früheren Kommanditisten durch seine frühere Einlagenleistung fortan nicht mehr gedeckt ist. Es ist zwar richtig, daß das Gesetz den Wegfall der Haftungsfreiheit für diesen Fall nicht bestimmt hat. Das erklärt sich aber ohne weiteres daraus, daß die Übertragung des Kommanditanteils im Wege der Sonderrechtsnachfolge, als das Gesetz entstand, rechtlich noch nicht anerkannt war und die Ansicht vorherrschte, ein Gesellschafterwechsel könne sich nur durch isolierten Austritt des alten Gesellschafters und zwar gleichzeitigem, aber damit rechtlich nicht zusammenhängendem Beitritt des neuen Kommanditisten vollziehen. Nachdem aber nicht mehr zweifelhaft ist, daß die Mitgliedschaft in einer Personengesellschaft durch einfaches Verfügungsgeschäft übertragen werden kann, ist § 172 Abs. 4 HGB nach seinem Sinn und Zweck, wenn sich der Kommanditist seiner vermögenswerten Rechte in der Gesellschaft durch Abtretung begeben hat, entsprechend anzuwenden, so daß für ihn seine Einlage auch in diesem Falle – wie das Gesetz es formuliert – „den Gläubigern als nicht (mehr) geleistet gilt“ (so im Ergebnis auch RGZ 162, 264, 268; U. Huber, Vermögensanteil, Kapitalanteil und Gesellschaftsanteil an Personalgesellschaften des Handelsrechts S. 401, Fn. 16).

4.

Die Ansprüche des Klägers sind daher unbegründet, soweit er die Haftung des Beklagten auf die ursprünglich eingetragene, von der I übernommene Haftsumme von 1,3 Mio. DM zu stützen versucht hat. Dagegen läßt sich in der Revisionsinstanz nicht entscheiden, ob der Beklagte auf einen Betrag von 130.000 DM haftet, um den die Haftsumme erhöht worden ist, nachdem er den Kommanditanteil erworben hatte. Denn zu seiner – vom Kläger bestrittenen – Behauptung, diesen Betrag einbezahlt zu haben, hat das Berufungsgericht bislang nichts festgestellt. Das betrifft noch die Klageanträge und einen Teil der Widerklage. Insoweit ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Wegen des weitergehenden Betrages von 70.000 DM kann dagegen der Widerklage schon jetzt stattgegeben werden.

Schlagworte: Altkommanditist Haftung, Rechtsnachfolger, Sonderrechtsnachfolge, Sonderrechtsnachfolgevermerk